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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,1): Einzelmythen: Actaeon - Hercules — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.12014#0064
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F. DAEDALUS.

Aus dem Mythus des Dacdalus haben sich bis jetzt
zwei Episoden auf römischen Sarkophagen gefunden: wie
er für Pasiphae die hölzerne Kuh zimmert, mit Hilfe derer
sie ihre unnatürliche Leidenschaft zu dem von Neptun
ihrem Gatten Minos gesandten1) und von diesem trotz seinem
Gelübde nicht geopferten Stier befriedigt, und wie er für
sich und Icarus Flügel anfertigt, um der Gewalt des Minos
zu entrinnen, wobei der der Sonne zu nahe kommende
Knabe herabstürzt und den Tod findet. Die erste von
Euripides in seiner KpyjTsg offenbar mit grosser Freiheit be-
handelte Sage wird in dieser Euripideischen Fassung be-
kanntlich von hellenistischen und augusteischen Dichtern
mit Vorliebe herangezogen. Auch in der pompejanischen
Wandmalerei ist sie sehr beliebt. Meist wird dargestellt,
wie Dacdalus der vor ihm sitzenden Königin bald in seinem
Atelier bald im Freien die vollendete Kuh zeigt (vgl. Helbig
Wandgemälde no6—1208 und das neue Bild aus Casa dei
Vetti Mau Mittheilungen des Römischen Instituts XI iSotf
S. 50, wo Daedalus wie auf 35 den im Rücken ange-
brachten Deckel aufklappt). Oder er weist der auf ihn
zuschreitenden Königin ein kleines Modell des geplanten
Werkes vor (Mau Mittheilungen des römischen Instituts V
1890 S. 261) oder diese zeigt ihm ihren geliebten Stier
(Helbig 1205). Auf dem in denselben Kreis gehörigen, deco-
rativen Wandrclief in Palazzo Spada (Braun Zwölf Bas-
reliefs Taf. 5, Schreiber Hellenistische Relief bilder Taf. 8)
naht sich Pasiphae dem neben seinen Werke sitzenden
Daedalus. Mit keiner dieser Darstellungen decken sich die
drei Sccnen, in denen auf 35 die Geschichte der hölzernen
Kuh vorgeführt wird, aber die erste und dritte klingen an
sie an. Wie die pompejanischen Wandmaler offenbar
dasselbe Vorbild frei variiren, so entwickelt der Verfertiger
von 35 seine Scenen aus solchen in seiner Zeit gewöhnlichen

') Ansprechend deutet E. Kuhnert in Flfxkeisens Jahrb. XV Suppl.
I!. 1886 S. 194 auf diesen Mythus die in der Archäologischen Zeitung
1853 Taf. LVI 9 abgebildete etruskische Urne.

Darstellungen, ohne dass er ein älteres Vorbild oder einen
als Mittelglied sich einschiebenden Scenencyclus benutzt
zu haben braucht. Ebenso gehen die Scenen der Schmal-
seiten, die im Anschluss an das genannte Euripideische Stück
die Vorgeschichte illustriren, in keiner Weise über das
hinaus, was man der Erfindungsgabe römischer Sarkophag-
arbeiter in guter Zeit zutrauen darf.

Auch die Geschichte des Icarus gehört zu den be-
liebten Stoffen sowohl der pompejanischen Wandmaler,
als der Verfertiger decorativer Wandreliefs. Erstere stellen
besonders den Sturz oder die Auffindung der Leiche dar,
Momente, die eine starke Betonung des Landschaftlichen
gestatten (Helbig Wandgemälde Nr. 1209 f., Sogliano Vltturc
Nr. 523, Nr. 524, Mittheilungen des römischen Instituts V,
1890 S. 264; vgl. Robert Archäologische Zeitung XXXV
1877 S. 1 ff). Letztere bevorzugen die genrehafte Scene, wie
Daedalus die Flügel vor den Augen des erstaunten Icarus
anfertigt (z. B. Schreiber Hellenistische Relief bilder Taf. 11).
Die einschlägigen, einer viel späteren Zeit angehörigen
Sarkophage 37. 38 berühren sich mit diesen Darstellungen
nur ganz im Allgemeinen.

Symbolische Beziehungen liegen bei dem Pasiphae-
Sarkophag gewiss nicht vor. Wem die Beliebtheit des
Mythus zur Rechtfertigung seiner Verwendung als Sarko-
phagschmuck nicht genügt, der mag annehmen, dass das
Exemplar für die Leiche eines Künstlers bestimmt war,
eine Hypothese, die Gewissheit wäre, wenn Zoega mit
Recht bei der Figur des Daedalus Porträtzüge erkannt hätte.
Diente doch auch das eine der pompejanischen Pasiphae-
Bilder (Nr. 1207 Helbig) einem Tischler als Aushängeschild.
Hingegen ist bei der Icarusdarstellung die Beziehung auf
den Beigesetzten wohl nicht zu bezweifeln; zu der Vor-
stellung des frühen Hinscheidens, wie bei den Adoiiis-,
Hippolytus- und vielen ähnlichen Darstellungen, gesellt
sich hier, wie bei den Phaethon-Darstellungen, die Idee
eines gewaltigen, aber an den Grenzen der Menschheit
zerschellenden Strebens.
 
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