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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Rhazen, E.: Die Reformversuche der Regierung Ludwigs XVI., 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0749
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Die Reformverſuche der Regierung Ludwigs XVI. 739

zunächſt von demjenigen Monſieurs ausgehende Kritik ſeines
Haushaltsetats. In der Eröffnungsrede hatte er behauptet, daß
der Ausfall in den Finanzen ſchon zu Neckers Zeiten exiſtierte.
Abſolut richtig, aber falſch, wenn er damit behaupten wollte, daß
er die Situation nicht verſchlimmert, rief ſie den Widerſtand des
eiteln Genfer Wechslers wach, der in einer gegen den Willen des
Königs veröffentlichten Broſchüre, geſchickt mit Ordinarium und
Extraordinarium operierend, das opferfordernde Calonneſche Syſtem
und dieſen ſelbſt in Mißkredit brachte, was bei dem Fehlen jeder
Staatswiſſenſchaft nicht ſchwer wurde. Des weiteren beging
Calonne den Fehler, den ihn heftig angreifenden Notabeln den
König entgegenzuwerfen, indem er in deſſen Namen dafür dankte,
daß ſie nicht die Reform, ſondern nur die Formen derſelben ver—
wärfen. Das erklärte ſie für unmündig und den König falſchen.
Spieles fähig. Heftige, hauptſächlich vom Klerus unter Briennes
Leitung geführte Kritik, die Behauptung des Vorlegens des falſchen
Staatshaushaltes, die Forderung des Nachweiſes der Entſtehung
des Mankos ſpitzten den Streit ſo zu, daß der Erzbiſchof Dillon
von Narbonne und der Generalprokurator Caſtillon das unbegrenzte
Beſteuerungsrecht des Königs leugneten und dieſe Befugnis als
allein den Reichsſtänden zuſtehend erklärten (Raumer). In dem
Büreau Artois forderte Lafayette Abſchaffung der lettres de cachet
und des Lottos und erklärte auf das beſtimmteſte, daß die Nota—
beln nur proviſoriſch bis zur Einberufung der Reichsſtände eine
Steuer vertreten könnten. Fiel auch der Antrag durch, ſo war
doch die Erbitterung gegen Calonne ſo groß, daß die Privilegierten
nun rundweg auch die ſie in keiner Weiſe beeinträchtigenden
Projekte, die Nationalinduſtrie dagegen fördernden und den dritten
Stand dabei entlaſtenden Vorſchläge: „Verſchiebung der Zollſtätten
an die Grenzmarken, Reduktion und Gleichſtellung der Salzpreiſe
für alle Provinzen“, verwarfen. Bei der Frage der Verteilung
der Gemeindeländereien, der Veräußerung einiger Krondomänen,
der Ueberweiſung der übrigen in Erbpacht erklärten die Notabeln —
ein charakteriſtiſches Merkmal für das Gefühl der Zuſammen—
gehörigkeit der Privilegierten im Widerſtand gegen die Krone —,
daß weder ſie noch die Parlamente ihre Zuſtimmung geben könnten.
Calonne ſtand, wo er zu Anfang geweſen, ſeine Reformen waren
gebrochen durch das Entgegenarbeiten der Privilegierten; durch
ihren Eigennutz, ihre Kurzſichtigkeit, ihren Willen, Nutzen zu ziehen
aus der bedrückten Lage des Königtums, nur Reformen zu bewil—
ligen, wenn damit reaktionär, die Krone ihnen die altſtändiſchen
Rechte in erhöhter Machtfülle zurückgab. Finanziell war nichts
 
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