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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Kaemmel, Otto: Aus dem Salbuche eines österreichischen Klosters
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0269
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Aus dem Salbuche eines öſterreichiſchen Kloſters. 259

überall den Sieg verliehen habe, nur daß ſeine klaſſiſche Bildung
ihn veranlaßt, es als ein Werk des Vulkan und als früheres
Eigentum des Mars aufzufaſſen. Etwa 60 Jahre zuvor, 1071, erhielt
Otto von Nordheim, als er den jungen König Heinrich IV. nach
Ungarn begleitete, aus der Hand der Königin-Witwe Anaſtaſia
dies ſagenhafte Schwert zum Gaſtgeſchenk, obwohl es ſeinen Be⸗
ſitzer Unheil bringen ſollte; ſo feſt haftete die Sage im Volke.
Da nimmt es nicht wunder, wenn in nicht wenigen Perſonen—
namen unſeres Salbuches vie Geſtalten der Sage wieder auf—
leben, noch vor der Zeit, ehe das Nibelungenlied durch einen
Oeſterreicher ſeine letzte Geſtaltung erhielt. Da begegnet uns oft
genug Siegfried, einmal auch daz starke getwere Alberich, dann
ſeine burgundiſchen Gegner Gunther (Gundachar ca. 1130) und
Gernot (ca. 1160) und wenigſtens in einem Ortsnamen ver—
borgen (Hagininbrunnin 1083) der grimme Hagen. Auch deſſen
Neffe, Ortwin von Metz, fehlt nicht; auch nach ihm iſt ein
Dorf genannt (0rtvinesdorf 1058, jetzt Rotweinsdorf). Außer—
ordentlich beliebt iſt der Name Dietrich, und der ſeines Ge—
ſchlechtes lebt wenigſtens fort in einem Amalung (ca. 1156),
daneben ſein Waffenmeiſter Hildebrand. Nach dem edlen Rüdeger
von Bechelaren iſt eine ganze Anzahl Leute getauft, nach ſeinem
Sohne Nuodung wenigſtens einer. Der ſchreckliche Klang des
Namens Etzel iſt natürlich ſeiner Verwendung hinderlich ge—
weſen; aber nicht nur ſein Sohn Ortlieb hat Namensvettern in
Oeſterreich gefunden, ſondern auch ſeine Gemahlin, und zwar in
der Bezeichnung, die ihr das Waltharilied des 10. Jahrhunderts
gibt: ca. 1130 - 1140 heißt eine Leibeigene Ospirin. Von der
Nordſee her ſind die Namen der Gudrunſage nach der Donau
gewandert: neben Herwig (ca. 1100) und Hartmut (ea. 1120)
ſtehen Hettel (Héttilo ca. 1125) und Horant (Hörrand); der
letztere lebt fort im Namen der Burg Hörnſtein, die ein Zweig
der Grafen von Neuburg-Falkenſtein erbaute. Aus anderem
Sagenkreiſe klingt der Name Wieland herüber, der einmal auch
zur Bezeichnung eines Dorfes benützt worden iſt (Wielantisdorf
ca. 1120, jetzt Wöllersdorf an der Pieſting). Durch alle Schichten
des Volkes ſind dieſe aus der Sage entlehnten Namen verbreitet.

So ſteigt aus den dürren Aufzeichnungen über nüchterne
Rechtsgeſchäfte eines Kloſters das Bild eines ganzen Jahrhunderts
und einer ganzen Landſchaft empor, kurz zuvor, ehe ſie die Heimat
des Nibelungendichters und des größten Lyrikers wurde, den das
deutſche Mittelalter hervorgebracht hat.
 
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