98
Stammtisch-Geschichten rc.
nich bei d'r Hand, aber er
weeß sich ze helfen: Wubb
springt 'r in 'n Laden,
reißt eene lange, harte
Servelatworscht runter un'
bearbeidet mein'n Gcenig
dadermit, daß es nur so
änne Art hatte uu'Geeuig'n
seine Nase beinah selbst
wie eine Servelatworscht
aus sah.
Awcr als Ginstler
war er groß un' brachte
m'r viel ein. Uu' doch
mußt 'ch 'u wegschicken!
Un' das gam so: Ich hadde
damals mei Garliuicheu,
meine dridde Frau, ge-
heiratet. 'S war Sie ä ceuziges Frauenzimmerchen, wie ä Borsch-
dorfcr Äbblichen, so frisch un roth. Nadirlich war bald mei Gecnig
wie d'r Deisel hinder de arme Seele hinder mein Garliuichen her.
Ich baßde nu' auf wie ä Heftelmacher, gönnte aber lauge uischt
weise kriegen. So verging ä ganses Weilichen. Endlich addrabbirt'
'ch 'n mit ihr. — Nu hadde Geenig bei mir eene sehr hohe Gage,
.wechentlich vier Dhaler — eegentlich ä Sindengeld! Eee baar Dage
nach meiner Entdeckung war Gagcdag. Mei Geenig gommt zu mir
auf's Biro un' stellt sich so recht unschuldig vor mich hin. Ich zähle
ihm de Gage auf'» Disch, aber anstatt vier Dhaler bloß dreie, un'
das in lauter Zweeneigroschcnstickchcn. Warte, dacht 'ch, hast de
mir ä Bossen gespielt, spiel ich d'r ooch eenen! „Herr Director,"
sagt da Geenig in euner Margih-Bosa-Stellung, „ich muß mich sehr
wundern, daß Sie mich in dieser schnöden Münze auszahlen l
Übrigens fehlt ein Thalcr daran!" Härnse, nu' war Sie awer
meine Geduld beinahe er-
schepfd. Ich mußte mich mit
Miehezesamm nehmen, am
liebsten hütt 'ch 'n zcr-
meerschelt.
„Geenig," sagt 'ch,
„ich habe dorch's Schlissel-
loch geguckt, wie Sie mit
mein Garliuichen allerlee
Faxen gemacht haben, wie
Se sehre zärdlich mit sc
geworden sein, wie Se
mein Garliuichen umarmt
uu' gegißt haben! Das Alles habe ich dorch's Schlisselloch gesehn!
Daderfor ziehe ich Se heite eenen Dhaler ab. Bassirt m'rsch noch
ä Mal, gost's z w e e un's dridde Mal wär'n Se zum Deisel gejagd.
Verstehn Se mich?!" 'S dauerde ooch nich lange, da mußt 'ch 'n
zwee Dhaler abziehn un' endlich fortjagcn.
Gecnig'n sein Nachfolger war ä gewisser Honigmann. Er hadde
änne zu große Gehle un alle algoholische Flissiggeeden rutschden bei
ihm nur so nunter. Manchmal konnt'r gaum grade auf der Biehne
stehn un' daderbei bassirtcn denn allerlee Unzudräglichgeedcn, wie m'r
gleich sehn wär'n. Er war ooch Sänger. So sang 'r den Gasber
in'n Freischitz. War Gcenig nu' zu zärdlich mit mein Garlinichen
gewäs'n, so war Honigmaun zu grob gegen se, ja gradezu gift'g un'
unverschämt. Un das fiehrte endlich zun: selben Resultat, wie bei
Geenigen — ich mußt'n entlassen.
Ee Mal, als m'r 'n Freischitz gab'», sitzt Sic so ä ahler Bauern-
rungs mit seiner Ahlen unten im Bargett. 's war de letzte Vor-
stellung in d'r Säsong, so Anfang Juni, de Hei-Erndte hatte schon
angefang'n.
Nu' hatt'ch m'r enne wunderscheene Donnermaschine gonstruird,
's war reene, als ob m'r merklichen Donner Heerte. In de Wolf-
schluchtscene lasse ich also meine Donnermaschine arbeiten. Mit ce
Mal schreit d'r ahle Bauerudoffel mitten in's Stick: „Mutter, Mutter,
unser Hei! 's gommt ä Gewiddcr"!
Wie d'r Deisel ans d'r Schnubb-
dabaksdose hubbd'r in de Hcehe,
iebcr alle Menschen weg, 'naus
ging's, seine Ahle hinderher.
Das war nu' eine große Stcerung,
awcr 's sollte noch schlimmer
gommen.
Mein Honigmann gießt ruhig
seine Freigugeln un' macht allen
Zauberspuk mit, nur, daß'r wieder
ä ural bedenklich hin und her
wackelte. Aber als de wilde Sau
ieber de Biehne geraunt gommt
uh' das Feier ihr aus Maul un'
Risscl herausspricht, springt
Honigmann auf ec Mal in de
Heche, macht vor d'r wilden Sau enne diese Berbeigung, zieht 'n
Hut ab bis arrf de Erde un' sagt so laut, daß es alle Leite im
Zuschauerraum Heeren genn': „Ei, scheenen guden Abend ooch, meine
verehrdeste Frau Direkder Bibberlingen! Wo woll'n S'n heite Abend
noch so späte hin? Wenn Se sich nur nich am Ende in d'r fcichden
Nachtluft vergiehlen un' ä Schnubben holen"! — Na, den Dcebs
genn' Se sich vorstellen. Nadierlich gab'ch meinen Honigmann noch
denselben Abend sein' Loofbaß.
Stoßseufzer.
Ißan sagt es oft mit viel Behagen:
„Im Wein liegt Wahrheit nur allein."
Ach könnte man doch heute sagen:
„Wahrheit steht immer auf dem Wein."
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Stammtisch-Geschichten rc.
nich bei d'r Hand, aber er
weeß sich ze helfen: Wubb
springt 'r in 'n Laden,
reißt eene lange, harte
Servelatworscht runter un'
bearbeidet mein'n Gcenig
dadermit, daß es nur so
änne Art hatte uu'Geeuig'n
seine Nase beinah selbst
wie eine Servelatworscht
aus sah.
Awcr als Ginstler
war er groß un' brachte
m'r viel ein. Uu' doch
mußt 'ch 'u wegschicken!
Un' das gam so: Ich hadde
damals mei Garliuicheu,
meine dridde Frau, ge-
heiratet. 'S war Sie ä ceuziges Frauenzimmerchen, wie ä Borsch-
dorfcr Äbblichen, so frisch un roth. Nadirlich war bald mei Gecnig
wie d'r Deisel hinder de arme Seele hinder mein Garliuichen her.
Ich baßde nu' auf wie ä Heftelmacher, gönnte aber lauge uischt
weise kriegen. So verging ä ganses Weilichen. Endlich addrabbirt'
'ch 'n mit ihr. — Nu hadde Geenig bei mir eene sehr hohe Gage,
.wechentlich vier Dhaler — eegentlich ä Sindengeld! Eee baar Dage
nach meiner Entdeckung war Gagcdag. Mei Geenig gommt zu mir
auf's Biro un' stellt sich so recht unschuldig vor mich hin. Ich zähle
ihm de Gage auf'» Disch, aber anstatt vier Dhaler bloß dreie, un'
das in lauter Zweeneigroschcnstickchcn. Warte, dacht 'ch, hast de
mir ä Bossen gespielt, spiel ich d'r ooch eenen! „Herr Director,"
sagt da Geenig in euner Margih-Bosa-Stellung, „ich muß mich sehr
wundern, daß Sie mich in dieser schnöden Münze auszahlen l
Übrigens fehlt ein Thalcr daran!" Härnse, nu' war Sie awer
meine Geduld beinahe er-
schepfd. Ich mußte mich mit
Miehezesamm nehmen, am
liebsten hütt 'ch 'n zcr-
meerschelt.
„Geenig," sagt 'ch,
„ich habe dorch's Schlissel-
loch geguckt, wie Sie mit
mein Garliuichen allerlee
Faxen gemacht haben, wie
Se sehre zärdlich mit sc
geworden sein, wie Se
mein Garliuichen umarmt
uu' gegißt haben! Das Alles habe ich dorch's Schlisselloch gesehn!
Daderfor ziehe ich Se heite eenen Dhaler ab. Bassirt m'rsch noch
ä Mal, gost's z w e e un's dridde Mal wär'n Se zum Deisel gejagd.
Verstehn Se mich?!" 'S dauerde ooch nich lange, da mußt 'ch 'n
zwee Dhaler abziehn un' endlich fortjagcn.
Gecnig'n sein Nachfolger war ä gewisser Honigmann. Er hadde
änne zu große Gehle un alle algoholische Flissiggeeden rutschden bei
ihm nur so nunter. Manchmal konnt'r gaum grade auf der Biehne
stehn un' daderbei bassirtcn denn allerlee Unzudräglichgeedcn, wie m'r
gleich sehn wär'n. Er war ooch Sänger. So sang 'r den Gasber
in'n Freischitz. War Gcenig nu' zu zärdlich mit mein Garlinichen
gewäs'n, so war Honigmaun zu grob gegen se, ja gradezu gift'g un'
unverschämt. Un das fiehrte endlich zun: selben Resultat, wie bei
Geenigen — ich mußt'n entlassen.
Ee Mal, als m'r 'n Freischitz gab'», sitzt Sic so ä ahler Bauern-
rungs mit seiner Ahlen unten im Bargett. 's war de letzte Vor-
stellung in d'r Säsong, so Anfang Juni, de Hei-Erndte hatte schon
angefang'n.
Nu' hatt'ch m'r enne wunderscheene Donnermaschine gonstruird,
's war reene, als ob m'r merklichen Donner Heerte. In de Wolf-
schluchtscene lasse ich also meine Donnermaschine arbeiten. Mit ce
Mal schreit d'r ahle Bauerudoffel mitten in's Stick: „Mutter, Mutter,
unser Hei! 's gommt ä Gewiddcr"!
Wie d'r Deisel ans d'r Schnubb-
dabaksdose hubbd'r in de Hcehe,
iebcr alle Menschen weg, 'naus
ging's, seine Ahle hinderher.
Das war nu' eine große Stcerung,
awcr 's sollte noch schlimmer
gommen.
Mein Honigmann gießt ruhig
seine Freigugeln un' macht allen
Zauberspuk mit, nur, daß'r wieder
ä ural bedenklich hin und her
wackelte. Aber als de wilde Sau
ieber de Biehne geraunt gommt
uh' das Feier ihr aus Maul un'
Risscl herausspricht, springt
Honigmann auf ec Mal in de
Heche, macht vor d'r wilden Sau enne diese Berbeigung, zieht 'n
Hut ab bis arrf de Erde un' sagt so laut, daß es alle Leite im
Zuschauerraum Heeren genn': „Ei, scheenen guden Abend ooch, meine
verehrdeste Frau Direkder Bibberlingen! Wo woll'n S'n heite Abend
noch so späte hin? Wenn Se sich nur nich am Ende in d'r fcichden
Nachtluft vergiehlen un' ä Schnubben holen"! — Na, den Dcebs
genn' Se sich vorstellen. Nadierlich gab'ch meinen Honigmann noch
denselben Abend sein' Loofbaß.
Stoßseufzer.
Ißan sagt es oft mit viel Behagen:
„Im Wein liegt Wahrheit nur allein."
Ach könnte man doch heute sagen:
„Wahrheit steht immer auf dem Wein."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Stammtisch-Geschichten des Schmierendirectors Bibberling aus Botschappel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 107.1897, Nr. 2719, S. 98
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg