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Zschokke, Heinrich; Kunze, Johann Andreas [Bearb.]
Ideen zur psychologischen Aesthetik — Berlin u. Frankfurt a.d. Od.: bey Johann Andreas Kunze, 1793 [VD18 10604529]

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https://doi.org/10.11588/diglit.69995#0167
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Kritik des Schönen. rzy
jene dreifache Vollkommenheit immer in halbdunkler
Ferne vor. Erinnert euch an ein Gesicht, welches
ihr schön nanntet, zieht eure Empfindung ab und be-
trachtet die Ursachen, welche dieselbe erzeugten: so
werdet ihr immer finden: sinnliche Vollkommenheit,
in Farben, Glanz und Form des Gegenstandes, —>
theoretische Vollkommenheit in der Übereinstimmung
des Mannigfaltigen zur Einheit, Ebenmaaß der
Theile, formale Zweckmäßigkeit, —- aber es würde
euch das Gesicht nicht so schön bauchten, wenn nicht
eine moralische Vollkommenheit durch alle Züge des-
selben hervorschimmerte, Geist, Liebe, süße Schwär-
merei, Hoheit, Güte u. s. f. im Auge, auf der Stirn,
im Lächeln u. s. f. schwebte. Tausend schöne Neben-
ideen von sittlicher Vollkommenheit, welche dieses
Gesicht predigt, werden erwachen und in euch die
Empfindung des Schonen entwickeln. —
Allein jene dreifache Vollkommenheit an sich selbst
und einzeln betrachtet ist nicht das Schöne selbst.
Denn zergliedern wir vermittelst des Verstandes
diese Vollkommenheiten, so fallt der Zauber hinweg,
darum wir sie schön nannten, wir erblicken nur theo-
retische, oder moralische, oder sinnliche Vollkommen-
heit. Und in dieser Rücksicht hat Moses Mendels-
sohn Recht, wenn er sagt: allzusorgfaltige Zer-
gliedrung des Schönen schaden der Empfin-
dung des Schönen. (Siehe unten Anm. 2.) Denn
wo der Verstand allein spricht, schweigt die Empfin-
dung. Aber wenn wir jene dreifache Vollkommenheit,
die
 
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