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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Erdmannsdörffer, Bernhard: Bittorio Alfieri
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0145
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Vittorio Alfieri. 135

weſen und was er ihm ſein wollte: der Prophet eines neuen
Italien —
Gli odo già dirmi: o Vate nostro, in pravi
Secoli nato, eppur ereate hai queste
Sublimi età, che profetando andavi!!

Wir dürfen ſchnell hinwegblicken über die letzten Lebensjahre
des Dichters, die er ſeit ſeiner Flucht aus Paris an der Seite
der Gräfin von Albany meiſt in Florenz verlebte. Alfieri hat
ſich niemals den trügeriſchen Hoffnungen hingegeben, die mancher
wohlgeſinnte Patriot damals auf die italieniſchen Sympathien
Bonapartes ſetzte. Der Verfaſſer des Miſogallo hat für ſeine
Perſon mit den Franzoſen keinen Frieden geſchloſſen. In der
Zeit, wo franzöſiſche Truppen Florenz beſetzten, verließ er die
Stadt und verbarg ſich auf einem einſamen Landgut; dem General
Miollis, der den Wunſch ausſprach, den berühmten Dichter per—
ſönlich kennen zu lernen, erteilte er eine kühl ablehnende Antwort.
Ernſte Studien, neben manchen Spätlingen der Muſe, beſchäftigten
ſeine Tage. Noch in dieſen Jahren erlernte er die griechiſche
Sprache, um Homer und die Tragiker im Original leſen zu können.
Im Mai 1808 ſchloß er ſeine Selbſtbiographie ab; einige Monate
ſpäter, am 8. Oktober, iſt er in Florenz geſtorben.

Alfieri hat die letzte der von ihm veröffentlichten Tragödien,
den „Brutus“, gewidmet „dem italieniſchen Volke der Zukunft“.
Die kommenden Geſchlechter haben die Widmung angenommen.
Das italieniſche Riſorgimento unſeres Zeitalters iſt ohne Alfieri
nicht zu denken. „Eines von den Verdienſten dieſes hohen Geiſtes“
— ſagt Maſſimo d'Azeglio in ſeinen Lebenserinnerungen — „war,
daß er Italien Metaſtaſianiſch vorfand und Alfieriſch hinterließ;
aber ſein erſtes und höchſtes Verdienſt war, daß er Italien gleichſam
entdeckt und die Idee der italieniſchen Nationalität ins Leben ge—
rufen hat.?

Von hier ab hat die geſchichtliche Entwickelung allerdings
einen anderen Weg genommen, als der Dichter vermeinte. Der
Stein, den er verwarf, die piemonteſiſche Monarchie, iſt zum Eck—

1 Nisogallo, S. 167. Eine hübſche Ueberſetzung des ganzen Sonettes gibt
Reumont, Geſchichte Toscanas II. S. 636. Dort lauten die letzten Verſe:
„Schon tönt ſein Ruf: Mein Sänger, mir geboren
In ſchnöder Zeit, die Zeit, die du verkündet,
Dein ehern Lied hat ſie heraufbeſchworen.“
2 Azeglio, I miei ricordi I. S. 88. Weiterhin S. 258 ff. charakteriſiert
dann Azeglio ſehr treffend den nachteiligen Einfluß, den Alfteri andererſeits auf
die Entwickelung des politiſchen Denkens in Italien ausgeübt hat.
 
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