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Dürer, Albrecht
Albrecht Dürer in seinen Briefen — Leipzig, Berlin: Teubner, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.75394#0138
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Briefe Dürers.

und verstand begabt ist, zu Argem auslegen, daß ich das, so ich
mit hohem Fleiß, steter Müh und Arbeit, auch nit mit kleiner Ver-
säumung zeitlicher hab serlangt habes, so mildiglichh und zu ge-
meinem Nutz aller Künstner an das Licht kommen laß, sondern
Männiglich werd mein Gutwilligkeit und geneigten willen loben
und den im Allerbesten verstehn. Dieweil ich nun in keinen Zweifel
setz, ich werde allen Kunstliebhabenden und denen, so zu lehren?)
Begierd haben, hierin ein Gefallen thun, muß ich dem Neid, so
nichts ungestraft^) läßt, seinen gewöhnlichen Gang lassen und ant-
worten, daß gar viel leichter sei, ein Ding zu tadeln dann selbs
zu erfinden. Und ist wohl nit ahnh, wo die Bücher der Alten ^),
so von den Künsten des Malens geschrieben haben, noch vor Augen
wären, so möcht mir dies mein Vorhaben, als vermeint ich ein
Vessers zu finden, zu Arg ausgelegt werden. Dieweil aber solche
Bücher durch Läng der Zeit ganz verloren sind worden, so kann
mir mit keiner Billigkeit verwiesen werden, ob ich, wie auch die
Alten geton haben, mein Meinung und Erfindung schriftlich aus
lasse gehn, damit auch anderen verständigen dergleichen zu tun
Ursach gegeben werd, und unser Nachkommen haben, das sie mehren
und besseren mögen, damit die Kunst der Malerei mit der Zeit
wieder zu ihr Vollkommenheit reichens und kommen mög.
Doch ist Niemand gezwungen, dieser meiner Lehr, als sei die
ganz vollkommen an allen Orten, nachzugehn. Dann die menschlich
Natur hat noch nit also abgenommen, daß ein Ander nit auch
etwas Vessers erfinden möge. Derhalb mag sich ein Iglicher dieser
meiner Unterrichtung, so lang ihme geliebt, oder er ein Bessers
erfindet, gebrauchen, wo nit, mag er wohl dafür achten, diese Lehr
sei nit ihme, sonder Anderen, so die anzunehmen begehren, be-
schrieben. Dann es muß gar ein spröder verstand sein, der ihme
nit trauet auch etwas Weiters zu erfinden, sonder liegt allwegen

I) ---- uneigennützig. 2) lernen. 3) unbehelligt.
4) es ist wohl nicht ohne, es ist etwas daran.
5) Wenn Dürer von den Schriften der Alten, die von diesen Materien
handeln, spricht, so tut er dies immer in der irrigen Voraussetzung, sie hätten
etwas allgemein Gültiges und Abschließendes geboten. Lr teilt hierin die An-
schauung seiner Zeit, die alles, was aus dem Altertum stammte, für voll-
kommen ansah. 6) ihre Vollkommenheit erreichen.
 
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