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Die Festrede.

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Hof hinaus. Dort war er voll und
ganz in Anspruch genommen, denn die
Festversammlnng mußte ordnungsgemäß
aufgestellt werden. Es kostete große
Mühe, die Mütter der sechs Ehreujung-
franen in den Hintergrund zu drängen;
das Musikcorps mußte bald oben, bald
unten Stellung nehmen. Dein Bürger-
meister rann der Schweiß von der
Stirne. Plötzlich hieß es: „der Zug
kommt!" Ein jäher Schreck durchzuckte
den Herrn Bürgermeister. „Durchlaucht,
geben S' auf die Leute Acht!" sagt er
zum Polizeisoldaten, dann stellt er sich
vor die Front der Versammlung. Der
Zug brauste herein. Alle Häupter ent-
blößten sich, als das hochfürstliche Paar
dem Salonwagen entstieg; die Damen
knixten, die Herren krümmten sich. Nun
trat der Bürgermeister vor und be-
gann: „Durchlanchigste Herrschaften!"..

Pause. Rasch nahm er den Hut vor
das Gesicht — was war das? Kein cin-
gepappter Zettel war darin, nur schwarzes
Seidenfutter mit Firmenausdruck. Dem
Guten schwindelte. — „Durchlauchtigste
Herrschaften!" begann er wieder. „Wir preisen den Tag, au dem —
die Einwohner dieses Marktes durch die Ankunft — Euer Hochwohl-
geborcn — aus Freude — Alles versetzt haben wir freuen uns
sehr — unendlich — über alle Maßen" — „Wir gleichfalls, Herr
Bürgermeister", unterbrach ihn der Thronfolger lächelnd. „Ich danke
Ihnen zugleich Namens meiner Gemahlin und bitte, diesen Dank
der ganzen Bevölkerung zu übermitteln!" Daun drückte er dem
erschöpften Bürgermeister die Hand und wandte sich zu den Ehren-

Dich der Thronfolger nicht so schnell unterbrochen hätte! Aber daß
man Dir im Nachhausegehen den Cylindcr angetrieben hat, war
unanständig von den Leuten!" — Das Dejeuner verlief großartig!
Vierzehn Tage später traf ein Orden für den Bürgermeister ein.

jungfrauen. Der Amtsrichter hatte die Geistesgegenwart, das ver-
gessene „Hoch" zu iutoniren; das Volk schrie, die Musik schmetterte
einen Tusch und dann sangen die Schulkinder „Heil Dir rc." Die
hohen Gäste stiegen in den bercitstchcnden Wagen und fuhren zum
Gasthof, um dort ein Frühstück einzunehmen. Der Bürgermeister
wankte niedergcschmettcrt nach Hause. Dort hielt er fürchterliche
Musterung. Als er den Sachverhalt erfuhr, wollte er zuerst als
Standesbeamter die Scheidung von seiner Gattin sofort vornehmen.
Da aber dieses nicht anging, ließ er seine
Wuth an dem unseligen Hut ans. Er warf
ihn zu Boden und sprang mit beiden Füßen
darauf herum. In dieser Beschäftigung
wurde er durch den Eintritt eines — Hof-
lakaicn unterbrochen. „Durchlaucht lassen
den Herrn Bürgermeister zum dejeuner
dlnatöire bitten I Aber sofort!"

„Herrschaft — mein Cylinderl" mur-
melte er und hob den gemarterten Filz
schnell, vom Boden auf, streichelte ihn zärt-
lich und eilte dem Boten nach. Unterwegs
schloß sich ihm der gleichfalls eingeladene
Oberamtsrichter an. „Aber Bürgermeister!"
sprach dieser zu ihm, „das ist doch ein
Skandal, mit einem solchen Hut zu Hof zu
gehen!" — „Der Hut ist nagelneu," seufzte
der Bürgermeister — „und das war mein
Unglück!" Der würdige Beamte sah ihn er-
staunt an und sagte dann theilnahmsvoll:

„Nimnl Dir's nicht so zu Herzen! Deine
Ansprache wäre sehr hübsch gewesen, wenn

Freudestrahlend zeigte er seiner Gattin das blinkende Kleinod.
„Siehst Du", sagte diese mit bedeutungsvoller Betonung, „es ist
gegangen, wie ich hoffte; — aber einem Menschen mit einem
schäbigen Cylindcr hätte man diesen schönen Orden nicht geschickt!"

- ß. Rauchenegger.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Festrede"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flashar, Max
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 107.1897, Nr. 2716, S. 65

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