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Nur ctuc Frage.
weiser Herrscher aus dem
|jpa Morgenlande bestätigte kein
Todesurtheil, ohne daß er den
Verurtheilten vorher zn sich kommen
ließ und mit ihm seine That be-
sprach. Nach dem Eindrücke, welchen
er dadurch selbst von der That ge-
wann, fällte er dann seine Entscheid-
ung.
Nun war einstmals in seinen
Landen ein Mord mit besonderer
Grausamkeit vollführt worden und
der Thäter znm Tode vernrtheilt.
Als es sich nun darum handelte, das
Urtheil zu bestätigen, ließ der Fürst
nach seiner Gewohnheit den Ver-
brecher vor sich führen. Dieser, ein
großer, starker Mann, erschien in
Ketten, von Wächtern umgeben. Und da er doch auf keine Gnade
rechnete, blickte er seinen Gebieter finster und trotzig an.
„Dies Pergament", begann der Fürst, „welches Dn in meiner
Hand erblickst, enthält den genauen Bericht über Deine Gerichts-
verhandlung. Es geht daraus hervor, daß Du überführt bist, Deine
Frau, welche Dich betrog, ans das Grausamste getöbtet zn haben!"
„Erstochen habe ich sie", brüllte der Mdrder in wilder Wuth,
„immer wieder und wieder das
Messer ihr in die Brust gestoßen,
bis meine Hand erlahmte!"
Die Wächter traten näher an
den Verbrecher heran und blickten
den Gebieter fragend an.
„Nur eine Frage", fuhr der
Fürst gelassen fort, „haben Deine
Richter an Dich zu stellen vergessen,
und dcßhalb stelle ich als Dein oberster
und letzter Richter ans Erden diese
Frage an Dich. So beantworte mir
denn die eine Frage, Du verruchter
Verbrecher: Hast Du sie denn
geliebt?"
Wie mit einem Schlage ver-
änderten sich die eben noch so trotz-
igen Mienen des Mannes, wie von
einer Keule getroffen, sank er zurück. Vergessen war seine schreck-
liche Lage, vergessen der furchtbare Ernst der Stunde. Denn vor
seinem verzückten Auge erschien das holde Bild seiner Frau in ihrer
einstigen Reinheit. „Ob ich sie geliebt habe?" flüsterte er mit
seligem Lächeln; „0 mein Fürst, mit jeder Faser meines Herzens!
Sie war der Sonnenschein, das Glück meines Lebens. Wenn ich,
von harter Arbeit müde, von Deinem Bergwerke kam, da bin ich
Nur ctuc Frage.
weiser Herrscher aus dem
|jpa Morgenlande bestätigte kein
Todesurtheil, ohne daß er den
Verurtheilten vorher zn sich kommen
ließ und mit ihm seine That be-
sprach. Nach dem Eindrücke, welchen
er dadurch selbst von der That ge-
wann, fällte er dann seine Entscheid-
ung.
Nun war einstmals in seinen
Landen ein Mord mit besonderer
Grausamkeit vollführt worden und
der Thäter znm Tode vernrtheilt.
Als es sich nun darum handelte, das
Urtheil zu bestätigen, ließ der Fürst
nach seiner Gewohnheit den Ver-
brecher vor sich führen. Dieser, ein
großer, starker Mann, erschien in
Ketten, von Wächtern umgeben. Und da er doch auf keine Gnade
rechnete, blickte er seinen Gebieter finster und trotzig an.
„Dies Pergament", begann der Fürst, „welches Dn in meiner
Hand erblickst, enthält den genauen Bericht über Deine Gerichts-
verhandlung. Es geht daraus hervor, daß Du überführt bist, Deine
Frau, welche Dich betrog, ans das Grausamste getöbtet zn haben!"
„Erstochen habe ich sie", brüllte der Mdrder in wilder Wuth,
„immer wieder und wieder das
Messer ihr in die Brust gestoßen,
bis meine Hand erlahmte!"
Die Wächter traten näher an
den Verbrecher heran und blickten
den Gebieter fragend an.
„Nur eine Frage", fuhr der
Fürst gelassen fort, „haben Deine
Richter an Dich zu stellen vergessen,
und dcßhalb stelle ich als Dein oberster
und letzter Richter ans Erden diese
Frage an Dich. So beantworte mir
denn die eine Frage, Du verruchter
Verbrecher: Hast Du sie denn
geliebt?"
Wie mit einem Schlage ver-
änderten sich die eben noch so trotz-
igen Mienen des Mannes, wie von
einer Keule getroffen, sank er zurück. Vergessen war seine schreck-
liche Lage, vergessen der furchtbare Ernst der Stunde. Denn vor
seinem verzückten Auge erschien das holde Bild seiner Frau in ihrer
einstigen Reinheit. „Ob ich sie geliebt habe?" flüsterte er mit
seligem Lächeln; „0 mein Fürst, mit jeder Faser meines Herzens!
Sie war der Sonnenschein, das Glück meines Lebens. Wenn ich,
von harter Arbeit müde, von Deinem Bergwerke kam, da bin ich
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ballgespräch" "Nur eine Frage"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 107.1897, Nr. 2716, S. 71
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg