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2. Die Wülzburg heute - Beschreibung und
Analyse des Bauwerks

Für das Gutachten, das der Verfasser in den Jahren 1989
bis 1993 erstellt hat und das die wichtigste Grundlage die-
ses Buches bildet, ist die gesamte Wülzburg. Bauteil für
Bauteil und Raum für Raum, beschrieben worden; die
Bastionen und Kurtinen wurden zum ersten Mal detail-
liert vermessen und gezeichnet (im Maßstab 1:100). Ziel
dieser Arbeiten war vor allem die Dokumentation des
Zustandes der Bauten, die ja durch den Verfall und die
laufenden Instandsetzungen vielfältigen Veränderungen
ausgesetzt waren und weiterhin sind.

Die neuen Pläne, mit farbiger Kennzeichnung der Ent-
stehungszeiten und Numerierung der Räume, werden
hier abgedruckt - sie bilden für den Leser bzw. den Besu-
cher der Festung die wichtigste Grundlage zum Verständ-
nis der Bauten und sollten daher beim Lesen der folgen-
den Beschreibung ständig konsultiert werden.

Die Beschreibung der Bauteile ist hier anders angeord-
net worden als im Gutachten, um dem Leser das Ver-
ständnis zu erleichtern. Im Vordergrund stehen die Funk-
tionen der Bauten, sowie die Abfolge ihrer Entstehung.
Manche technische Details sind herausgelassen, um die
ohnehin schwierige Materie nicht noch mehr zu belasten;
insbesondere gilt das für Einzelheiten, die auch den Plä-
nen zu entnehmen sind: Türen, Fenster, Wölbungsformen
und dergleichen. Die Nummern der Räume und Kurti-
nenbögen werden hier in Klammern angeführt - (1). (2),
(3) usw. -, um den Bezug auf die Pläne zu ermöglichen;
auch die Farben, die auf den Plänen die Bauzeiten ange-
ben, werden zitiert, wo es sinnvoll erscheint.

Unvermeidlich ist bei der Beschreibung einer Festung
leider die Verwendung eines gewissen Minimums an
Fachbegriffen, die manchem Leser unbekannt sein dürf-
ten; würde man sie durch umständliche Beschreibungen
ersetzen, würde das Buch letztlich nicht besser lesbar,
sondern einfach nur länger. Um ein schnelles Nachschla-
gen zu erleichtern, ist im hinteren Vorsatz des Buches
eine Erläuterung der wichtigsten Begriffe untergebracht
worden; für ihre Gestaltung ist H.-H. Häffner zu danken.
Jahreszahlen in Anführungsstrichen (»1816«) bedeuten,
daß diese am Bau - oder ausnahmsweise auf einer abbil-
denden Quelle - vermerkt sind.

2.1. Lage und Topographie

entfernt, erhebt sich der in weitem Umkreis höchste Berg
der Alb (630,5 m ü. NN) mit der Wülzburg auf seinem
geräumigen Gipfel (Farbabb. I — III). Durch zwei Ne-
bentäler isoliert - im südlichen ersteigt die Straße nach
Eichstätt die Jurahöhe - hängt der Berg nur im Osten
durch einen breiten und wenig niedrigeren Sattel mit dem
übrigen Gebirge zusammen.

Dieser Bauplatz verbindet eine beherrschende Lage,
vor allem einen weiten Blick gegen Westen und Norden,
mit guter Verteidigungsfähigkeit. Das Letztere galt aller-
dings erst nach den Kriterien des Artilleriezeitalters, denn
die sanfte Bergkuppe, die Anlagen von rund 400 m
Durchmesser Platz bietet und aus geologischen Gründen
erst in 100-200 m Entfernung vom Festungsgraben steiler
abfällt (Farbabb. II-III; vgl. auch Abb. 143), war nur
durch neuzeitliche Geschütze zu beherrschen. Geht man
von einer Schußweite von 500-700 m aus, die für das 16.
Jahrhundert realistisch ist, so sicherten die Geschütze
ohne weiteres den obersten, flachen Hangbereich im Nor-
den, Westen und Süden; im Osten reichten sie bis deutlich
über die tiefste Stelle des Sattels hinaus. Ein Belagerer
konnte seine ersten Batterien, die grundsätzlich am
Rande des Schußfeldes der Festung aufgestellt wurden,
erst jenseits dieses Sattels - etwa im unteren Teil des heu-
tigen Segelflugplatzes - aufstellen, und damit etwas tiefer
als die Festung; von den anderen Seiten her war ein sol-
cher Angriff überhaupt nicht möglich.

Günstig aus der Sicht eines Festungsbauers war fraglos
auch das Fehlen von Besiedlung im Vorfeld der Festung;
sie hätte dem Angreifer Deckung geboten, oder aber,
wollte man dies vermeiden, eine Verlegung der Siedlung
mit entsprechender Unruhe in der Bevölkerung erfor-
dert. Das kleine, wohl schon zum Kloster gehörende Dorf
Kehl liegt zwar im Nordosten am Rande des Schußfeldes
der Festung, aber so tief unter einem steilen Hangab-
schnitt, daß es fortifikatorisch bedeutungslos war. Die
kleine Häusergruppe direkt südlich des Glacis, an der
heutigen Zufahrtsstraße, ist im wesentlichen erst im
19./20. Jahrhundert entstanden, und zwar aus einer
Anzahl von Gärten, die ursprünglich Invaliden der Fest-
ungsgarnison gehörten1; schon im frühen 19. Jahrhundert
waren sie an Bauern und Handwerker der Umgebung
übergegangen, und nur noch einer gehörte einem pensio-
nierten Feuerwerksmeister der Wülzburg. Das älteste
Haus in diesem Bereich steht glücklicherweise noch: das
kleine Gebäude mit Mansardendach, auf dem ältesten

Rund 50 km südlich von Nürnberg liegt am Fuß des etwa
200 m hoch aufsteigenden Jura die ehemalige Reichsstadt
Weißenburg. Direkt östlich von ihr, nur zwei Kilometer

1 KÖRTE, S. 106.
 
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