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Der Weise und der Narr.
Der Sieger aber warf die beiden Freunde,
Den Weisen und den Narren, in den Kerker,
Denn beide hatten frei und wagemuthig
Des landvertrieb'nen Fürsten Recht vertheidigt.
Und weil der Fürst nun hoffte, aus den Reden
Der beiden Männer Dinge zu vernehmen
Zum Schaden des verjagten Gegners und
Zum eig'nen Nutzen, ließ er die Gefang'nen
Von einem seiner Höflinge belauschen. —
— Es saß der Fürst mit seinem jungen Weibe
Im traulichen Gespräch — da nahte sich
Der Hofmann, um von seinem Horcheramt
Zum ersten Male den Bericht zu bringen. —
Und Fürst und Fürstin hörten mit Begier. —
„Die Beiden stritten", so begann der Schranze,
„Und ihres Streites Ursach' scheint mir die,
Daß Einer ihres Fürsten Untergang
Auf Weibertücke schob, indeß der Andere
Dem heftig widersprach. „Die Weiber alle", —
So hörte ich den Einen sagen, — „alle
Sind falsch und treulos, und für einen Fremden,
Der ihnen schmeichelt, opfern sie den Freund!" -
„„Wie? Alle Weiber?! O, wie ungerecht!"" —
„Vielleicht war eine 'mal aus Laune treu!" —
„„Ich sage Dir, es gibt kein wahres Glück
Auf dieser Erde ohne Frauenliebe!"" —
„Das Glück, das sie mit Blicken, halben Worten,
Mit Seufzern, Händedruck und süßem Tändeln
Uns zu verheißen scheinen? Netze sind es,
Sich Opfer einzufangen. Doch vielleicht
Begnügen manche sich mit einem Opfer!" —
,,„O Freund"", entgegnete der Andere nun,
„„Wenn man getreue Liebe offen sähe,
War' sie wohl mindertreu. Und im Geheimen
Wirkt Weibertreue. Still, ergeben,
Geduldig ohne Gleichen, sich vergessend
Und Alles um sich her, lebt sie und strebt
Für Einen nur, für ihn!"" — Dagegen wieder
Warf Jener manches ein; und also stritten
Die Beiden noch geraume Zeit, — der Eine
Die Frauen herrlich preisend, und der Andere
Sie bitter schmähend."-
„Sagt mir nun", begann
Die Fürstin jetzt, „wer von den Beiden
Hat mein Geschlecht geschmäht und wer gepriesen?
Was sprach der Weise und was sprach der Narr?" —
„Das weiß ich nicht, o Fürstin, denn die Mauer
Ließ meine Blicke nicht hindurch und dämpfte
Zum gleichen Flüstern beider Stimmen Ton." —
„Führt mir die Beiden her!" befahl der Fürst.
Der Hofmann eilt zum Kerker, um alsbald
Zurückzukehren mit der trüben Botschaft:
„Sie sind cntfloh'n!" — Vom Zorn des Fürstenpaares
Und eig'ner Wuth getrieben, hetzt der Schranze
Nun hinter den Entfloh'ncn her. Umsonst
Verfolgt er sie bis heute, und im Lande
Lebt unentschieden heute noch der Streit:
Was sprach der Weise und was sprach der Narr?
2Ub. Roderich.
Hochgalant.
„Fräulein Anna, Sie sind heute reizend!.. Sehen Sie,
sogar der Mond -- macht Ihnen den Hof!"
Der Weise und der Narr.
Der Sieger aber warf die beiden Freunde,
Den Weisen und den Narren, in den Kerker,
Denn beide hatten frei und wagemuthig
Des landvertrieb'nen Fürsten Recht vertheidigt.
Und weil der Fürst nun hoffte, aus den Reden
Der beiden Männer Dinge zu vernehmen
Zum Schaden des verjagten Gegners und
Zum eig'nen Nutzen, ließ er die Gefang'nen
Von einem seiner Höflinge belauschen. —
— Es saß der Fürst mit seinem jungen Weibe
Im traulichen Gespräch — da nahte sich
Der Hofmann, um von seinem Horcheramt
Zum ersten Male den Bericht zu bringen. —
Und Fürst und Fürstin hörten mit Begier. —
„Die Beiden stritten", so begann der Schranze,
„Und ihres Streites Ursach' scheint mir die,
Daß Einer ihres Fürsten Untergang
Auf Weibertücke schob, indeß der Andere
Dem heftig widersprach. „Die Weiber alle", —
So hörte ich den Einen sagen, — „alle
Sind falsch und treulos, und für einen Fremden,
Der ihnen schmeichelt, opfern sie den Freund!" -
„„Wie? Alle Weiber?! O, wie ungerecht!"" —
„Vielleicht war eine 'mal aus Laune treu!" —
„„Ich sage Dir, es gibt kein wahres Glück
Auf dieser Erde ohne Frauenliebe!"" —
„Das Glück, das sie mit Blicken, halben Worten,
Mit Seufzern, Händedruck und süßem Tändeln
Uns zu verheißen scheinen? Netze sind es,
Sich Opfer einzufangen. Doch vielleicht
Begnügen manche sich mit einem Opfer!" —
,,„O Freund"", entgegnete der Andere nun,
„„Wenn man getreue Liebe offen sähe,
War' sie wohl mindertreu. Und im Geheimen
Wirkt Weibertreue. Still, ergeben,
Geduldig ohne Gleichen, sich vergessend
Und Alles um sich her, lebt sie und strebt
Für Einen nur, für ihn!"" — Dagegen wieder
Warf Jener manches ein; und also stritten
Die Beiden noch geraume Zeit, — der Eine
Die Frauen herrlich preisend, und der Andere
Sie bitter schmähend."-
„Sagt mir nun", begann
Die Fürstin jetzt, „wer von den Beiden
Hat mein Geschlecht geschmäht und wer gepriesen?
Was sprach der Weise und was sprach der Narr?" —
„Das weiß ich nicht, o Fürstin, denn die Mauer
Ließ meine Blicke nicht hindurch und dämpfte
Zum gleichen Flüstern beider Stimmen Ton." —
„Führt mir die Beiden her!" befahl der Fürst.
Der Hofmann eilt zum Kerker, um alsbald
Zurückzukehren mit der trüben Botschaft:
„Sie sind cntfloh'n!" — Vom Zorn des Fürstenpaares
Und eig'ner Wuth getrieben, hetzt der Schranze
Nun hinter den Entfloh'ncn her. Umsonst
Verfolgt er sie bis heute, und im Lande
Lebt unentschieden heute noch der Streit:
Was sprach der Weise und was sprach der Narr?
2Ub. Roderich.
Hochgalant.
„Fräulein Anna, Sie sind heute reizend!.. Sehen Sie,
sogar der Mond -- macht Ihnen den Hof!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Weise und der Narr" "Hochgalant"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 103.1895, Nr. 2619, S. 134
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg