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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

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Heft 7/8
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Gold, Alfred: Skandinavische Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0146
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SKANDINAVISCHE AUSSTELLUNGEN
Mit sechs Abbildungen Von ALFRED GOLD
Skandinavien, das der Krieg politifch zu einem Biock zufammengefügt hat, ift jeßt
auch künftlerifdi auf Einigkeit bedacht. Man entdeckt Kulturzufammenhänge, die
niemals geleugnet, aber doch abfichtlich vernachläffigt worden waren. Kopenhagen,
der vorgefchobene Poften des Nordens, feine lebendigfte beweglichfte Großftadt, wird
zur Schaubühne diefer betonten Kulturgemeinfchaft. Hier ift je^t die fchwedifche Kunft
„in zweierlei Geftalt" zu Gaft. Hier kommen die Norweger, um die die Entente auch
in Kunftdingen am ftärkften wirbt, denen Frankreich jeßt im Kriege fogar eine Matiffe-
und Matiffeiften-Ausftellung (Kriftiana ift ratlos und begeiftert!) übers Meer gefchickt
hat, immerhin, wie Polarbären, vereinzelt zur Vorführung. Nur die Dänen treten, als
Hausherren, vergleichsweife in den Hintergrund.
Die fchwedifche Hauptausftellung war die im hiefigen Akademiegebäude von Oscar
Björck zufammengebrachte. Vom Akademismus hielt fie fich nicht ganz frei, obwohl
fie fich fo fichtbar bemühte, es zu tun. Die ganze Zufammenfeßung war ein Kompro-
miß. ln den Seitenfälen fah man die traditionellen Landfchaften wieder, die man in
Deutfchland fdion fo oft gefehen hat, und nur in den Haupträumen hatte man aller-
dings, um des Sieges ganz gewiß zu fein, drei „Einheiten" größten Kalibers hinter-
einander auffahren laffen: Zorn, Liljefors, Larffon. Von diefen Dreien ift Anders Zorn
der am wenigften Überrafchende, dennoch der Imponierendfte, „troß Allem" der Größte.
Was man bei ihm vermißt, fchon feit Jahren, ift die Entwicklung. Wenigftens den
äußeren Anzeichen nach konnte man den Eindruck bekommen, daß Zorn, einft einer
der Temperamentvollften, ein Führender neben Liebermann, neben Uhde (diefe Zu-
fammenftellung war auch durch das Leben bekräftigt), von einem gewiffen Zeitpunkt
an ftarr, unbeweglich, in feinen Äußerungen fich nur allzu gleich blieb. Freilich, wer
die Malerei und das Gefamtwerk eines Malers nicht nur ftiliftifch, fondern auch pfgcho-
logifch auf fich wirken läßt, der fühlte unter diefer äußerlichen Starrheit, die auch wie
Kälte wirken konnte, doch das Bewegende, das Vorwärtstreibende; der hörte den
Klang, den felbft feelifche Sprödigkeit erklingen laffen kann, wenn fich mit ihr künft-
lerifches Geftaltungsvermögen verbindet. Und in der Tat: bei Zorn fehlte in diefem
tieferen Sinn die Weiterbewegung, die Entwicklung doch nicht ganz, fie hatte fich bloß
auf eine einzige Seite, auf die technifche, eingeftellt. ln der Kopenhagener Ausftellung
fah man die neueften Beifpiele dafür. Diefe weiblichen Akte Zorns find Virtuofen-
ftücke fo hohen Rangs, daß der technifche Energiereichtum, den man darin wie etwas
Selbftverftändlidies und faft Halbverborgenes angewandt findet, dem nicht ganz ßüch-
tigen Beobachter auch eine Ahnung von der feelifchen Anfpannung gibt, aus der allein
diefe „alla prima" heruntergefpielten Paffagen, diefes morbide Inkarnat mit blauem
Geäder unter verfchieden getöntem Grauweiß, diefe Doppelbeleuchtung auf nackter
Haut, Fenfterlicht und Kaminreflex, diefe verblüffende und, fozufagen, „mit nichts" er-
reichte Wahrhaftigkeit eines naffen wafferglänzenden Rückens (oder feiner Fortfeßung)
überwunden fein können. Eine Schwäche fällt gerade im Vergleich zu den Höhe-
punkten diefer Bilder auf — ihre Hintergründe. Zorn vermag da nicht ganz der Gefahr
der Leere und der gefuchten Übergänge auszuweichen. Bildniffe auf kalkweißem
Grund oder lichtfchimmernde Interieurs mit fchmußigem Graubraun als überdeutlichem
„Luftton" würden die Jüngeren, die von heute, doch nicht mehr malen. Darin ift
Zorn, der Einfeitige, doch zweifellos dem Gefchmack der Zeit gegenüber zurück-
geblieben. Da liegt feine Grenze.

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