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Zoepfl, Heinrich [Editor]
Das alte Bamberger Recht als Quelle der Carolina — Heidelberg: Groos, 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.47514#0151
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131

drittes ijiuipUtüvk.
Criminalprozess.
34.
V o r b e m e r k un g.
Die Form, in welcher das Criminalverfahren, d. h. das gericht-
liche Verfahren bei eigentlichen Halsgerichten — nach dem Bamber-
ger Stadtrechte eingeleitet und durchgeführt wird, ist keine andere,
als die des altgermanischen Accusationsprozesses, wie sich dieses
an sich schon aus der im §. 33. entwickelten Grundansicht des Mit-
telalters über die Natur der öffentlichen Strafe erkläret, wonach
letztere nichts anderes als eine in gesetzlicher oder durch Herkommen
bestimmter Farm von der Genossenschaft (dem Staate) dem Verletzten
und seiner Familie zu leistende Rechtshülfe bei Ausübung der Blut-
rache ist. Den Typus des Criminalverfahrens bildet das Verfahren
bei einer Anklage wegen Tödtung, dessen Grundsätze, wie die frag-
mentarischen Notizen über den Prozess bei den übrigen Capitalver-
brechen deutlich genug zeigen, bei diesen völlig analoge Anwen-
dung fanden. Das gesammte Criminalverfahren, welches das Bam-
berger Stadtrecht darstellet, beruhet noch ausschliesslich und rein
auf den Grundsätzen des ältesten germanischen Rechtes, wie wir sie
zum Theile schon aus den Quellen der vorcarolingischen Zeit erken-
nen können, so dass dieselben auch weit mehr durch die Capitularien
Carl’s d. G. nur fixirt und entwickelt, als neu eingeführt zu sein schei-
nen. Wir haben schon früher bemerkt, dass sich wohl in keinem
Rechtstheile das alte Recht in grösserer Reinheit und Stabilität er-
hielt, als gerade im Criminalprozesse: dass diese Erscheinung um so
weniger befremden kann, wenn man erwägt, dass seit den Zeiten
Carl’s d. G. die Legislation sich mit diesem Rechtstheile durchaus
nicht mehr befasst hatte, 1) Es musste sich der Criminalprozess daher
in den Schöffengerichten fort lind fort, von Generation zu Generation
in seinem alten Formalismus unverändert vererben, da bei der ge-
sammten Rechtspflege gerade die Formen als das Heilige, Schützende,
der richterlichen Willkühr Unantastbare erscheinen, woran nur eine
höhere Autorität ändern und modiflciren dürfte. Je mehr aber in die
Augen fallend — je sinnlicher der Formalismus des Rechtes ist, je
mehr ihn daher die öffentliche Meinung schützend überwachen kann,
desto weniger ist er der Gefahr einer Reformation durch die Gerichte

i) Die mageren Landfrieden Friedrich’s I. u. II. können hier nicht in Betracht
kommen, da durch sie wenigstens in keinem Prinzipe eine Aenderung bewirkt wurde.

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