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Die magij
auf den Leib bringe, der ganzereine Judenseelen-Zauber
vernichtet ist, und ich nie werde hexen können, wenn ich mir
auch, wie ich wünsche und hoffe, in meinen alten Tagen das
Trinken abgewöhnen sollte! Mit der Hochzeit, das schlagt
euch aber aus dem Sinne. So seid ihr junges Volk, gestern
verliebt, und heute soll's schon geheirathet sein. — Liebes Kind,
Heirathen kostet Geld, viel, viel Geld! Da mußt du einen
Tauf-, Pocken-, Confirmations-, Heimaths- und Militärfreiheits-
Schein haben. Ferner, wenn du auch nie dieses Kloster ver-
lassen hast, so muß doch der Herr Pfarrer an dreien Sonnta-
gen dich von der Kanzel werfen, das heißt, er muß stagen, ob
nicht ein anderes Mädchen Etwas gegen deine Heirath einzu-
wenden hat, weil du ihr schon früher die Ehe versprochen.
„Das thut der Herr Pfarrer wieder nicht umsonst; dann
mußt du Bürger werden, mußt einen Ansäffigmachungs-, Ge-
werbs- und Ehe-Consens haben, und endlich für's Trauen selbst
verlangt der Herr Pfarrer wieder Geld und sein Küster dazu,
und dann für die Hochzeit muß doch ein Braten, ein Kuchen,
und viel, viel guter Wein daher, und selbst wenn du für all
dieses mit der Zeit Geld auftreiben könntest, was gar nicht
möglich ist, selbst wenn ich mir das Trinken noch einmal ab-
gewöhnen sollte, was wiederum nicht sehr wahrscheinlich ist, so
kommen am Ende Kinder, und Kinder, die wollen getauft, er-
zogen, confirmirt und ausgesteuert sein, was noch viel mehr
Geld kostet; kurz du mußt dir die Sache wieder aus dem Kopfe
schlagen."
„Das kann ich nicht, das will ich nicht, das werd' ich
nicht!" schrie Franz außer sich vor Wuth, und packte den Al-
ten so derb an, daß deffen so schon überspannte Kleider in allen
Richtungen Riffe bekamen; „ehe das geschieht, schmeiß ich dich
und das Kloster und die ganze Welt zusammen." — „Franz!"
tönte hell und versöhnlich Mariens Stimme aus dem Refek-
torium herunter, „bist du dort unten? ich glaubte, du triebst
dich noch immer im Walde herum, und war schon recht besorgt,
und ungeduldig, weil du mich so lange warten ließest; komm
doch herauf, die Suppe wird kalt." Und in der That, wie
fröhlich war Marie aufgestanden, denn wenn sie auch nicht
recht mehr gewußt hatte, wovon sie die Nacht geträumt, so
hatte sie doch das Nachgesühl eines sehr schönen Traumes ge-
habt, und wußte sie anderer Seits auch seit gestern, ohne daß
sie Jemand darum gefragt, wie lieb, wie recht von Herzen lieb
sie den Franz hätte.
Aber hatte sie Franz auch wieder lieb? war er nicht
gerade seit gestern so zerstreut und kurios, und gleich nach dem
Esten war er sottgelauscn und die ganze Nacht ausgcblieben!
Diese ersten, wenn auch noch sehr unklaren Anfänge von Ei-
fersucht hatten der Marie ihre Liebe zum Bewußtsein gebracht,
und die schönen Träume dieser Nacht, der helle Morgen-Son-
nenschein und ein vertrauungsvolles Gebet hatten auch dieses
chen Küsse.
erste Mißtrauen Mariens gegen Franzens Treue schnell
wieder entfernt; aber als er jetzt auch beim Frühstück auf sich
matten ließ, und dann wieder so zufahrig und jähzornig den
alten Martin prügeln wollte, ohne daß dieser etwas Ungewöhn-
liches gethan, das war gar nicht mehr ihr Franz von ehe-
mals! Der alte Trunkenbold hatte ihn gewiß mit einem Mäd-
chen drunten im Dorfe bekannt gemacht, und jetzt geht die Ge-
schichte nicht wie sie soll, und dafür hat der Mart in Schlüge
gekriegt, und das schadet ihm gar nichts und so weiter.
