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schuldigungsgrund, so wie aüch schon im Buch VI. Thl. I. tit. XXII.
Jugend und Gebrechlichkeit als Milderungsgrund der Strafbarkeit 8)
aufgeführt sind — welche Bestimmungen sämmtlich mit den Vor-
schriften der ScHWARZENBERGisehen Gerichtsordnungen harmoniren —
möchte ich aber dennoch nicht weiter die Behauptung· gründen, dass
Schwarzenberg die Wormser Reformation berücksichtiget habe, da
diese Bestimmungen in sie selbst aus einer anderen, dem v. Schwar-
zenberg gleichfalls und zwar unmittelbar zugänglichen und von ihm
auch viel benützten Quelle — nämlich aus dem römischen Rechte
übergegangen sind.
Zuletzt dürfte vielleicht hier noch eine Quelle genannt werden,
welche wenn gleich in jedem Falle von Schwarzenberg nur in seht
Untergeordnetem Maasse benützt, dennoch ihm nicht ganz unbekannt
gewesen zu sein scheinet — nämlich das Rechtsbüch RüpreCht’s von
Freisingen aus dem XIV. Jahrhundert. Die Eigenthümlichkeit dieser
Rechtsquelle bestehet vornehmlich in der Casuistik, in welcher
Ruprecht die Anwendung der Grundsätze des mittelalterlichen deut-
schen Rechtes und die Praxis darstellet. Hierdurch ist sein Rechts·*
buch wesentlich von dem Sachsen- und Schwabenspiegel unterschie-
den, obgleich es im Uebrigen noch ganz auf der Grundlage derselben
beruhet. Am meisten casuistisch behandelt Ruprecht die Lehre von
der Tödtung und von der Noth wehre, und gerade in diesen Lehren
finden wir in der Bambergensis und Carolina eine ganz auffallende
Aehnlichkeit der Darstellung, und einvorherrschendesStreben, durch
Anführung·, oder, wenn man lieber will, durch Fiction einzelner Fälle
die Rechtsgrundsätze den Schöffen zu verdeutlichen und gleichsam zu
versinnlichen. Aber äusser dieser allgemeinen Aehnlichkeit finden
sich noch einige besonders singuläre Bestimmungen bei Ruprecht von
Freisingen, deren gleichmässiges Vorkommen in der Carolina — wenn
wir auch aus dieser Uebereinstimmung gar Nichts ableiten und fol-
gern wollen — doch wenigstens eben als Besonderheit eine Erwäh-
nung zu verdienen scheinet. Hieher gehöret namentlich die Charac-
terisirung der Nothwehr als ein Ueberlauf mit tödtlichen Waffen
(Ruprecht §. 18. — §.21), insbesondere aber die Entscheidung
(§. 20.), dass der Angerannte, der „stille steht und sich schämt,
dass er weichen soll, und sein Schwert zieht, auch in rechter
Nothwer gestanden sei, wenn er den Angreifer verwundet oder
tödet.“ Es ist dieses, wenn ich nicht irre, die älteste und einzige
Stelle in einem Rechtsbuche vor der Bambergensis und Carolina, in
welchem das „nicht füglich ohne Fährlichkeit seiner Ehre und guten
8) Vergl, Banil». a. 205. Carol, a. I79.
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schuldigungsgrund, so wie aüch schon im Buch VI. Thl. I. tit. XXII.
Jugend und Gebrechlichkeit als Milderungsgrund der Strafbarkeit 8)
aufgeführt sind — welche Bestimmungen sämmtlich mit den Vor-
schriften der ScHWARZENBERGisehen Gerichtsordnungen harmoniren —
möchte ich aber dennoch nicht weiter die Behauptung· gründen, dass
Schwarzenberg die Wormser Reformation berücksichtiget habe, da
diese Bestimmungen in sie selbst aus einer anderen, dem v. Schwar-
zenberg gleichfalls und zwar unmittelbar zugänglichen und von ihm
auch viel benützten Quelle — nämlich aus dem römischen Rechte
übergegangen sind.
Zuletzt dürfte vielleicht hier noch eine Quelle genannt werden,
welche wenn gleich in jedem Falle von Schwarzenberg nur in seht
Untergeordnetem Maasse benützt, dennoch ihm nicht ganz unbekannt
gewesen zu sein scheinet — nämlich das Rechtsbüch RüpreCht’s von
Freisingen aus dem XIV. Jahrhundert. Die Eigenthümlichkeit dieser
Rechtsquelle bestehet vornehmlich in der Casuistik, in welcher
Ruprecht die Anwendung der Grundsätze des mittelalterlichen deut-
schen Rechtes und die Praxis darstellet. Hierdurch ist sein Rechts·*
buch wesentlich von dem Sachsen- und Schwabenspiegel unterschie-
den, obgleich es im Uebrigen noch ganz auf der Grundlage derselben
beruhet. Am meisten casuistisch behandelt Ruprecht die Lehre von
der Tödtung und von der Noth wehre, und gerade in diesen Lehren
finden wir in der Bambergensis und Carolina eine ganz auffallende
Aehnlichkeit der Darstellung, und einvorherrschendesStreben, durch
Anführung·, oder, wenn man lieber will, durch Fiction einzelner Fälle
die Rechtsgrundsätze den Schöffen zu verdeutlichen und gleichsam zu
versinnlichen. Aber äusser dieser allgemeinen Aehnlichkeit finden
sich noch einige besonders singuläre Bestimmungen bei Ruprecht von
Freisingen, deren gleichmässiges Vorkommen in der Carolina — wenn
wir auch aus dieser Uebereinstimmung gar Nichts ableiten und fol-
gern wollen — doch wenigstens eben als Besonderheit eine Erwäh-
nung zu verdienen scheinet. Hieher gehöret namentlich die Charac-
terisirung der Nothwehr als ein Ueberlauf mit tödtlichen Waffen
(Ruprecht §. 18. — §.21), insbesondere aber die Entscheidung
(§. 20.), dass der Angerannte, der „stille steht und sich schämt,
dass er weichen soll, und sein Schwert zieht, auch in rechter
Nothwer gestanden sei, wenn er den Angreifer verwundet oder
tödet.“ Es ist dieses, wenn ich nicht irre, die älteste und einzige
Stelle in einem Rechtsbuche vor der Bambergensis und Carolina, in
welchem das „nicht füglich ohne Fährlichkeit seiner Ehre und guten
8) Vergl, Banil». a. 205. Carol, a. I79.
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