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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Schaukal, Richard: Gegen das Ornament
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0024
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GEGEN DAS ORNAMENT.

VON RICHARD SCHAUKAL-WIEN.

Wenn sich der nachdenkliche Zeitgenosse,
den die heute wuchernde Kultur des
Sichtbaren tiet verdrießt, ja traurig macht,
emstlich befragt, woran es liege, daß die
Welt, soweit sie Menschenwerk ist, gar so
häßlich und peinlich geworden sei, wird ihm,
sofem er helle Augen und einige Anlagen
zur Freude am Schönen besitzt, die Antwort
werden: Der böse Feind ist das Ornament.

Wohin immer man blickt, grinst es einem
entgegen: An Beleuchtungskörpern (ein nied-
liches Wortl), über Portalen, an jeglichem
Gerät in öffentlichen und häuslichen Stätten.
Daß es unangenehm wirke, darüber herrscht
unter bessern Europäern keine Meinungs-
verschiedenheit. Warum es unangenehm wirkt,
soll hier zu erklären versucht werden.

Das Ornament ist äußerlich ein Mehr, ein
Überflüssiges, innerlich ein »Zweckloses«. Das
Schöne hat keinen andern Zweck als schön
zu sein. Aber es hat nicht die Absicht,
schön zu sein. Es ist schön. Mörike drückt

die ewige Wahrheit also aus: »Was aber
schön ist, selig ist es in ihm (sie) selbst«.
Das Schöne ist der ins Unendliche variable
Ausdruck des Insichselbstgeschlossenen, des
Vollkommenen, ein Infinitesimalproblem. Das
Schöne lebt nicht nach Regeln, sondern
aus seinem (immanenten) Gesetz. Harmonie
ist das Blmpfänglichen unmittelbar gewisse
Wesen des Einheitlichen. Willkür ist mit
der Schönheitswirkung unverträglich. Jede
schöne Schöpfung von Menschenhand gehorcht
unwiderleglichen Geboten ihres mystischen
Mittelpunkts.

Zweierlei ergibt sich aus diesen Variationen
eines dem Künstler als Axiom giltigen Themas
für das Ornament, den Zierat: Der Zierat
muß, will er seine Bestimmung, die Helligkeit
des Schönen zu verbreiten, erreichen, in sich
selbst zusammenhängen; er muß, da er ein
Mehr ist, mit seinem Träger zusammenhängen.

Den Zusammenhang »in sich selbst« bedingt
die innere Wahrheit des Werks. Den Zu-

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