Zur zweihundertjährigen Geburtstagsfeier Georg Friedrich Händels. 77
indem ſie wußte, daß Gott in dieſen trübſeligen Zeiten ſie erhalten
und auch vom Tode erretten könne, wie ſie denn zum Preiſe
Goͤttes, daß ſie ſeines allmächtigen Schutzes damals an ihr er—
fahren habe, öfters zu erzählen pflegte.“
Vielleicht war es gerade dieſe Unerſchrockenheit des thatkräftigen
und mutigen Mädchens, welche in Händel den Entſchluß zur Reife
brachte, Borothea Tauſt zu ſeiner zweiten Gattin zu machen und
ſie feinem einer Hüterin entbehrenden umfangreichen Hausweſen
vorzuſetzen. Daß die Rückſichten auf ſeine häuslichen Verbältniſſe
zu dieſem auch nach den damaligen Anſchauungen etwas auffälligen
Schritte mitgewirkt haben, welchen der einundſechzigjährige Mann
im ſiebenten Monatè nach dem Tode der erſten Gaͤttin, mit der
er eine vierzigjährige glückliche Ehe geführt hatte, that, erfahren
wir aus detkurzen Lebensbeſchreibung des Archidiakonus Jahn.
Wir leſen in derſelben, daß „der Zuſtand ſeines Hausweſens“
Händel nicht wohl geſtattet habe, die übrige Zeit ſeines Lebens
in der Einſamkeit zuzubringen.
Dorothea Tauſt hatte es bei den angenehmen Gaben des
Leibes und Gemüts, die ihr eigen waren, auch früher nicht an
Verehrern gefehlt; allein ſie hatte bisher alle Heiratsanträge zurück⸗
gewieſen, weil ſie, wie uns ihr Leichenredner verſichert, die Eltern
in ihrem hohen Alter nicht verlaſſen wollte. Vielleicht hatte ſie
aber auch ein allzuſtarkes Selbſtbewußtſein bisher von dem Ein—
gehen einer Ehe zurückgehalten. Denn ſie beſaß einen muntern,
aufgeweckten Sinn und erfreute ſich neben andern Gaben des
Geiſtes auch eines guten Gedächtniſſes, ſo daß der Vater ihrem
Unterrichte große Sorgfalt widmete. Die ganze Zeit ihres Lebens
war ſie einé voͤrtreffliche Kennerin der Bibel und konnte „aus
diefem in ihrer Jugend eingeſammleten Schatz der beſten Kern—
ſprüche einen Vorrat über den andern zu ihrer eigenen und anderer
Erbauung herausnehmen“. Zwei Söhne eines Bryders ſchilderten
ſie nach ihrem Tode in folgenden empfindungsvollen Zeilen:
Der edle Geiſt ließ nie das Steper aus den Händen
Und ſuchte ſtets den Kurs dem Pole nachzuwenden.
Des Leibes Fahrzeug ging durch Sturm und Wellen hin
Nach Wunſch des Sleuermanns bei muntren Jugendjahren.
Die Klugheit lenkete als ein Kompaß den Sinn,
Durch Sttudel, Syrt und Fels behutſam hinzufahren.
Ihr Herz war immerdar mit kluger Wachſamkeit
Sm Glück und Wohlergehn auf ſchlimme Fahrt bereit.
Sie ließ ſich keinen Stürm bei trüben Kreuzestagen
Von ihrem muntren Lauf zur Himmelspfort verſchlagen.
Die Brüder ſchloſſen ihren Nachruf mit den Worten:
Das edle Tugendbild der treuen Händelin
Soll unbeweglich ſtehn in unſerm Herz und Sinn,
Und aller Tauſte Bruſt ſoll dieſe Aufſchrift haben:
Hier liegt das treue Herz der Händelin begraben.
indem ſie wußte, daß Gott in dieſen trübſeligen Zeiten ſie erhalten
und auch vom Tode erretten könne, wie ſie denn zum Preiſe
Goͤttes, daß ſie ſeines allmächtigen Schutzes damals an ihr er—
fahren habe, öfters zu erzählen pflegte.“
Vielleicht war es gerade dieſe Unerſchrockenheit des thatkräftigen
und mutigen Mädchens, welche in Händel den Entſchluß zur Reife
brachte, Borothea Tauſt zu ſeiner zweiten Gattin zu machen und
ſie feinem einer Hüterin entbehrenden umfangreichen Hausweſen
vorzuſetzen. Daß die Rückſichten auf ſeine häuslichen Verbältniſſe
zu dieſem auch nach den damaligen Anſchauungen etwas auffälligen
Schritte mitgewirkt haben, welchen der einundſechzigjährige Mann
im ſiebenten Monatè nach dem Tode der erſten Gaͤttin, mit der
er eine vierzigjährige glückliche Ehe geführt hatte, that, erfahren
wir aus detkurzen Lebensbeſchreibung des Archidiakonus Jahn.
Wir leſen in derſelben, daß „der Zuſtand ſeines Hausweſens“
Händel nicht wohl geſtattet habe, die übrige Zeit ſeines Lebens
in der Einſamkeit zuzubringen.
Dorothea Tauſt hatte es bei den angenehmen Gaben des
Leibes und Gemüts, die ihr eigen waren, auch früher nicht an
Verehrern gefehlt; allein ſie hatte bisher alle Heiratsanträge zurück⸗
gewieſen, weil ſie, wie uns ihr Leichenredner verſichert, die Eltern
in ihrem hohen Alter nicht verlaſſen wollte. Vielleicht hatte ſie
aber auch ein allzuſtarkes Selbſtbewußtſein bisher von dem Ein—
gehen einer Ehe zurückgehalten. Denn ſie beſaß einen muntern,
aufgeweckten Sinn und erfreute ſich neben andern Gaben des
Geiſtes auch eines guten Gedächtniſſes, ſo daß der Vater ihrem
Unterrichte große Sorgfalt widmete. Die ganze Zeit ihres Lebens
war ſie einé voͤrtreffliche Kennerin der Bibel und konnte „aus
diefem in ihrer Jugend eingeſammleten Schatz der beſten Kern—
ſprüche einen Vorrat über den andern zu ihrer eigenen und anderer
Erbauung herausnehmen“. Zwei Söhne eines Bryders ſchilderten
ſie nach ihrem Tode in folgenden empfindungsvollen Zeilen:
Der edle Geiſt ließ nie das Steper aus den Händen
Und ſuchte ſtets den Kurs dem Pole nachzuwenden.
Des Leibes Fahrzeug ging durch Sturm und Wellen hin
Nach Wunſch des Sleuermanns bei muntren Jugendjahren.
Die Klugheit lenkete als ein Kompaß den Sinn,
Durch Sttudel, Syrt und Fels behutſam hinzufahren.
Ihr Herz war immerdar mit kluger Wachſamkeit
Sm Glück und Wohlergehn auf ſchlimme Fahrt bereit.
Sie ließ ſich keinen Stürm bei trüben Kreuzestagen
Von ihrem muntren Lauf zur Himmelspfort verſchlagen.
Die Brüder ſchloſſen ihren Nachruf mit den Worten:
Das edle Tugendbild der treuen Händelin
Soll unbeweglich ſtehn in unſerm Herz und Sinn,
Und aller Tauſte Bruſt ſoll dieſe Aufſchrift haben:
Hier liegt das treue Herz der Händelin begraben.