Franz kam langsam durch die Thüre herein; er erwie-
derte Nichts auf Mariens kaum hörbaren guten Morgen,
keins wagte das Andere anzuschen, sondern mit klopfendem
Herzen, hochrothen Wangen und finsteren Blicken saßen sie ein-
ander gegenüber und rührten in der Suppe. Der alte Mattin
kam gar nicht herauf, sondern lief doppelt so stark als gewöhn-
lich, prustend, schnaubend und tappend unter dem Fenster auf
und ab. Alles war anders, als sonst. Nach einer Weile
stand Marie, ohne einen Bisten zu esten, auf, und trat an
die Fensteröffnung. Franz blickte verstohlen nach ihr hinüber,
er sah eine große blitzende Thräne fallen; das hatte sie ihm
verbergen wollen. Ach, sie hatte ihn ja wieder so lieb, sie
hatte ja so viel von ihm geträumt, und jetzt war er so ver-
drießlich und widerwärtig, wie wehe mußte ihr das thun!
Unwillkührlich stand er auf, und stellte sich, nur flüchtig
sie anblickend, dicht neben ihr hin ans Fenster. Wenn er ihr
auch nicht seine Liebe gestehen durfte, weil er sie nicht hei-
rathen konnte, warum sollte er denn unsteundlich gegen sie
sein? warum sollte er sie nicht trösten, es war ja nichts
vorgefallen? warum sollte er nicht gegen sie sein ganz wie
früher? — Erst einen Kuß, dann guten Morgen liebe Ma-
rie. Sei mir nicht böse, weil ich heut Morgen so wider-
wättig bin, ich habe nicht gut geschlafen, es war so heiß,
die Mucken haben so arg gebrummt in meinem Zimmer,
sonst ist gar nichts vorgefallen. Komm laß uns unsere
Suppe esten und dann lustig an die Arbeit. Dem alten
Martin schenke ich meine Sonntagskleider, da ist er auch
Die magij
auf den Leib bringe, der ganzereine Judenseelen-Zauber
vernichtet ist, und ich nie werde hexen können, wenn ich mir
auch, wie ich wünsche und hoffe, in meinen alten Tagen das
Trinken abgewöhnen sollte! Mit der Hochzeit, das schlagt
euch aber aus dem Sinne. So seid ihr junges Volk, gestern
verliebt, und heute soll's schon geheirathet sein. — Liebes Kind,
Heirathen kostet Geld, viel, viel Geld! Da mußt du einen
Tauf-, Pocken-, Confirmations-, Heimaths- und Militärfreiheits-
Schein haben. Ferner, wenn du auch nie dieses Kloster ver-
lassen hast, so muß doch der Herr Pfarrer an dreien Sonnta-
gen dich von der Kanzel werfen, das heißt, er muß stagen, ob
nicht ein anderes Mädchen Etwas gegen deine Heirath einzu-
wenden hat, weil du ihr schon früher die Ehe versprochen.
„Das thut der Herr Pfarrer wieder nicht umsonst; dann
mußt du Bürger werden, mußt einen Ansäffigmachungs-, Ge-
werbs- und Ehe-Consens haben, und endlich für's Trauen selbst
verlangt der Herr Pfarrer wieder Geld und sein Küster dazu,
und dann für die Hochzeit muß doch ein Braten, ein Kuchen,
und viel, viel guter Wein daher, und selbst wenn du für all
dieses mit der Zeit Geld auftreiben könntest, was gar nicht
möglich ist, selbst wenn ich mir das Trinken noch einmal ab-
gewöhnen sollte, was wiederum nicht sehr wahrscheinlich ist, so
kommen am Ende Kinder, und Kinder, die wollen getauft, er-
zogen, confirmirt und ausgesteuert sein, was noch viel mehr
Geld kostet; kurz du mußt dir die Sache wieder aus dem Kopfe
schlagen."
