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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Zwiedineck-Südenhorst, Hans von: Die neueste Wallenstein-Forschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0040
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30 Die neueſte Wallenſtein-Forſchung.

zu verlangen. Am allerwenigſten konnte Wallenſtein nach den
Tagen von Znaim und Göllersdorf, nachdem man um ſeine Gnade
gebettelt hatte, nachdem der ganze Hof von Wien angſtvoll an
jedem Zucken ſeiner Wimper gehangen war, einen Zweifel in
ſeine hohe Sendung ſetzen, die das Schickſal der Caſa d'Auſtria
zum zweitenmal zu entſcheiden berufen war. Wer hätte in Wien
darüber im unklaren ſein können, daß Wallenſtein ſchon 1631
das Schwert ebenſogut gegen als für den Kaiſer zu ziehen in der
Lage war, wer hätte nicht gewußt, daß ſich die ſchwediſch-deutſche
Allianz um ihn bewarb? Und wer konnte ſich über die Größe
der Opfer, die man ihm gebracht hat, wundern, der den Eindruck
der Schlachten bei Breitenfeld und am Lech an ſich und allen
anderen erlebt und erfahren hatte?

Ich glaube mit dieſen Bemerkungen meine Auffaſſung der
Wallenſtein-Frage gekennzeichnet zu haben. Schuld hüben und
drüben — das iſt das Ergebnis, aber eine Schuld, für die es
kein Tribunal gibt, wenigſtens kein von Menſchen berufenes.
Müßige Arbeit wäre es, danach zu forſchen, wo ſich die größere
Laſt geſammelt. Solche Schuld ſchafft die Politik und tilgt ſie
auch. Die Geſchichte hat nichts weiteres zu thun, als ihre Keime
aufzuſuchen und ihre Entwickelung zu erklären. In Anſehung der
litterariſchen Fehde, welche die Wallenſtein-Forſchung im Gefolge
gehabt hat, dürfte daher der Wunſch gerechtfertigt erſcheinen, man
möge den Gefühlen, Neigungen und Abneigungen bei der Dar—
ſtellung der Ereigniſſe nicht allzu großen Spielraum gewähren und
ſich nicht ſcheuen, einen Irrtum einzugeſtehen, wenn man ihn er—
kannt hat. Verdeckte Rückzüge einzuüben, können wir Hiſtoriker
den Feldherren überlaſſen, die ohnehin unſerer Kritik verfallen,
für uns iſt der offenſte und ſchnellſte häufig der beſte. Gegen
einen Verſuch aber muß man unter allen Umſtänden ſeine Stimme
nachdrücklich erheben — gegen den Verſuch, Wallenſtein zu einem
deutſchen Helden, zu einem Märtyrer der deutſchen Freiheit zu
erheben, ſeinen Untergang als eine Folge ſeines Freiſinnes in
religiöſen Dingen hinzuſtellen. Damit wird es nunmehr hoffent-
lich ſein Bewenden haben. Der Mann, den der Drang nach Er—
werb zum Soldaten gemacht hat, deſſen erſtes bedeutendes Pro—
jekt der Ueberfall und die Brandſchatzung von Venedig war, der
reichen, aber ſchon damals für die Ruhe Europas ungefährlichen
Patrizierſtadt,! jener Großſprecher, der mit ſeinen Worten den



Den Nachweis für dieſe Behauptung glaube ich im 2. Bande meiner
„Politik der Republik Venedig“ erbracht zu haben.
 
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