Nr. 50.
HEIDELBERGER
1869.
II. Hetzel, die Todesstrafe in ihrer kulturgeschichtlichen Entwick¬
lung. Eine Studie. Berlin, 1870. Verlag von W. Möser. —
84 Bogen, 544 Seiten.
Dieses Buch ist allen denjenigen bestens zu empfehlen, welche
sich über den gegenwärtigen Stand der Streitfrage über die Bei-
behaltung der Todesstrafe in der Gesetzgebung des Strafrechts zu
belehren Veranlassung oder sonst ein Interesse haben. Sehr richtig
bemerkt der Verf. in der Einleitung: »Ungezählte Abhandlungen
sind seit einem Jahrhundert über die Zulässigkeit der Todesstrafe
geschrieben worden. . . Neue Waffen (für und gegen dieselbe) wird
man in dem Zeugbause der Staats- und Rechtswissenschaft schwer-
lich noch entdecken, auch die Rüstkammern der Gottesgelahrtheit
und Weltweisheit sind wohl so ziemlich ausgeleert worden;
dagegen liefert die riesig fortschreitende Menschenkunde immer
neues Kriegsmaterial, und die Kulturgeschichte hat sich bis jetzt
nur ganz vereinzelt und gelegentlich an dem Kampfe betheiligt.
Und doch gebührt ihr das letzte entscheidende Wort, denn sie erst
erkennt alle jene einzelnen geistigeu Bestrebungen einer jeden Zeit
in ihrem Zusammenhänge und in ihrer Einheit.«
Bisher batte nur der belgische Professor Haus (»La peine
de mort, son passe, son präsent, son avenir, Gand 1867«) einen
etwas ausführlicheren geschichtlichen Abriss gegeben. In dem vor-
liegenden Werke gibt der Verf. eine sehr anerkennenswerthe Dog-
mengeschichte, an welcher wir besonders die präcise und talent-
volle excerptivische Darstellung der Ansichten, welche seit mehr
als einem Jahrhundert in der Literatur und Gesetzgebung hervor-
getreten sind, rühmend hervorheben müssen. Sehr treffend bemerkt
der Verf., dass die Frage über die Todesstrafe von der Wissen-
schaft in der neueren Zeit auf den Gebieten verschiedener Fach-
wissenschaften behandelt worden ist. Die Politik fragt: Ist die
Todesstrafe zweckmässig? Die Jurisprudenz: Ist sie gerecht? Die
Theologie: Ist sie dem Willen Gottes gemäss? Die Anthropologie:
Ist sie menschlich? Die Kulturgeschichte endlich fragt zusammen-
fassend für jede Periode: Ist die Todesstrafe zeitgemäss? Unbe-
dingt beipflichten muss man dem Verf., wenn er sich dahin aus-
spricht, dass bei der Beantwortung dieser an sich verschiedenen
Fragen nur der den betreffenden Disciplinen eigenthümlicbe Mass-
stab angelegt werden darf, damit die Beurtheilung nicht eine schiefe
werde, und getrennte Standpunkte nicht durch einander laufen.
Handelt es sich also z. B. um die Zweckmässigkeit der Todesstrafe,
LXII. Jahrg. 10. Heft. 50
HEIDELBERGER
1869.
II. Hetzel, die Todesstrafe in ihrer kulturgeschichtlichen Entwick¬
lung. Eine Studie. Berlin, 1870. Verlag von W. Möser. —
84 Bogen, 544 Seiten.
Dieses Buch ist allen denjenigen bestens zu empfehlen, welche
sich über den gegenwärtigen Stand der Streitfrage über die Bei-
behaltung der Todesstrafe in der Gesetzgebung des Strafrechts zu
belehren Veranlassung oder sonst ein Interesse haben. Sehr richtig
bemerkt der Verf. in der Einleitung: »Ungezählte Abhandlungen
sind seit einem Jahrhundert über die Zulässigkeit der Todesstrafe
geschrieben worden. . . Neue Waffen (für und gegen dieselbe) wird
man in dem Zeugbause der Staats- und Rechtswissenschaft schwer-
lich noch entdecken, auch die Rüstkammern der Gottesgelahrtheit
und Weltweisheit sind wohl so ziemlich ausgeleert worden;
dagegen liefert die riesig fortschreitende Menschenkunde immer
neues Kriegsmaterial, und die Kulturgeschichte hat sich bis jetzt
nur ganz vereinzelt und gelegentlich an dem Kampfe betheiligt.
Und doch gebührt ihr das letzte entscheidende Wort, denn sie erst
erkennt alle jene einzelnen geistigeu Bestrebungen einer jeden Zeit
in ihrem Zusammenhänge und in ihrer Einheit.«
Bisher batte nur der belgische Professor Haus (»La peine
de mort, son passe, son präsent, son avenir, Gand 1867«) einen
etwas ausführlicheren geschichtlichen Abriss gegeben. In dem vor-
liegenden Werke gibt der Verf. eine sehr anerkennenswerthe Dog-
mengeschichte, an welcher wir besonders die präcise und talent-
volle excerptivische Darstellung der Ansichten, welche seit mehr
als einem Jahrhundert in der Literatur und Gesetzgebung hervor-
getreten sind, rühmend hervorheben müssen. Sehr treffend bemerkt
der Verf., dass die Frage über die Todesstrafe von der Wissen-
schaft in der neueren Zeit auf den Gebieten verschiedener Fach-
wissenschaften behandelt worden ist. Die Politik fragt: Ist die
Todesstrafe zweckmässig? Die Jurisprudenz: Ist sie gerecht? Die
Theologie: Ist sie dem Willen Gottes gemäss? Die Anthropologie:
Ist sie menschlich? Die Kulturgeschichte endlich fragt zusammen-
fassend für jede Periode: Ist die Todesstrafe zeitgemäss? Unbe-
dingt beipflichten muss man dem Verf., wenn er sich dahin aus-
spricht, dass bei der Beantwortung dieser an sich verschiedenen
Fragen nur der den betreffenden Disciplinen eigenthümlicbe Mass-
stab angelegt werden darf, damit die Beurtheilung nicht eine schiefe
werde, und getrennte Standpunkte nicht durch einander laufen.
Handelt es sich also z. B. um die Zweckmässigkeit der Todesstrafe,
LXII. Jahrg. 10. Heft. 50