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217

4. Die Bauentwicklung der Wülzburg
seit dem 17. Jahrhundert

Unter Mitarbeit von Daniel Burger

4.1. Die Festung im Dreißigjährigen Krieg
(1631-1648)

Betrachtet man die weitere Geschichte der Wülzburg, von
ihrer Fertigstellung bis zur Auflassung 1867, so ist ein Ein-
druck wirklich nicht zu vermeiden - der Eindruck näm-
lich eines ganz grundsätzlichen Mißverhältnisses zwi-
schen dem Bauwerk als solchem und der historischen
Rolle, die es, einmal fertiggestellt, über zweieinhalb Jahr-
hunderte spielte.

Damit ist weniger die Tatsache gemeint, daß die Wülz-
burg nur ein einziges Mal in einem Krieg als Stützpunkt
genutzt wurde. Dies ist vielmehr auch für viele andere
Festungen charakteristisch und wurde oft mit gutem
Grund geradezu als Erfolg gewertet - ist eine Festung so
stark, daß sich kein Gegner an sie heranwagt, so kommt ja
gerade darin ihr schützender Effekt zum Ausdruck. Im
Falle der Wülzburg ist es im Gegenteil unverkennbar, daß
die Festung in einem Maßstab geplant und ausgeführt
worden war, der zwar sicherlich dem großen politischen
Denken ihres Bauherren entsprach, die Möglichkeiten
des späteren Kleinstaates Brandenburg-Ansbach aber bei
weitem überragte.

Etwas über ein Jahrzehnt nach der Fertigstellung der
Festung mündeten die seit den 1540er Jahren schwelen-
den Konflikte zwischen den katholischen und den evan-
gelischen Staaten in jene schier endlose Reihe militäri-
scher Konflikte, die große Teile Deutschlands verwüste-
ten und entvölkerten, und die man schon damals unter
den Begriff des »Dreißigjährigen Krieges« zusammenge-
faßt hat (1618-1648). Obwohl die Grenze des protestanti-
schen Gebietes mit dem Südrand von Brandenburg-
Ansbach zusammenfiel und damit direkt bei der Wülz-
burg lag, und obwohl dort mit dem Herzogtum Bayern
eine der katholischen Vormächte anschloß, blieb es an
dieser Grenze in der ersten Phase des Krieges bis 1631
ruhig. Dies lag nicht nur daran, daß die beiden fränki-
schen Hohenzollernstaaten sich konsequent neutral ver-
hielten - fraglos auch ein Zeichen ihrer Schwäche - son-
dern einfach am Kriegsverlauf, in dem zunächst Böhmen,
der norddeutsche Raum und auch Norditalien eine Rolle
spielten, nicht aber Bayern und Franken.

Gegen Ende dieser Phase belegen die Akten ein schwer
erklärbares Geschehen. 1628-1630 gibt es nämlich auf
ansbachischer Seite ernsthafte Erwägungen, die Festung
abzubrechen und das Kloster wieder einzurichten1! Be-
denkt man den unglaublichen Arbeitsaufwand, den die
Realisierung dieser Absicht bedeutet hätte - selbst wenn
man das Kloster im Schloßbau eingerichtet hätte, so

wären doch die riesigen Mauermassen der Bastionen ab-
zutragen gewesen - so fällt es sehr schwer, an die Ernst-
haftigkeit dieser Absichten zu glauben. Zwar entsprach
die Überlegung als solche exakt dem Ziel des Prozesses,
der 1588 gegen die Festung vor dem Reichskammerge-
richt angestrengt worden war (vgl. 3.6.), aber nichts kann
erklären, warum man gerade jetzt, vierzig Jahre später,
auf diese Absicht zurückkam, denn mitten im Krieg
sprach die normative Kraft des Faktischen eher noch stär-
ker für die beklagten Inhaber der Festung als für die nach
wie vor schwachen Kläger. Der Hintergrund dieser kurz-
fristigen Erwägungen sah sicherlich anders aus. Georg
Friedrichs Witwe Sophia und ihr Bruder Graf Friedrich
von Solms, die Vormünder des Erbprinzen Friedrich,
dürften begriffen haben, daß ihnen im Kriegsfalle das
Militär fehlen würde, um das Land effektiv zu schützen,
und daß die isolierte Festung daher eher einem starken
Angreifer nützen würde. Falls wirklich dies hinter den
Demolierungsüberlegungen von 1628/30 gestanden ha-
ben sollte, so wäre es letztlich nur eine Vorahnung der
unmittelbar folgenden Geschehnisse gewesen.

Die Ereignisse der Jahre 1631/32, nämlich die rasche
Ausweitung des Krieges auf den fränkischen und bayeri-
schen Raum, waren ein kaum vorhersehbares Geschehen
- nämlich der faktische Zusammenbruch der katholi-
schen Liga unter dem Ansturm Gustav Adolfs und der
protestantischen, vor allem sächsischen Heere. 1632 hätte
in der Tat nicht mehr viel gefehlt, daß Wien in die Hände
der Schweden gefallen und der Krieg damit ein weit
früheres Ende gefunden hätte2.

Am 17. September 1631 nämlich wurde das HeerTillys
bei Breitenfeld, nahe Leipzig, von den vereinigten
Streitkräften Gustav Adolfs und Johann Georgs von
Sachsen vernichtend geschlagen. In der Folge dieses Sie-
ges besetzten die Schweden Ende Oktober auch Bran-
denburg-Kulmbach, das bisher unter Markgraf Christian
(reg. 1603-1655) neutral geblieben war, obwohl dieser
nach wie vor eine führende Stellung unter den Protestan-
ten einnahm; das kulmbachische Territorium litt in der
Folge entsetzlich, der Markgraf floh auf die Plassenburg.
Das schwedische Heer überwinterte nicht nur im kulmba-
chischen Territorium, sondern auch in den katholischen
Fürstbistümern Bamberg, Würzburg und Mainz, auch in

1 St AN, Ansb., OA-Akten, 2055: Die Demolierung bzw. Umwand-
lung in ein Kloster betr., 1628-1630.

; Die allgemeinen Daten zum Dreißigjährigen Krieg in der Regel
nach C.V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg, 4. Aufl., Mün-
chen 1994.
 
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