Auf ihres Bettleins Grunde
Der sterbende Waldesfohn . . .
Oft hat mich krank geschossen
Des Schicksals Jägerfpeer;
Mein Herzblut kam geflossen -
Da schleppt' ich mich v/eltverdrossen
Zur Nixe des Brunnens her.
Sie stillte die brennenden Gluten,
Es mahnte ihr kühlender Hauch:
Geduld! Wie die Wasser verfluten
Des Lebens schönste Minuten -
Und feine schmerzlichsten auch!
0. Kernftock.
fy c I (c it = M arte t (.
c!fiw gab's ein Autler - Malheur, o Wandersmann,
Das heißt — nicht hier, sondern etwas nebenan;
Doch das Marterl, das man errichtet vor einigen Jahren,
Hat das nächste Aut gleich wieder kapnt gefahren.
Fr. Pr.
H Die Hauptsache. <-
Kalkulator (beim Antritt der Ferienreise zu seiner Wirt-
, >chafterin): . Und vor allen Dingen, Frau Müller, vergessen
Sie nicht, jeden Morgen vom Abreißkalender ein Blatt ab-
zureißen!"
- Er kenne die Sache!
123
dein Ferienzuge sind vom Norden her der Oberlehrer
ME.tr, Neppen, der Rentner Pahl und der Friseur Mallig nach
München gekommen. Endlich war der Vergnügungszug,
diese lsäringstonne auf Rädern, in der Bahnhofshalle angelangt
und Hunderte von wanderlustigen Menschen eilten den: Ausgang
zu, um die Schönheiten der Isarstadt kennen zu lernen.
Das vorbenannte Terzett hatte sich, vom Schicksal eng anein-
andergepreßt, auf der Reise kennen gelernt und war überein-
gekommen, sich nicht zu trennen, sondern gemeinsam zu forschen
und zu genießen.
Schon waren sie nahe daran, sich dem lvanderstrome anzu-
schließen, als Ulallig ein energisches „Halt!" erschallen ließ.
„Meine verehrten Feriengenossen — einen Augenblick I Sollen
wir uns als willenlose Mitglieder einer modernen Völker-
wanderung mitschleppen lassen oder wollen wir uns nicht lieber
auf die eijensten Füße stellen und den Ausflug in die Berge
sofort unternehmen?"
„Is inich schnuppe," entgegnete Pahl, „nur kecne Gipfel-
stürmerei mit Jemscnfang und ähnliche Veranstaltungen!"
„Bin auch nicht abgeneigt," fügte Rcppen bei, „aber unsere
Unkenntnis der Verhältnisse, Sitten und Gebräuche kann uns am
Ende manche Verlegenheit bereiten!"
„Gibt's nich'l Ich kenne die Sache!" versicherte Mallig. „Ich
habe schon sämtliche Bauerntheater frisiert und das Iebrauchtum
und sogar der Dialekt der Alpenonkels sind mir sozusagen in
Fleisch und Blut überjegangen!"
„Wirklich?" rief der phlegmatische Rentner aus. „Dann
man los!"
Mit dem nächsten Zug fuhr das Trio nach dem idyllischen
Schliersee. Zuerst kauften sich die Bergwanderer tüchtige Alpen
stöckc und betraten dann mit dieser Touristenlegitimation einen
Wirtsgarten, um sich vorher zu stärken. Die Kellnerin brachte
Bier, Brot, Butter, Wurst und Käse. Mallig übernahm das
Arrangement. „Sehen Sic, meine Herren," berichtete er, indem
er die Butter auf die Brotschnitten strich, „wie weit man hier
noch in der Kultur zurück ist, eene Stulle kennt man hier zu
Lande gar nich'l Leberknödel und sogenannte geselchte Knödel
bilden die hauptsächlichste und beliebteste Volksnahrung — als
Spezialität nämlich!"
„Was?" rief Pahl entsetzt aus, „nich' 'mal 'ne Stulle
kennt dieses arme Hirtenvolk, da ließe sich noch viel Iutes
wirken I"
Mit Andacht und Rührung nahmen sie die heimatliche
Stärkung ein und dann machten sie sich auf den Weg, um vor
Einbruch der Nacht noch ein am Fuße des Wendelstein gelegenes
Dorf zu erreichen. Mallig wurde nicht müde, unterwegs alles
zu erklären: die Bauernhäuser mit den steinbeschwerten Schindel-
11*
Der sterbende Waldesfohn . . .
