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Zoepfl, Heinrich
Deutsche Staats- und Rechts-Geschichte: compendiarisch dargestellt zum Gebrauche bei akademischen Vorlesungen (3) — Heidelberg: Oßwald, 1836

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https://doi.org/10.11588/diglit.47342#0191
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sehen Rechtsinstitutes unläugbar war, die Regeln des rö-
mischen Rechtes möglichst damit in Verbindung zu setzen
suchten. Dass bei einem solchen Verfahren viele Willkühr
unterlaufen musste, ist offenbar, da nicht nur die meisten
Lehren des römischen Rechtes controvers waren, und das
einseitige Räsonnement des Richters allein darüber ent-
scheiden konnte, was und wieviel er von den Regeln
desselben den deutschen Instituten nachgeben, und wie
er beide verbinden wollte. Die Nothwendigkeit, auf diese
Art die römischen Rechtsvorschriften bei der Anwendung
zu modificiren , wurde aber weniger daraus abgeleitet,
dass man römische Institute als veraltet betrachtete, als
vielmehr aus der in dem canonischen Rechte 2) so wie auch
in den Reichsgesetzen 3) ausdrücklich und vielfach sauctio-
nirten Autorität des Gewohnheitsrechtes und des Herkom-
mens, was aber sofort wieder die eigenthümliche Wirkung
äusserle, dass man die deutschen Institute als etwas von
den gemeingültigen Rechtsquellen (dem römischen und ca-
nonischen Rechte und dem longobardischen Lehenrechte)
Abweichendes — mithin als etwas Singuläres betrachtete,
und daher den Beweis derselben verlangte, wenn auf die-
selben Bezug genommen wurde. Es konnte nicht fehlen,
dass nicht auch die Abweichungen, welche die Gerichte
von den Grundsätzen des römischen Rechtes bei seiner
practischen Anwendung zu machen sich veranlasst fanden,
nachdem dieselben durch mehrfache Wiederhohlung den
Character eines Gerichtsgebrauches angenommen hatten,
auch auf die Theorie einen rückwirkenden Einfluss äusser-
ten , und dass man auch auf den Schulen anfing, die Gründe,
aus welchen die Praxis von den Buchstaben der gemeinen
geschriebenen Rechte abging, in ein System zu bringen,
oderauch diese Gründe einer Art kritischen Prüfung (welche
freilich, insoferne sie nicht historisch-kritisch war, nur
einseitige Resultate liefern konnte) zu unterwerfen. Diese
Mischung aus römischem, canonischem und deutschem Rechte,
practischer Willkühr und willkührlicher Doctrin wurde als
ein usus modernus juris Romano-Germanici, oder Praxis
forensis u. s. w. auf die angehenden jungen Juristen ver-
erbet und von Generation zu Generation in einer sich stets
verschlechternden Beschaffenheit fortgepflanzt, indem, je
mehr die Autorität der Praxis stieg, desto mehr das we-
 
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