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Das Criminalrecht 12) hatte durch die peinliche Hals-
gerichtsordnung Carl’s V. (sogen. Carolina 13) §. 114,
n. 23) eine festere Grundlage erhalten. Dieser wichtige,
noch bis jetzt als gemeines Recht practisch gebliebene Codex,
wird stets als eine der ausgezeichnetesten Leistungen des
Mittelalters in juristischer Beziehung zu betrachten und zu
würdigen sein. Wenn auch die Umsicht, mit welcher die
criminalistischen, besonders prozessualischen, Verhältnisse
behandelt sind, auf eine genaue Bekanntschaft des haupt-
sächlichsten Verfassers desselben, Freiherrn Johann vou
Schwarzenberg14) mit dem wissenschaftlichen Zustande
und der Praxis des Strafrechtes in den deutschen und aus-
wärtigen Staaten und den geistlichen Gerichten zu schlies-
sen erlaubet,15) so äussert sich doch durchgängig eine freie
selbstständige Auffassung uud geistvolle Verarbeitung des
zu behandelnden Stoffes und neben einem sehr richtigen
practiscben Blicke und den Spuren einer grossen Uebung
und Geschäftsgewandtheit in der Behandlung crimineller
Rechtssachen eine für jene Zeit der criminalistischen Bar-
barei (§. 112, not. 32) sehr beachtungswerthe Humanität
gegen den Angeschuldigten , so wie auch mit grosser Ge-
schicklichkeit die Klippe vermieden war, durch eine zu
strenge Abschliessung der weiteren Entwickelung des Straf-
rechtes durch Doctrin und Praxis Fesseln anzulegen, worin
wohl der vorzüglichste Grund gefunden werden darf, wie
es nur möglich war, dass sich ungeachtet der gänzlichen
Umwandlung der Sitten, Lebens-Gerichts - und Staatsver-
hältnisse des deutschen Volkes die Carolina jetzt schon
mehr als dreihundert Jahre hindurch als practische Rechts-
quelle erhalten konnte. 16) Die prozessualischen Bestim-
mungen der Carolina waren zunächst noch auf die bei
ihrer Publication bestehende Schöffenverfassung berechnet,
welche dadurch nicht aufgehoben werden sollte. Jedoch
war durch die Verweisung der Schöffen bei schwierigen Fäl-
len und besonders hinsichtlich des Erkenntnisses über das
Strafmaas auf den Rath der Rechtsverständigen, worunter
die Hofgerichte, die als landesherrliche Richter-Behörden
organisirten Schöffenstühle und Juristenfacultäten begriffen
waren, (C. C. C. art. 219) dem Uebelstande vorgebeugt
worden, welcher sich ausserdem hätte ergeben müssen,
wenn die nicht juristisch gebildeten Schöffen in jenen Fällen, I
Das Criminalrecht 12) hatte durch die peinliche Hals-
gerichtsordnung Carl’s V. (sogen. Carolina 13) §. 114,
n. 23) eine festere Grundlage erhalten. Dieser wichtige,
noch bis jetzt als gemeines Recht practisch gebliebene Codex,
wird stets als eine der ausgezeichnetesten Leistungen des
Mittelalters in juristischer Beziehung zu betrachten und zu
würdigen sein. Wenn auch die Umsicht, mit welcher die
criminalistischen, besonders prozessualischen, Verhältnisse
behandelt sind, auf eine genaue Bekanntschaft des haupt-
sächlichsten Verfassers desselben, Freiherrn Johann vou
Schwarzenberg14) mit dem wissenschaftlichen Zustande
und der Praxis des Strafrechtes in den deutschen und aus-
wärtigen Staaten und den geistlichen Gerichten zu schlies-
sen erlaubet,15) so äussert sich doch durchgängig eine freie
selbstständige Auffassung uud geistvolle Verarbeitung des
zu behandelnden Stoffes und neben einem sehr richtigen
practiscben Blicke und den Spuren einer grossen Uebung
und Geschäftsgewandtheit in der Behandlung crimineller
Rechtssachen eine für jene Zeit der criminalistischen Bar-
barei (§. 112, not. 32) sehr beachtungswerthe Humanität
gegen den Angeschuldigten , so wie auch mit grosser Ge-
schicklichkeit die Klippe vermieden war, durch eine zu
strenge Abschliessung der weiteren Entwickelung des Straf-
rechtes durch Doctrin und Praxis Fesseln anzulegen, worin
wohl der vorzüglichste Grund gefunden werden darf, wie
es nur möglich war, dass sich ungeachtet der gänzlichen
Umwandlung der Sitten, Lebens-Gerichts - und Staatsver-
hältnisse des deutschen Volkes die Carolina jetzt schon
mehr als dreihundert Jahre hindurch als practische Rechts-
quelle erhalten konnte. 16) Die prozessualischen Bestim-
mungen der Carolina waren zunächst noch auf die bei
ihrer Publication bestehende Schöffenverfassung berechnet,
welche dadurch nicht aufgehoben werden sollte. Jedoch
war durch die Verweisung der Schöffen bei schwierigen Fäl-
len und besonders hinsichtlich des Erkenntnisses über das
Strafmaas auf den Rath der Rechtsverständigen, worunter
die Hofgerichte, die als landesherrliche Richter-Behörden
organisirten Schöffenstühle und Juristenfacultäten begriffen
waren, (C. C. C. art. 219) dem Uebelstande vorgebeugt
worden, welcher sich ausserdem hätte ergeben müssen,
wenn die nicht juristisch gebildeten Schöffen in jenen Fällen, I