„Das kann ich nicht, das will ich nicht, das werd' ich
nicht!" schrie Franz außer sich vor Wuth, und packte den Al-
ten so derb an, daß deffen so schon überspannte Kleider in allen
Richtungen Riffe bekamen; „ehe das geschieht, schmeiß ich dich
und das Kloster und die ganze Welt zusammen." — „Franz!"
tönte hell und versöhnlich Mariens Stimme aus dem Refek-
torium herunter, „bist du dort unten? ich glaubte, du triebst
dich noch immer im Walde herum, und war schon recht besorgt,
und ungeduldig, weil du mich so lange warten ließest; komm
doch herauf, die Suppe wird kalt." Und in der That, wie
fröhlich war Marie aufgestanden, denn wenn sie auch nicht
recht mehr gewußt hatte, wovon sie die Nacht geträumt, so
hatte sie doch das Nachgesühl eines sehr schönen Traumes ge-
habt, und wußte sie anderer Seits auch seit gestern, ohne daß
sie Jemand darum gefragt, wie lieb, wie recht von Herzen lieb
sie den Franz hätte.
Aber hatte sie Franz auch wieder lieb? war er nicht
gerade seit gestern so zerstreut und kurios, und gleich nach dem
Esten war er sottgelauscn und die ganze Nacht ausgcblieben!
Diese ersten, wenn auch noch sehr unklaren Anfänge von Ei-
fersucht hatten der Marie ihre Liebe zum Bewußtsein gebracht,
und die schönen Träume dieser Nacht, der helle Morgen-Son-
nenschein und ein vertrauungsvolles Gebet hatten auch dieses
chen Küsse.
erste Mißtrauen Mariens gegen Franzens Treue schnell
wieder entfernt; aber als er jetzt auch beim Frühstück auf sich
matten ließ, und dann wieder so zufahrig und jähzornig den
alten Martin prügeln wollte, ohne daß dieser etwas Ungewöhn-
liches gethan, das war gar nicht mehr ihr Franz von ehe-
mals! Der alte Trunkenbold hatte ihn gewiß mit einem Mäd-
chen drunten im Dorfe bekannt gemacht, und jetzt geht die Ge-
schichte nicht wie sie soll, und dafür hat der Mart in Schlüge
gekriegt, und das schadet ihm gar nichts und so weiter.
Franz kam langsam durch die Thüre herein; er erwie-
derte Nichts auf Mariens kaum hörbaren guten Morgen,
keins wagte das Andere anzuschen, sondern mit klopfendem
Herzen, hochrothen Wangen und finsteren Blicken saßen sie ein-
ander gegenüber und rührten in der Suppe. Der alte Mattin
kam gar nicht herauf, sondern lief doppelt so stark als gewöhn-
lich, prustend, schnaubend und tappend unter dem Fenster auf
und ab. Alles war anders, als sonst. Nach einer Weile
stand Marie, ohne einen Bisten zu esten, auf, und trat an
die Fensteröffnung. Franz blickte verstohlen nach ihr hinüber,
er sah eine große blitzende Thräne fallen; das hatte sie ihm
verbergen wollen. Ach, sie hatte ihn ja wieder so lieb, sie
hatte ja so viel von ihm geträumt, und jetzt war er so ver-
drießlich und widerwärtig, wie wehe mußte ihr das thun!
Unwillkührlich stand er auf, und stellte sich, nur flüchtig
sie anblickend, dicht neben ihr hin ans Fenster. Wenn er ihr
auch nicht seine Liebe gestehen durfte, weil er sie nicht hei-
rathen konnte, warum sollte er denn unsteundlich gegen sie
sein? warum sollte er sie nicht trösten, es war ja nichts
vorgefallen? warum sollte er nicht gegen sie sein ganz wie
früher? — Erst einen Kuß, dann guten Morgen liebe Ma-
rie. Sei mir nicht böse, weil ich heut Morgen so wider-
wättig bin, ich habe nicht gut geschlafen, es war so heiß,
die Mucken haben so arg gebrummt in meinem Zimmer,
sonst ist gar nichts vorgefallen. Komm laß uns unsere
Suppe esten und dann lustig an die Arbeit. Dem alten
Martin schenke ich meine Sonntagskleider, da ist er auch
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die magischen Küsse"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 1.1845, Nr.17, S.130
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg