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Der dicke B i
nähme den Verstand verlor. Unter anderen Faseleien begeht er
nun auch die, daß er nicht mehr Matteo, sondern der Meister
dieser Werkstätte sein will, der, wie es scheint, den Beinamen
der Dicke haben muß. Wir ermahnten ihn viele Male um-
sonst, sich wieder zu besinnen, und holten in unserer Rathlo-
sigkeit gestern Abend den Priester unserer Gemeinde, einen wohl-
habenden Mann, hinzu, dem er aucb versprach, sich den Spar-
ren aus denl Kopfe zu ziehen. Gr aß zu Nacht mit dem be-
sten Appetite, und legte sich in unserer Gegenwart zu Bett,
läuft aber diesen Morgen, wie sich dessen Niemand versieht,
aus dem Hause, wir wiffen nicht, wohin. Wir sind deshalb
hieher gekommen, um zu sehen, ob er sich vielleicht zu dir
verstiegen hat oder ob du etwas von ihm weißt. Dem Dicken
ging es, derweil wie jener sprach, wie ein Rad im Kopfe
herum, und er wendete sich mit Den Worten zu ihm: Ich ver-
stehe nicht, was ihr da sagt und weiß nicht, was das für
Posten sind. Mattco ist nicht hieher gekommen und be-
geht eine große Schurkerei, wenn er sich für mich ausgibt.
Bei meiner Seele! treffe ich einmal mit ihm zusammen, so
büße ich meine Lust an ihm und will wohl sehen, ob ich er
bin oder ob er ich ist. Was zum Henker ist das für ein
Spuck die zwei Tage her! Mit diesen Worten ergriff er zorn-
erfüllt seinen Mantel, warf die Thüre des Ladens hinter sich
zu und stürmte unter heftigen Drohungen nach Santa Ma-
ria del Fiore zu. Die Brüder machten sich eilig davon,
und der Dicke ging in die Kirche, in der er, wie ein Löwe,
innerlich über alles, was ihm begegnet war, ergrimmt auf
und niederschritt. Nach einer guten Weile trat ein jun-
ger Mann in die Kirche, sein ehemaliger Freund, der mit
ihm zusammen vor dem bei Meister Pellegrino in Terna
das Schreiner - Handwerk erlernte, vor Jahren aber schon
nach Ungarn auswanderte, wo er unlängst mit Hilfe eines
andern Florentiners, des lo Spano zubenannten, von Si-
gismund, dem Sohne des Königs Karl von Böhmen
als Generalcapitän seines Heeres angestellten Filippo Sco-
lari sein Glück gemacht hatte, der als ein wohlwollender
Herr allen seinen irgend tüchtigen und betriebsamen Lands-
leuten Schuh und Zuflucht verlieh. Es kam nun jener dem
Dicken befreundete Mann gerade damals nach seiner Vater-
stadt Florenz, um zu sehen, ob er einen Meister seines Hand-
werkes bereden könne, zu Beendigung vieler von ihm über-
nommener Arbeiten mitzugehen. Er hatte auch schon öfter,
wiewohl erfolglos, den Dicken selbst für seine Absicht zu ge-
winnen versucht, und ihm dargethan, sie würden in Ungarn
Beide in wenig Jahren reiche Leute sein. Wie der Dicke
ihn jetzt auf sich zukommen sah, entschloß er sich auf der
l d s ch n i tz e r.
Stelle in seinen Vorschlag zu willigen. Er trat zu ihm und
sprach: Du hast mir oftmal zugeredet, ich möge mit dir in
die Fremde wandern und ich habe immer nicht gewollt. Ein
Zufall, der mir gegenwärtig widerfahren ist, auch daß ich oft
mit meiner Mutter uneins bin, bestimmt mich auf einmal, dich
zu begleiten, wofern du mich noch willst. Verlorst du also
nicht die Luft zu mir, so mache ich mich schon morgen aus den
Weg; denn es könnte mir wohl was dazwischen kommen, bliebe
ich länger hier.
Der junge Mann erwiderte, der Entschluß sei ihm sehr
gewünscht; am andern Morgen erlaubten ihm zwar seine Ge-
schäfte noch nicht fortzugehen, er möge indeß aufbrechen, wenn
er wolle, und ihn nur in Bologna erwarten, wo er in weni-
gen Tagen gewiß bei ihm sei. Der Dicke war es zufrieden;
sie verständigte» sich über Alles, und der Dicke ging in seine
Werkstatt zurück, wo er sein nothwendiges Handwerkszeug und
einige Kleinigkeiten, die er fottbringen konnte, so wie etwas
baares Geld nahm und zusammenpackte. Nach diesem begab
er sich in die Vorstadt San Lorenzo, miethete bis Bologna
einen Gaul, auf den er seine Habe lud, bestieg ihn selber und
trat seinen Weg an, indem er einen Brief an seine Mutter zu-
rückließ, worin er ihr sagte, er sei nach Ungarn gegangen, und
schenke ihr, was noch in der Werkstätte vorhanden bliebe, zu
ihrem Unterhalte.
Auf diese Art wanderte der Dicke von Florenz aus, er-
wartete in Bologna seinen Freund, und reiste mit ihm nach
Ungarn, wo ihre gemeinsamen Geschäfte so gut von Statten
gingen, daß sie durch des genannten Spano Gunst, der sie
zu seinen Kriegwerkmeistern machte, in wenig Jahren reich ge-
worden waren, in den Verhältnisienihres Standes. Der Dicke
ward Meister Manetto von Floreuz genannt, und kam in
der Folgezeit öftere Male in seine Vaterstadt. Befragte ihn
Filippo di Ser Brunellesco um seine Auswanderung,
so erzählte er ihm gemeinhin diese Novelle und gab sie als
Grund dazu an.
Der dicke B i
nähme den Verstand verlor. Unter anderen Faseleien begeht er
nun auch die, daß er nicht mehr Matteo, sondern der Meister
dieser Werkstätte sein will, der, wie es scheint, den Beinamen
der Dicke haben muß. Wir ermahnten ihn viele Male um-
sonst, sich wieder zu besinnen, und holten in unserer Rathlo-
sigkeit gestern Abend den Priester unserer Gemeinde, einen wohl-
habenden Mann, hinzu, dem er aucb versprach, sich den Spar-
ren aus denl Kopfe zu ziehen. Gr aß zu Nacht mit dem be-
sten Appetite, und legte sich in unserer Gegenwart zu Bett,
läuft aber diesen Morgen, wie sich dessen Niemand versieht,
aus dem Hause, wir wiffen nicht, wohin. Wir sind deshalb
hieher gekommen, um zu sehen, ob er sich vielleicht zu dir
verstiegen hat oder ob du etwas von ihm weißt. Dem Dicken
ging es, derweil wie jener sprach, wie ein Rad im Kopfe
herum, und er wendete sich mit Den Worten zu ihm: Ich ver-
stehe nicht, was ihr da sagt und weiß nicht, was das für
Posten sind. Mattco ist nicht hieher gekommen und be-
geht eine große Schurkerei, wenn er sich für mich ausgibt.
