König Ludwig II. von Bayern und die deutſche Kunſt. 725
und immer wieder muß man hinſchauen auf die reizende Inſel
mit ihrem üppigen Baumwuchs, auf die weite glatte Fläche des
blauen Sees, auf die zackige Kampenwand mit dem gewaltigen
Wendelſtein, und wenn dann der Blick zum Schloſſe zurückkehrt,
kann man ſich eines Fröſtelns vor dieſer Unnatur nicht erwehren.
„Ludwig XIV.“, ſagt Saint Simon in ſeinen Memoiren, „tyranniſierte
die Natur“, indem er aus einer ſonnenverbrannten, unfruchtbaren
Gegend das Verſailler Schloß mit ſeinen gewaltigen Waſſerwerken
hervorzauberte. Aber wahrlich, der Erbauer von Herrenchiemſee
tyranniſierte ſie nicht minder, als er den dortigen Moorboden mit
unglaublichen Koſten erſt künſtlich fähig machte, einen ſolchen Ko—
loſſalbau zu tragen und dann, um dem Schloſſe Raum zu machen,
den herrlichen Hochwald lichten ließ. Anſtatt zu bewundern, wie
in einer öden Gegend wohlgepflegte Parkanlagen entſtehen konnten,
bedauert man hier, daß die Natur ſo zerſtört iſt, und erkennt auf
der anderen Seite, daß eigentlich immer noch zuviel Natur um dieſe
ſteife Verſailler Nachahmung übrig blieb.
Gleichzeitig zeigt ſchon die Betrachtung der Gartenanlagen,
daß es nicht leicht iſt, in wenigen Jahren einen Bau von der
Ausdehuung des Verſailler Schloſſes zu wiederholen, das bekanntlich
eine Milliarde und das Leben von 15000 Menſchen koſtete. Die
Großartigkeit der dortigen Umgebungen, namentlich der Waſſer—
werke iſt bei weitem nicht erreicht, ſo ſehr auch die Aehnlichkeit
mit den berühmten Anlagen Le Nötres angeſtrebt wurde. Ganz
ähnlich, wie man auf dem Parterre du Midi die Fontaine de
Diane und die Fontaine du Point du Jour ſieht, finden— ſich auch
hier auf dem großen Plateau zwei Bafſins von je 500 Qudrat—
meter Flächeninhalt, in deren Mitte ſich zwei von plaſtiſchen Fi⸗
guren gekrönte Felſen — die Famagruppe von R. Maiſon und
die Fortunagruppe von Rümann — erheben. Ringsum laufen
wie in Verſailles allegoriſche Figuren, die Vertreter der mytho—
logiſchen Waſſerwelt, Tiergruppen und zahlreiche auf Poſtamenten
ſtehende Marmorſtatuen, die nach den in Kupferſtichen veröffent—
lichten Verſailler Statuen von Hautmann angefertigt wurden.
Und wiederum wie in Verſailles führen breite Marmorſtufen zu
einem dritten großen Waſſerbecken herab, welche Marſys berühmte
Latonagruppe, ebenfalls in einer Kopie von Hautmann, enthält.
Aber während in Verſailles dieſe Statuen, Hermen und Vaſen
durch die Zeit geſchwärzt ſind und ſchon dadurch einen gewiſſen
ehrwürdigen Eindruck machen, prangen ſie hier in neuer flim⸗
mernder Vergoldung und laſſen in dieſer Neuheit die hohle Ma—
nieriertheit ihres Stiles um ſo mehr erkennen.
und immer wieder muß man hinſchauen auf die reizende Inſel
mit ihrem üppigen Baumwuchs, auf die weite glatte Fläche des
blauen Sees, auf die zackige Kampenwand mit dem gewaltigen
Wendelſtein, und wenn dann der Blick zum Schloſſe zurückkehrt,
kann man ſich eines Fröſtelns vor dieſer Unnatur nicht erwehren.
„Ludwig XIV.“, ſagt Saint Simon in ſeinen Memoiren, „tyranniſierte
die Natur“, indem er aus einer ſonnenverbrannten, unfruchtbaren
Gegend das Verſailler Schloß mit ſeinen gewaltigen Waſſerwerken
hervorzauberte. Aber wahrlich, der Erbauer von Herrenchiemſee
tyranniſierte ſie nicht minder, als er den dortigen Moorboden mit
unglaublichen Koſten erſt künſtlich fähig machte, einen ſolchen Ko—
loſſalbau zu tragen und dann, um dem Schloſſe Raum zu machen,
den herrlichen Hochwald lichten ließ. Anſtatt zu bewundern, wie
in einer öden Gegend wohlgepflegte Parkanlagen entſtehen konnten,
bedauert man hier, daß die Natur ſo zerſtört iſt, und erkennt auf
der anderen Seite, daß eigentlich immer noch zuviel Natur um dieſe
ſteife Verſailler Nachahmung übrig blieb.
Gleichzeitig zeigt ſchon die Betrachtung der Gartenanlagen,
daß es nicht leicht iſt, in wenigen Jahren einen Bau von der
Ausdehuung des Verſailler Schloſſes zu wiederholen, das bekanntlich
eine Milliarde und das Leben von 15000 Menſchen koſtete. Die
Großartigkeit der dortigen Umgebungen, namentlich der Waſſer—
werke iſt bei weitem nicht erreicht, ſo ſehr auch die Aehnlichkeit
mit den berühmten Anlagen Le Nötres angeſtrebt wurde. Ganz
ähnlich, wie man auf dem Parterre du Midi die Fontaine de
Diane und die Fontaine du Point du Jour ſieht, finden— ſich auch
hier auf dem großen Plateau zwei Bafſins von je 500 Qudrat—
meter Flächeninhalt, in deren Mitte ſich zwei von plaſtiſchen Fi⸗
guren gekrönte Felſen — die Famagruppe von R. Maiſon und
die Fortunagruppe von Rümann — erheben. Ringsum laufen
wie in Verſailles allegoriſche Figuren, die Vertreter der mytho—
logiſchen Waſſerwelt, Tiergruppen und zahlreiche auf Poſtamenten
ſtehende Marmorſtatuen, die nach den in Kupferſtichen veröffent—
lichten Verſailler Statuen von Hautmann angefertigt wurden.
Und wiederum wie in Verſailles führen breite Marmorſtufen zu
einem dritten großen Waſſerbecken herab, welche Marſys berühmte
Latonagruppe, ebenfalls in einer Kopie von Hautmann, enthält.
Aber während in Verſailles dieſe Statuen, Hermen und Vaſen
durch die Zeit geſchwärzt ſind und ſchon dadurch einen gewiſſen
ehrwürdigen Eindruck machen, prangen ſie hier in neuer flim⸗
mernder Vergoldung und laſſen in dieſer Neuheit die hohle Ma—
nieriertheit ihres Stiles um ſo mehr erkennen.