Oft hat mich krank geschossen
Des Schicksals Jägerfpeer;
Mein Herzblut kam geflossen -
Da schleppt' ich mich v/eltverdrossen
Zur Nixe des Brunnens her.
Sie stillte die brennenden Gluten,
Es mahnte ihr kühlender Hauch:
Geduld! Wie die Wasser verfluten
Des Lebens schönste Minuten -
Und feine schmerzlichsten auch!
0. Kernftock.
fy c I (c it = M arte t (.
c!fiw gab's ein Autler - Malheur, o Wandersmann,
Das heißt — nicht hier, sondern etwas nebenan;
Doch das Marterl, das man errichtet vor einigen Jahren,
Hat das nächste Aut gleich wieder kapnt gefahren.
Fr. Pr.
H Die Hauptsache. <-
Kalkulator (beim Antritt der Ferienreise zu seiner Wirt-
, >chafterin): . Und vor allen Dingen, Frau Müller, vergessen
Sie nicht, jeden Morgen vom Abreißkalender ein Blatt ab-
zureißen!"
- Er kenne die Sache!
123
dein Ferienzuge sind vom Norden her der Oberlehrer
ME.tr, Neppen, der Rentner Pahl und der Friseur Mallig nach
München gekommen. Endlich war der Vergnügungszug,
diese lsäringstonne auf Rädern, in der Bahnhofshalle angelangt
und Hunderte von wanderlustigen Menschen eilten den: Ausgang
zu, um die Schönheiten der Isarstadt kennen zu lernen.
Das vorbenannte Terzett hatte sich, vom Schicksal eng anein-
andergepreßt, auf der Reise kennen gelernt und war überein-
gekommen, sich nicht zu trennen, sondern gemeinsam zu forschen
und zu genießen.
Schon waren sie nahe daran, sich dem lvanderstrome anzu-
schließen, als Ulallig ein energisches „Halt!" erschallen ließ.
„Meine verehrten Feriengenossen — einen Augenblick I Sollen
wir uns als willenlose Mitglieder einer modernen Völker-
wanderung mitschleppen lassen oder wollen wir uns nicht lieber
auf die eijensten Füße stellen und den Ausflug in die Berge
sofort unternehmen?"
„Is inich schnuppe," entgegnete Pahl, „nur kecne Gipfel-
stürmerei mit Jemscnfang und ähnliche Veranstaltungen!"
„Bin auch nicht abgeneigt," fügte Rcppen bei, „aber unsere
Unkenntnis der Verhältnisse, Sitten und Gebräuche kann uns am
Ende manche Verlegenheit bereiten!"
„Gibt's nich'l Ich kenne die Sache!" versicherte Mallig. „Ich
habe schon sämtliche Bauerntheater frisiert und das Iebrauchtum
und sogar der Dialekt der Alpenonkels sind mir sozusagen in
Fleisch und Blut überjegangen!"
„Wirklich?" rief der phlegmatische Rentner aus. „Dann
man los!"
Mit dem nächsten Zug fuhr das Trio nach dem idyllischen
Schliersee. Zuerst kauften sich die Bergwanderer tüchtige Alpen
stöckc und betraten dann mit dieser Touristenlegitimation einen
Wirtsgarten, um sich vorher zu stärken. Die Kellnerin brachte
Bier, Brot, Butter, Wurst und Käse. Mallig übernahm das
Arrangement. „Sehen Sic, meine Herren," berichtete er, indem
er die Butter auf die Brotschnitten strich, „wie weit man hier
noch in der Kultur zurück ist, eene Stulle kennt man hier zu
Lande gar nich'l Leberknödel und sogenannte geselchte Knödel
bilden die hauptsächlichste und beliebteste Volksnahrung — als
Spezialität nämlich!"
„Was?" rief Pahl entsetzt aus, „nich' 'mal 'ne Stulle
kennt dieses arme Hirtenvolk, da ließe sich noch viel Iutes
wirken I"
Mit Andacht und Rührung nahmen sie die heimatliche
Stärkung ein und dann machten sie sich auf den Weg, um vor
Einbruch der Nacht noch ein am Fuße des Wendelstein gelegenes
Dorf zu erreichen. Mallig wurde nicht müde, unterwegs alles
zu erklären: die Bauernhäuser mit den steinbeschwerten Schindel-
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Hauptsache" "Er kennt die Sache!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1906
Entstehungsdatum (normiert)
1901 - 1911
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 125.1906, Nr. 3190, S. 123
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg