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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

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Jeep, Ludwig: Der Kaiser Diokletian und seine Stellung in der Geschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0131
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Der Kaiſer Diokletian und ſeine Stellung in der Geſchichte. 119

Die Teilung des Reiches in zwei, reſp. vier Höfe — denn
auch die Cäſaren hatten natürlich ihren Hofſtaat — wirkte gleich—
falls ſehr bald verderblich. Jeder wollte es, ſagt ein Schriftſteller
der damaligen Zeit, dem anderen zuvorthun, jeder wollte nament—
lich die meiſten Soldaten haben, die Laſten wurden dadurch un—
erſchwinglich. Mag auch hier das fanatiſche Urteil des Chriſten,
der dieſes berichtet, mitgewirkt haben, ſo iſt doch Thatſache, daß
die Not des Volkes damals eine enorme war; es liegt eigentlich
auch die Richtigkeit jenes Urteils in der Natur der Sachlage be—
gründet. Auch hier führte der an ſich ſo vernünftige Plan des
Diokletianus, die Verwaltung des Reiches überſichtlicher zu machen
und dadurch heilſam zu wirken, gerade zum Gegenteil.

Es war ferner in dieſem Syſtem, welches auf Kooption der
Regenten beruhte, der Keim zu einem Kampfe gegen das Erbrecht
gelegt, der bald, noch zu Lebzeiten des Diokletianus, zu den ſchlimmſten
Verwickelungen führte, die natürlich mit dem vollſtändigſten Siege
des letzteren endigten, ſelbſt wenn es durch einen illegitimen Sproß,
wie Konſtantinus d. Gr. einer war, vertreten wurde. Diokletianus
hatte auch hier nicht bedacht, daß nicht jeder in Selbſtüberwindung
ein Diokletianus ſei.

Der fromme und gerade Sinn dieſes Kaiſers ſtrebte auch nach
Heilighaltung der Religion. Die Götter waren ihm gnädig ge—
weſen, als er in Gefahr und Sorge zu ihnen gerufen hatte. Es
waren die Götter ſeiner Väter, denen er diente, wie die chriſt—
lichen Autoren ſagen, in blindem verdammungswertem Eifer, wie
wir jetzt aber vom erleuchteteren Standpunkte ſagen, in frommer
Ergebung und edler Dankbarkeit. Sein einfältig dankbares Gemüt
hatte nicht das Bedürfnis nach neuen Formen für ſeine Verehrung.
Nichtsdeſtoweniger duldete er gern, wie ich ſchon ſagte, die Chriſten
um ſich. Wer, ruft ein chriſtlicher Schriftſteller aus, kann die
Zahl der Kirchen in den einzelnen Städten zählen, wer den groß—
artigen Zuſammenfluß des Volkes in den heiligen Räumen be—
ſchreiben? Ueberall baut man neue und größere Gotteshäuſer.
Und doch kein Neid, keine Mißgunſt. Die nächſte Umgebung des
Diokletianus, bezeugt derſelbe Autor anerkennend, beſtand lange
Zeit aus Chriſten.

Nicht minder abex entwirft dieſer Schriftſteller ein trauriges
Bild von den innexen Verhältniſſen der chriſtlichen Kirche. Schon
war Neid und Nißgunſt in die Gemeinden eingekehrt. Aus viel—
leicht allzu großer Freiheit entwickelte ſich auf Seité der Chriſten Nach—
läſſigkeit und Trägheit. Man verwundete ſich bereits mit Worten
wie mit Waffen. Prieſter ſtand gegen Prieſter und Gemeinde gegen
Gemeinde. Solche Verhältniſſe, die wir nach chriſtlicher Quelle mit—
teilen, ſtimmten die Achtung, den Chriſten gegenübér, herab. Die
Sache wurde ernſter, als die Maſfe der Ramenchriſten zur Ver—
 
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