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entgegen, und ein kleiner Bub' hielt ein Schächtelchen empor.
„Ein Goldkäfer!" jubelte er. — „Ein Goldkäfer!" schrien sie
durcheinander. „Mir haben einen Goldkäfer gefangen I"
Unwirsch wandte sich der Gelehrte ab und brummte: „Törich-
ter Lärm!"
„Das ist Jugend I" sagte der Dichter. —
Und sie kamen an einen Garten. Dort in der Laube saß
ein Liebespaar, schmerzlichen Abschied nehmend. Das Mädchen
schluchzte. Lr aber tröstete sie: „Sei mutig, Ännchen .... uns
gehört die Zukunft! Kehr' ich zurück, daun wird keine Macht
der Welt uns mehr trennen. Alles erzwingt die Liebe!"
Ls zuckte spöttisch um die Lippen des Gelehrten.
„Das ist Jugend I" flüsterte aber der Poet und zog ihn
leise fort. —
ZTun führte sie der Weg an einer Schenke vorbei. Lustig
ging es dort her. Becherklang und muntere Lieder. Sie schauten
durchs Lenster. Zwei fröhliche Gesellen hielten sich umschlungen
und der eine von ihnen rief: „Lin Lump will ich sein, Bruder-
herz, brech' ich Dir je die Freundschaft!"
Der weise Mann runzelte die Stirn.
Der Dichter indes sagte zu ihm: „Das ist Jugend!" und
warf noch einen Blick durch die Scheiben, ehe sie gingen. —
Golden lag das Ahrenfeld. Lin schönes Mädchen band
Garben dort. 3hr Baar leuchtete im Sonnenlicht — Frohsinn
blitzte aus ihren Hellen Augen — ihre Mangen blühten von Ge-
sundheit. Abseits — durch einen Baum geschützt — stand ein
graulockiger Künstler, das holde Naturkind bewundernd. „Mie
schön!" murmelte er eben, als sie vorübergingen.
„Das ist 3ugend" — sagte der Dichter — „trotz der grauen
Haare!"
Der Gelehrte schüttelte stumm den Kopf. Lr verstand seinen
Begleiter immer weniger. —
Als sie den Dorfrand erreichten, stand dort ein Leierkasten-
mann. Lr hatte nur ein Bein. An dem stark gestickten Rock
hingen Kriegsdenkmünzen. Der Poet schenkte dem Alten ein
Geldstück. „3hr habt wohl lange gedient?" frug er. „Zwanzig
3ahre, Herr!" entgegnete der Veteran. „Drei Kriege mitgemacht
— zweimal schwer verwundet worden! Aber es war doch eine
große, eine herrliche Zeit!" Und nun erzählte er und erzählte
.... von seinen Feldzügen .... von den Siegen .... von
seinem König .... seine Gestalt schien zu wachsen, seine Augen
flammten, als spiegle sich in ihnen noch einmal das Feuer der
Schlachten .... das Glück der Triumphe.
Der Meise sah bedenklich vor sich nieder, als sie vorwärts
schritten. „3ugend ist das" — sagte der Dichter — „echte
3»gend I" —
Am Schulhaus blieb der Gelehrte stehen und ereiferte sich.
„Sehen Sie", rief er zornig, „diese ungezogenen, nichtswürdigen
Rangen .... sogar auf dem Fensterladen der Schule karikieren
sie ihren Lehrer — so eine Keckheit ist unerhört!" Der alte
Schulmeister hielt im Geigenspiel ein, schaute heraus und sah
die Zeichnung. Dasselbe spitze Näschen wie er — und seine
Brille natürlich auch! Da lachte er herzlich und meinte: „Nicht
einmal übel getroffen!.. Was doch den Kindern alles einfällt!
Aber haben wir's nicht einmal gerade so gemacht? Lin über-
mütiges Völkchen das! Haben aber ihren Lehrer im Herzens-
grunde trotzdem gern.... die guten lustigen Buben!" — Noch
immer lächelnd, verwischte er mit dem Rockärmel sein Konterfei.
verblüfft hatte der Gelehrte zugehört und wandte sich nun
rasch und mürrisch nach der Stadt. „3»gend ist's, Verehrtesterl"
sagte der Poet neben ihm.
Aber der andere blieb stumm. Erst vor seiner Wohnung
sprach er ein paar Worte. „3ch muß 3h«en gestehen," erklärte
er, „ich bin durch 3^» Anschauungsunterricht — durch 3hre
lebenden Beispiele um nichts klüger geworden — ich weiß n o ch
immer nicht, was man unter 3«gend versteht!"
Der Dichter lächelte leise — fast traurig. „3a, ja", sagte
er und empfahl sich „sehen Sie: das ist eben das .... Alter!"
Armand de Toky.
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entgegen, und ein kleiner Bub' hielt ein Schächtelchen empor.
„Ein Goldkäfer!" jubelte er. — „Ein Goldkäfer!" schrien sie
durcheinander. „Mir haben einen Goldkäfer gefangen I"
Unwirsch wandte sich der Gelehrte ab und brummte: „Törich-
ter Lärm!"
„Das ist Jugend I" sagte der Dichter. —
Und sie kamen an einen Garten. Dort in der Laube saß
ein Liebespaar, schmerzlichen Abschied nehmend. Das Mädchen
schluchzte. Lr aber tröstete sie: „Sei mutig, Ännchen .... uns
gehört die Zukunft! Kehr' ich zurück, daun wird keine Macht
der Welt uns mehr trennen. Alles erzwingt die Liebe!"
Ls zuckte spöttisch um die Lippen des Gelehrten.
„Das ist Jugend I" flüsterte aber der Poet und zog ihn
leise fort. —
ZTun führte sie der Weg an einer Schenke vorbei. Lustig
ging es dort her. Becherklang und muntere Lieder. Sie schauten
durchs Lenster. Zwei fröhliche Gesellen hielten sich umschlungen
und der eine von ihnen rief: „Lin Lump will ich sein, Bruder-
herz, brech' ich Dir je die Freundschaft!"
Der weise Mann runzelte die Stirn.
Der Dichter indes sagte zu ihm: „Das ist Jugend!" und
warf noch einen Blick durch die Scheiben, ehe sie gingen. —
Golden lag das Ahrenfeld. Lin schönes Mädchen band
Garben dort. 3hr Baar leuchtete im Sonnenlicht — Frohsinn
blitzte aus ihren Hellen Augen — ihre Mangen blühten von Ge-
sundheit. Abseits — durch einen Baum geschützt — stand ein
graulockiger Künstler, das holde Naturkind bewundernd. „Mie
schön!" murmelte er eben, als sie vorübergingen.
„Das ist 3ugend" — sagte der Dichter — „trotz der grauen
Haare!"
Der Gelehrte schüttelte stumm den Kopf. Lr verstand seinen
Begleiter immer weniger. —
Als sie den Dorfrand erreichten, stand dort ein Leierkasten-
mann. Lr hatte nur ein Bein. An dem stark gestickten Rock
hingen Kriegsdenkmünzen. Der Poet schenkte dem Alten ein
Geldstück. „3hr habt wohl lange gedient?" frug er. „Zwanzig
3ahre, Herr!" entgegnete der Veteran. „Drei Kriege mitgemacht
— zweimal schwer verwundet worden! Aber es war doch eine
große, eine herrliche Zeit!" Und nun erzählte er und erzählte
.... von seinen Feldzügen .... von den Siegen .... von
seinem König .... seine Gestalt schien zu wachsen, seine Augen
flammten, als spiegle sich in ihnen noch einmal das Feuer der
Schlachten .... das Glück der Triumphe.
Der Meise sah bedenklich vor sich nieder, als sie vorwärts
schritten. „3ugend ist das" — sagte der Dichter — „echte
3»gend I" —
Am Schulhaus blieb der Gelehrte stehen und ereiferte sich.
„Sehen Sie", rief er zornig, „diese ungezogenen, nichtswürdigen
Rangen .... sogar auf dem Fensterladen der Schule karikieren
sie ihren Lehrer — so eine Keckheit ist unerhört!" Der alte
Schulmeister hielt im Geigenspiel ein, schaute heraus und sah
die Zeichnung. Dasselbe spitze Näschen wie er — und seine
Brille natürlich auch! Da lachte er herzlich und meinte: „Nicht
einmal übel getroffen!.. Was doch den Kindern alles einfällt!
Aber haben wir's nicht einmal gerade so gemacht? Lin über-
mütiges Völkchen das! Haben aber ihren Lehrer im Herzens-
grunde trotzdem gern.... die guten lustigen Buben!" — Noch
immer lächelnd, verwischte er mit dem Rockärmel sein Konterfei.
verblüfft hatte der Gelehrte zugehört und wandte sich nun
rasch und mürrisch nach der Stadt. „3»gend ist's, Verehrtesterl"
sagte der Poet neben ihm.
Aber der andere blieb stumm. Erst vor seiner Wohnung
sprach er ein paar Worte. „3ch muß 3h«en gestehen," erklärte
er, „ich bin durch 3^» Anschauungsunterricht — durch 3hre
lebenden Beispiele um nichts klüger geworden — ich weiß n o ch
immer nicht, was man unter 3«gend versteht!"
Der Dichter lächelte leise — fast traurig. „3a, ja", sagte
er und empfahl sich „sehen Sie: das ist eben das .... Alter!"
Armand de Toky.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Jugend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1904
Entstehungsdatum (normiert)
1899 - 1909
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 120.1904, Nr. 3071, S. 268
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg