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Dürer, Albrecht
Albrecht Dürer in seinen Briefen — Leipzig, Berlin: Teubner, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.75394#0038
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28 Über Dürers Leben und Schaffen.
zierten Blättern wird in München aufbewahrt, was sonst erhalten
blieb, befindet sich in Besan^on.
Künstlerisch höherstehender Buchschmuck ist weder vorher noch
nachher entstanden. Die breiten Bänder der bedruckten Zeiten, die
sozusagen zur Verzierung einladen, haben hier einen nicht nur stofflich
höchst mannigfaltigen, sondern auch einen stilistisch aus der Aufgabe
selbst sich entwickelnden, echt deutsch empfundenen Schmuck erhalten.
Mag der Farbenglanz anderer Handschriften blenden, an wahrem
innerem künstlerischem Mert stehen diese nur mit verschiedenfarbiger
Tinte hingeschriebenen Randverzierungen voran.
Die Arbeiten für den Kaiser Maximilian lassen Dürer eigentlich
nur bei dem Gebetbuch seine Künstlerschaft wirklich entfalten. Durch
jene Randzeichnungen lernen wir die dekorative Begabung des Künstlers
erst voll kennen. Entschädigt wurde der Meister für seine Leistungen
durch die Verleihung eines Iahrgehalts im Betrage von 100 Gulden.
Besonders bezeichnend für sein künstlerisches Mesen sind auch in
jener mittleren Epoche seines Lebens natürlich die Ausgaben, die er
sich neben jenen übertragenen Arbeiten selber stellte. Als ein Hauptstück
seien genannt zwei Apostelköpfe in Florenz vom Jahre 1516. Sie
verraten uns, daß er sich mit der Idee trug, Lharakterköpse zu schaffen.
Angeregt mögen sie sein durch die beiden Apostelstiche vom Jahre
1514. Das dort ausgenommene Thema erscheint in jenen beiden
Köpfen zwei Jahre später als ergreifende Seelenschilderung tiefernster
Art weiter geführt. Ein schweres Amt ist den Jüngern übertragen.
Aus ihren Blicken spricht Besorgnis und Enttäuschung. Dabei ist die
äußere Mürde in echt Dürerscher Meise durch die sorgsamste realistische
Durchbildung aller Einzelheiten erstrebt. Mir haben Männer vor
uns, die mitten im Leben stehen. Der Unterschied der Nationalitäten
kommt hier recht bezeichnend zum Ausdruck. Mährend man in Italien
bei solchen Gestalten das Würdevolle in den Vordergrund treten läßt,
ist hier der Druck des Daseins auf bedeutende Menschen betont, und
man wird nur beistimmen können, wenn man in den beiden Köpfen
die Stimmung ausgesprochen findet, welche Tieferblickende angesichts
der Zustände jener Zeit überkommen mußte.
Dürer war eine religiös tiefempfindende Natur. Das äußerliche
Kirchentum befriedigte ihn nicht; wir wissen das schon aus der vor
Beginn der Reformation liegenden Zeit. Luthers Auftreten hat der
 
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