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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Bauer, Adolf: Die Anfänge der Kriegswissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0015
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Die Anfänge der Kriegswiſſenſchaft. 5

weſen und beſtrebt, die Erfahrungen, die ſie geſammelt hatten, zum
Nutzen der Theorie, mit der ſich ihre Schriften befaſſen, zu ver—
werten. Sowohl Xenophon als Aeneas haben die Kriegführung
durch neue Vorſchläge gefördert, beider Arbeiten beruhen auf Studien
über die Kriegsgeſchichte der Vergangenheit, beide verwerten die
militäriſchen Errungenſchaften ihrer Zeit, ſowohl die, welche man
bei dem Rückzug der Zehntauſend gemacht hatte, als auch die
gleichzeitigen Reformen des Iphikrates für die Verwendung und
Ausrüſtung des leichten Fußvolkes. Xenophon iſt nicht ohne per—
ſönliche Voreingenommenheit gegen den letzteren, wie er auch der
veränderten Schlachtentaktik des Epaminondas ziemlich kühl gegen—
überſteht; er iſt, wie in anderen Dingen, ſo auch hierin befangen
und eingenommen für andere Reformen, als deren Urheber er ſich
ſelbſt mit Recht betrachten durfte.

In den bisher gültigen ſtrategiſchen Anſchauungen der Griechen
hat ſich zu der Zeit, da die beiden älteſten kriegswiſſenſchaftlichen
Schriften entſtanden, ein Umſchwung vollzogen. Nur wenig ſpäter,
zum Teile in derſelben Zeit wurde der Umfang der Disziplin durch
Sokrates endgültig feſtgeſetzt. Wir haben daher zunächſt den kriegs—
geſchichtlichen Hintergrund kennen zu lernen, auf dem dieſe beiden
Werke erſcheinen, und dann dieſe ſelbſt zu betrachten.

Die ältere griechiſche Schlachtentaktik kennt nur den Frontal—
angriff. In geſchloſſener Reihe und mit mäßiger Tiefe der Glieder,
durchſchnittlich acht Mann Schwerbewaffnete, rücken beide Gegner
vor. Jeder ſucht den rechten Flügel, die ungedeckte Speerſeite, der
eigenen Aufſtellung einem Flankenangriff des Gegners zu entziehen.
Arges Drängen nach rechts, zu dem der Flügelmann den Anlaß
gibt, herrſcht daher auf dieſer Seite der Schlachtordnung. Der
linke Flügel iſt zur Umgehung beſtimmt, man ſucht ſchon bei der
Aufſtellung zur Schlacht ihn den gegneriſchen rechten überragen
zu laſſen. So entſcheidet ſich der Ausgang des Kampfes auf den
Flügeln, und derjenige bleibt zumeiſt Sieger, deſſen rechter Flügel
den Platz behauptet; er kann dann ſogar dem ſiegreichen rechten
Flügel und Zentrum des Gegners, wenn ſie von der Verfolgung
zurückkehren, mit Ausſicht auf Erfolg entgegentreten. Von einer
wirklich militäriſchen Ausnützung des Sieges iſt vor Alexander in
der griechiſchen Kriegsgeſchichte nie die Redé; der Sieger errichtet
ein Siegeszeichen, der Beſiegte ſucht um die Herausgabe der Toten
nach. Die Ausbildung und Verwendung von leichtem Fußvolk, das,
von Schleuderern und Bogenſchützen unterſtützt, den Angriff mit
Fernwaffen eröffnet, nötigte auf griechiſchem Boden zuerſt zu der
Einſicht, daß die Hoplitenphalanx ein überwundener Standpunkt
 
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