Bei meiner Seele! treffe ich einmal mit ihm zusammen, so
büße ich meine Lust an ihm und will wohl sehen, ob ich er
bin oder ob er ich ist. Was zum Henker ist das für ein
Spuck die zwei Tage her! Mit diesen Worten ergriff er zorn-
erfüllt seinen Mantel, warf die Thüre des Ladens hinter sich
zu und stürmte unter heftigen Drohungen nach Santa Ma-
ria del Fiore zu. Die Brüder machten sich eilig davon,
und der Dicke ging in die Kirche, in der er, wie ein Löwe,
innerlich über alles, was ihm begegnet war, ergrimmt auf
und niederschritt. Nach einer guten Weile trat ein jun-
ger Mann in die Kirche, sein ehemaliger Freund, der mit
ihm zusammen vor dem bei Meister Pellegrino in Terna
das Schreiner - Handwerk erlernte, vor Jahren aber schon
nach Ungarn auswanderte, wo er unlängst mit Hilfe eines
andern Florentiners, des lo Spano zubenannten, von Si-
gismund, dem Sohne des Königs Karl von Böhmen
als Generalcapitän seines Heeres angestellten Filippo Sco-
lari sein Glück gemacht hatte, der als ein wohlwollender
Herr allen seinen irgend tüchtigen und betriebsamen Lands-
leuten Schuh und Zuflucht verlieh. Es kam nun jener dem
Dicken befreundete Mann gerade damals nach seiner Vater-
stadt Florenz, um zu sehen, ob er einen Meister seines Hand-
werkes bereden könne, zu Beendigung vieler von ihm über-
nommener Arbeiten mitzugehen. Er hatte auch schon öfter,
wiewohl erfolglos, den Dicken selbst für seine Absicht zu ge-
winnen versucht, und ihm dargethan, sie würden in Ungarn
Beide in wenig Jahren reiche Leute sein. Wie der Dicke
ihn jetzt auf sich zukommen sah, entschloß er sich auf der
l d s ch n i tz e r.
Stelle in seinen Vorschlag zu willigen. Er trat zu ihm und
sprach: Du hast mir oftmal zugeredet, ich möge mit dir in
die Fremde wandern und ich habe immer nicht gewollt. Ein
Zufall, der mir gegenwärtig widerfahren ist, auch daß ich oft
mit meiner Mutter uneins bin, bestimmt mich auf einmal, dich
zu begleiten, wofern du mich noch willst. Verlorst du also
nicht die Luft zu mir, so mache ich mich schon morgen aus den
Weg; denn es könnte mir wohl was dazwischen kommen, bliebe
ich länger hier.
Der junge Mann erwiderte, der Entschluß sei ihm sehr
gewünscht; am andern Morgen erlaubten ihm zwar seine Ge-
schäfte noch nicht fortzugehen, er möge indeß aufbrechen, wenn
er wolle, und ihn nur in Bologna erwarten, wo er in weni-
gen Tagen gewiß bei ihm sei. Der Dicke war es zufrieden;
sie verständigte» sich über Alles, und der Dicke ging in seine
Werkstatt zurück, wo er sein nothwendiges Handwerkszeug und
einige Kleinigkeiten, die er fottbringen konnte, so wie etwas
baares Geld nahm und zusammenpackte. Nach diesem begab
er sich in die Vorstadt San Lorenzo, miethete bis Bologna
einen Gaul, auf den er seine Habe lud, bestieg ihn selber und
trat seinen Weg an, indem er einen Brief an seine Mutter zu-
rückließ, worin er ihr sagte, er sei nach Ungarn gegangen, und
schenke ihr, was noch in der Werkstätte vorhanden bliebe, zu
ihrem Unterhalte.
Auf diese Art wanderte der Dicke von Florenz aus, er-
wartete in Bologna seinen Freund, und reiste mit ihm nach
Ungarn, wo ihre gemeinsamen Geschäfte so gut von Statten
gingen, daß sie durch des genannten Spano Gunst, der sie
zu seinen Kriegwerkmeistern machte, in wenig Jahren reich ge-
worden waren, in den Verhältnisienihres Standes. Der Dicke
ward Meister Manetto von Floreuz genannt, und kam in
der Folgezeit öftere Male in seine Vaterstadt. Befragte ihn
Filippo di Ser Brunellesco um seine Auswanderung,
so erzählte er ihm gemeinhin diese Novelle und gab sie als
Grund dazu an.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der dicke Bildschnitzer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 1.1845, Nr. 8, S. 60
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg