Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

DOI Artikel:
Muther, Richard: Die Anfänge des deutschen Holzschnittes
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0388
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
376 Die Anfänge des deutſchen Holzſchnittes.

Kalender, die als figürlichen Schmuck wie die Wandkalender ge⸗
wöhnlich die Darſtellung der verſchiedenen Beſchäftigungen enthalten,
wie ſie jedem einzelnen Monat eigentümlich ſind — wie der Bauer
den erſten Januar durch ein feſtliches Mahl feiert, im Februar
ſich am Feuer wärmt, im— März den Boden hackt, im April das
Getreide ſät, im Mai mit ſeiuͤer Liebſten unter den blühenden
Linden ſpazieren geht u. ſ. f. Ein anderes profanes Werkchen
iſt ein Totentanz, welcher in der im Mittelalter beliebten Weiſe
den Tod vorführt, wie er unter allerlei Geſtalten mit den Menſchen
aus allen Ständen und Lebensaltern tanzt und ſie zum Grabe
geleitet. Ein drittes behandelt die Fabel vom kranken Löwen, eine
dem Kreiſe des Reineke Fuchs entnonimen? Erzählung; ein viertes
die „acht Schalkheiten“, den Unterhändler, Lügner, Betrüger,
falſchen Goldſchmied, betrügeriſchen Kaufmann und Kirchendileb!
Auch kleine Reiſebücher, wie das zum Gebrauche der deutſchen nach
Rom wallfahrenden Pilger verfaßle „geiſtliche und weltliche Rom“
erſchienen ſchon; es erzählt uns von Rhea Silvia und den von
der Wölfin geſäugten Zwillingen Romulus Und Remus, von Marcus
Curtius und anderen Helden des alten Roms, darauf von der
Gründung der chriſtlichen Kirche, von denl Ablaß, den man durch
das Gebet hei den ſieben Hauptkirchen Roms erhalten kann, u. a.
Das letzte Werk iſt die „Kunſt Chiromantie“, eine Anweiſung, aus
den Linien der Hand zu wahrſagen, welche Dr. Johann Hartlieb,
Leibarzt Herzog Albrechts des Fronimen von Bayern, verfaßte.
Man ſieht, der Stoffkreis der Blockbücher waͤr durchaus nicht
ſo beſchränkt, wie man bei dieſen primitiden Werken erwarten ſollte.
Freilich feiert in ihnen oft die Thorheit und der Aberglaube
Triumphe, und man kann heutzutage kaum ohne Lächeln die ein—
zelnen Werke zur Hand nehmen. So iſt der in der Chiromantie
aufgeſtellte Grundſatz, daß die von der Gottheit urſprünglich in
die Hand jedes Menſchen gezeichneten Züge und Linien deſſen
ZTugenden, Neigungen und Leidenfhaften ausdrücen und die An-
deutung ſeiner künftigen Schickſale enthalten, ja an ſich ein ſchöner
Hedanke. Aber wie fonderbar wirkt es, wenn wir hören, daß man
Kindern unter — 6 Jahren nicht auf die Hand ſehen dürfe, ohne
dem Kinde zu ſchaden, daß die Kunſt bei Männern nur im Früh⸗
ling und Sommer, Sonntags oder Donnerſtags und nur aus der
rechten Hand, bei Frauen nur im Herbſt und Winter, am Freitag
und nux aus dex linken Hand mit Erfolg geuͤbt werden fönne.
Oder wie komiſch iſt es, wmenn der Verfafjer des Defensorium ſeinen
ganzen Scharfſinn aufwendet, um das Dogma der unbefleckten
Empfängnis zu beweiſen, und dabei die fabelhafteſten Wunder—
geſchichten auftiſcht, wenn er auf Kirke, welche die Gefährten des
Odyſſeus in Schweine verwandelte, auf Tullia, die in einem Siebe
das Waſſer trug, auf Danae, die durch den Goldregen befruchtet
 
Annotationen