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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 1
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Bach, Max: Hans Multscher, Bildhauer und Maler?
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0013

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Dieselben Eigentümlichkeiten zeigt merk-
würdiger Weise auch die Schrift des Karg'-
schen Altars im Münster zu Ulm. Es
ist zunächst nothwendig, sich mit diesem
Werk ausführlicher, als es gewöhnlich ge-
schieht, zu beschäftigen.

Im südlichen Seitenschiff des Münsters
neben dem Eingang zur Sakristei befindet
sich eine Nische, umrahmt von gothischem
Stäbwerk. Oben ist ein vortretendes Ge-
sims, ans dessen Mitte ein heraldischer
Helm ausgehauen ist, unten steht eine
lange lateinische Inschrift, deren Schrift-
formen Eigentümlichkeiten bieten; wäh-
rend nemlich die zwei ersten Reihen in
der gewöhnlichen Miuuskelschrift gehalten
sind, tritt auf einmal in der dritten Reihe
Majuskelschrift auf und zwar letztere in
den cigenthümlichen Formen, wie ich sie
seither sonst nur kurz vor oder nicht zu
lange nach 1500 beobachtet habe. Es
sind die Formen der Renaissanceschrift,
das bl ist wie ein H, das E hat mitten
einen Einbug, das D ist ein verkehrt ge-
stelltes C u. s. w. Die Inschrift lautet:
„iste . labor . qui . ad instanciam .
perfidi . ac circumspecti . viri . cuon-
radi. dicti . Karg . cive . ulmei . con-
fectus . est . est | finitus . ipsa . die
sancti . johannis . baptiste '. anno . ab
incarnatione . domini . millessimo . qua-
drigentesimo . tricesimo . tertio | jetzt
folgt in anderer Schrift: „per me jo-

hannem . multscheren . nacionis . de
Richenhofen . civem . ulme . et. manu .
mea . propria. constructus.“

Zu beiden Seiten stehen die Karg'schen
Wappen, ein Arm mit einem Pfeil in
der Hand, in strengen heraldischen Formen.

Um die ganze Nische zieht sich eine
weitere Inschrift, welche cigeuthümlicher
Weise oben wieder in später Majuskel-
schrift ausgeführt ist. Die Inschrift be-
zieht sich auf das Kunstwerk, welches in
der Nische angebracht war, nemlich die
Gruppe der Verkündigung. „Saluto te,
sancta Maria virgo Domina, coelorum
regina, ea salutatione, qua salutavit
te Gabriel angelus, dicens, ave Maria
gracia plena, dominus tecum etc.“ In
der jetzt wieder zugedeckten Nische sah [
mau noch ein von Engeln mit vergolde-
ten Flügeln ausgebreitetes Tuch, welches
als Hintergrund zu dem wahrscheinlich

[ zur Zeit der Vilderstürmerei im Jahre
1531 vandalisch zerstörten Bildwerk
j diente.

Auf Grund der erwähnten Schrift-
formen nehme ich an, das; nm's Jahr
1500 eine Erneuerung und Ergänzung
der Inschrift stattgefunden haben muß,
was um so wahrscheinlicher ist, als bei
derartigen Votivbildern gewöhnlich der
ausführende Künstler inschriftlich nicht
genannt ist, sondern höchstens durch ein
Monogramm oder Wappen an unter-
geordneter Stelle seine Autorschaft be-
zeugt. Wahrscheinlich hat ein Sohn des
Künstlers später bei der Familie des
Stifters darum uachgesncht, das An-
denken seines Vaters hier verewigen zu
dürfen.

Die Familie Karg scheint übrigens
schon im 15. Jahrhundert ausgestorben
zu sein, ein Konrad Karg war 1470
Stadtammann in Ulm, das ist das späteste
Datum, welches ich finde; einen Altar in's
Münster stiftete schon Haus Karg der
Aeltere, gestorben 1394, mit seiner Frau
Anna von Hall, sie hatten einen Denk-
stein im Münster, welchen der alte Münster-
beschreiber Frick noch erwähnt. Das An-
denken an diese reiche Familie erhält die
heutigen Tages noch bestehende Kärgische
Stiftung, welche auch das von derselben
gestiftete Fenster im Münster unterhält,
sowie ein Stipendium, nach welchem ein
Theologie stndirender Bürgerssohn jähr-
lich 50 fl. erhält.

Nach diesem Abschweis kehren wir zu-
rück zu den Berliner Bildern. Sie wur-
den, wie schon im „Archiv" 190 t Nr. 7
kurz berichtet ist, durch die hochherzige
Schenkung des Hern; Julius Weruhcr
in London Eigenthum der K. Gemälde-
gallerie in Berlin. Schon zu Anfang des
19. Jahrhunderts werden die Gemälde
nebst einigen andern altdeutschen und
flämischen Meistern in einem in London
gedruckten Katalog erwähnt, welcher die
Gemäldegallerie des Truchsessen von
Waldburg mit einer für die damalige
Zeit auffallenden Wissenschaftlichkeit ver-
zeichnet. Damit bestätigt sich die von
Jägerl) beigebrachte Notiz; Graf Stern-
berg hätte in der Gallerie des Grafen

’) Ulms Leben tut Mittelalter, S. 579.
 
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