Neuere Darſtellungen der römiſchen Geſchichte. 185
von Dynaſtien, wenn wir ſo ſagen dürfen, eine Maſſe von hiſto—
riſchem Material fortſchwemmte, nahmen ſich die Beſten der Nation
der noch vorhandenen Denkmäler der nationalen Vergangenheit
um ſo eifriger an. Jakob Grimm ſammelte die Reſte des alten
Volksglaubens, des Volksrechts und der Sprache, Eichhorn arbeitete
an ſeiner deutſchen Staats- und Rechtsgeſchichte, und zugleich ent—
ſtand in eben dem Manne, der für die politiſche Befreiung Deutſch—
lands das Größte und Beſte leiſtete, in dem Freiherrn vom Stein,
der wiſſenſchaftliche Plan einer Sammlung alles hiſtoriſchen Ma—
terials für die deutſche Geſchichte, welcher dann in der Begründung
der Monumenta Germaniae historica zur Ausführung gelangte.
Dieſe wiſſenſchaftlichen Kräfte für die Wiedergeburt des Vater—
landes nutzbar zu machen, wurde im Jahre 1810 von Friedrich
Wilhelm III. die Univerſität Berlin begründet, und hier war es,
wo im Winterſemeſter von 1810 auf 1811 Niebuhr ſeine epoche—
machenden Vorleſungen über römiſche Geſchichte hielt.
Denn es war doch nur natürlich, daß der gewaltige Impuls,
der den hiſtoriſchen Studien durch die Reaktion gegen Napoleons
Univerſalmonarchie gegeben wurde, nicht nur der deutſchen Ge—
ſchichte, ſondern der hiſtoriſchen Wiſſenſchaft überhaupt zu gute kam.
Allgemeine geiſtige Erneuerung war es, deren das Vaterland be—
durfte; jede wahrhaft große wiſſenſchaftliche That, welche die Uni—
verſität zu verzeichnen hatte, kam doch wieder dem nationalen
Leben überhaupt zu gute. Beides iſt untrennbar miteinander ver—
bunden. Der römiſche Hiſtoriker Niebuhr war zugleich einer der
Mitbegründer der Monumenta Germaniae historica. „Die un—
glückliche Zeit der Demütigung Preußens“, ſo hat er ſich einmal
geäußert, „hat Anteil an der Produktion meiner Geſchichte. Wir
konnten wenig mehr thun, als ſehnlichſt auf beſſere Zeiten hoffen
und auf dieſe vorbereiten. Was war mittlerweile zu thun? Ich
ging zurück zu einer großen, aber längſt dahin geſchwundenen
Nation, um meinen Geiſt und den meiner Zuhörer zu ſtärken.
Es ging uns wie Tacitus.“
Suchen wir uns nun die eminente Bedeutung, welche Niebuhrs
Arbeiten nicht nur für die Geſchichte der römiſchen Republik,
ſondern für die moderne Geſchichtſchreibung überhaupt gehabt haben,
zu vergegenwärtigen, ſo beruht ſie vor allem auf zwei Momenten:
einmal auf der Begründung einer neuen Methode der Quellen—
kritik, dann aber auf der Art, wie er, über die negative Seite der
Kritik hinausgehend, auch aus dieſer von ihm als verworren
nachgewieſenen Ueberlieferung ſich das Geſchehene ſelbſt, deſſen
Niederſchlag jene Ueberlieferung éiſt, zu vergegenwärtigen ſucht.
von Dynaſtien, wenn wir ſo ſagen dürfen, eine Maſſe von hiſto—
riſchem Material fortſchwemmte, nahmen ſich die Beſten der Nation
der noch vorhandenen Denkmäler der nationalen Vergangenheit
um ſo eifriger an. Jakob Grimm ſammelte die Reſte des alten
Volksglaubens, des Volksrechts und der Sprache, Eichhorn arbeitete
an ſeiner deutſchen Staats- und Rechtsgeſchichte, und zugleich ent—
ſtand in eben dem Manne, der für die politiſche Befreiung Deutſch—
lands das Größte und Beſte leiſtete, in dem Freiherrn vom Stein,
der wiſſenſchaftliche Plan einer Sammlung alles hiſtoriſchen Ma—
terials für die deutſche Geſchichte, welcher dann in der Begründung
der Monumenta Germaniae historica zur Ausführung gelangte.
Dieſe wiſſenſchaftlichen Kräfte für die Wiedergeburt des Vater—
landes nutzbar zu machen, wurde im Jahre 1810 von Friedrich
Wilhelm III. die Univerſität Berlin begründet, und hier war es,
wo im Winterſemeſter von 1810 auf 1811 Niebuhr ſeine epoche—
machenden Vorleſungen über römiſche Geſchichte hielt.
Denn es war doch nur natürlich, daß der gewaltige Impuls,
der den hiſtoriſchen Studien durch die Reaktion gegen Napoleons
Univerſalmonarchie gegeben wurde, nicht nur der deutſchen Ge—
ſchichte, ſondern der hiſtoriſchen Wiſſenſchaft überhaupt zu gute kam.
Allgemeine geiſtige Erneuerung war es, deren das Vaterland be—
durfte; jede wahrhaft große wiſſenſchaftliche That, welche die Uni—
verſität zu verzeichnen hatte, kam doch wieder dem nationalen
Leben überhaupt zu gute. Beides iſt untrennbar miteinander ver—
bunden. Der römiſche Hiſtoriker Niebuhr war zugleich einer der
Mitbegründer der Monumenta Germaniae historica. „Die un—
glückliche Zeit der Demütigung Preußens“, ſo hat er ſich einmal
geäußert, „hat Anteil an der Produktion meiner Geſchichte. Wir
konnten wenig mehr thun, als ſehnlichſt auf beſſere Zeiten hoffen
und auf dieſe vorbereiten. Was war mittlerweile zu thun? Ich
ging zurück zu einer großen, aber längſt dahin geſchwundenen
Nation, um meinen Geiſt und den meiner Zuhörer zu ſtärken.
Es ging uns wie Tacitus.“
Suchen wir uns nun die eminente Bedeutung, welche Niebuhrs
Arbeiten nicht nur für die Geſchichte der römiſchen Republik,
ſondern für die moderne Geſchichtſchreibung überhaupt gehabt haben,
zu vergegenwärtigen, ſo beruht ſie vor allem auf zwei Momenten:
einmal auf der Begründung einer neuen Methode der Quellen—
kritik, dann aber auf der Art, wie er, über die negative Seite der
Kritik hinausgehend, auch aus dieſer von ihm als verworren
nachgewieſenen Ueberlieferung ſich das Geſchehene ſelbſt, deſſen
Niederſchlag jene Ueberlieferung éiſt, zu vergegenwärtigen ſucht.