Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die drei Brillen.

ziemlich abseits liegenden Lande Irgendwo lebte zu seiner Zeit ein
Magier, der sehr geschätzt und beliebt war, weil er seine geheimnisvolle wisien-
schaft immer nur zum Nutzen und zum Wöhle seiner Mitmenschen verwandte.

Eines Tages erschien im Lsause des Magiers dessen Bruder, der in einem
andern Lande wohnte, und den er seit langer Zeit nicht gesehen hatte. — Mit herz-
u !cr Freude begrüßten die beiden Männer einander.

»Mein Bruder," begann endlich der Fremde, „ich komme mit einer großen Bitte
•i» Dir. Ich habe drei Söhne, die jetzt das Vaterhaus verlassen wollen, um in der Welt
Glück zu suchen. Ich weiß, daß Du durch Deine geheime Wissenschaft die Kraft
Wt, ihnen zum Glück zu verhelfen, und darum bitte ich Dich herzlich, mein Bruder."

Der Magier sann einen Augenblick nach und sagte dann: „So bringe mir Deine
Löhne!"

„Sie sind mit mir, mein Bruder."

Kurze Zeit darauf traten drei wohlgestaltete Jünglinge vor den Magier. Nach
Deundlicher Begrüßung verließ er das Zimmer und kehrte nach wenigen Minuten mit
eniem Kästchen in der lsand zurück. Dem Kästchen entnahm der Magier drei Brillen.

„Wenn ich nicht irre, mein Jonathan," begann er, „so bist Du der älteste von
Euch Brüdern hier, nimm diese Brille, wenn Du durch diese Brille einem Menschen
m die Augen schaust, so wirst Du erkennen, welche Motive und Absichten ihn leiten
^e’ dem, was er sagt und tut. — Und Du, mein Antonius, Du Zweitgeborner, nimm
Uefe Brille; sie wird Dich untrüglich im voraus sehen lassen, welche Folgen und
nrüchte Dein Denken und Tun tragen wird. — Und diese dritte Brille ist für Dich,
,r|em Vttomar, dem jüngsten. Sie wird Dir die Mittel und Wege zeigen, mit denen
Deine Pläne und die Pläne Deiner Nächsten fördern oder vereiteln kannst. —
Mögen Luch, Ihr edlen Jünglinge, diese Gläser zum Glück verhelfen. Zehn Jahre
sollen sie Euch gehören, dann müßt Ihr sie mir zurückbringen, das versprecht mir
^uit heiligem Ehrenwort!"

Nach ungefähr zehn Jahren kehrten Jonathan und Antonius zurück zu dein
Magier. Aber die kräftigen Jünglingsgestalten von ehemals waren gebeugt und ihr
Dutlitz durchfurcht, verdrossen und vergrämt.

„Ihr scheint das Glück nicht gefunden zu haben", sagte der Magier.

„Ach nein," sagte Jonathan, „nimm Deine Brille zurück. Sie. hat mich die
Menscher, und ihr Tun verachten gelehrt. Sie hat mir Mißtrauen gegeben, wenn ich
^>ebc suchte, und wenn ich Liebe fand, hat mein Zweifeln sie zerstört. Ich bin ein
unglücklicher Mensch!"

„Und Du, mein Antonius?" fragte traurig der Magier.

„Sieh' mich an", entgegnete Antonius, „und D» hast die Antwort auf Deine
"vage, wein Denken und Tun ist gelähmt, weil Deine Brille mir immer weit hinaus
^ Folgen zeigte. Ich sah meine Ideale in. Staube liegen, was ich Großes wollte, in,
Ziemlichen untergeh'n, und wo mir Erfolg verheißen ward, da erblickte ich mich am
Ende überdrüssia des Erfolges. Nimm Deine Brille wieder und laß mich von neuem
u> die Welt hinauszieh'n; vielleicht stnde ich noch ein spätes Glück."

Der Magier senkte das kfanpt.

„Und wo ist Vttomar, unser jüngster?" fragte er beklommen, und Jonathan ant-
wortete: „Unser Bruder Vttomar ist dein, Vater und verwaltet das Gehöft. Er hat ein
liebes junges Weib und blühende Kinder."

„So ist er glücklich?" frug begierig der Magier.

„So glücklich wie nur ein Mensch sein kann."

„Seht Ihr! Und warum kommt er nicht und bringt mir meine Brille zurück!?"

Da blickten die beiden Brüder verlegen zu Boden.

„Antwortet mir! Ich will es wissen, warum kommt er nicht?!"

„Nun denn, so höre," sprach Antonius. „Als wir vor zehn Jahren von Dir gingen,
^ wunderten wir drei Brüder zusammen der Stadt zu über den Berg und durch

Wald, und als wir abends in die verberge kamen, da sah Vttomar, daß er
^'e Brille verloren hatte." — — — Alben Uoderlch.


Nachbarliche Hilf c. 261.

Student (zum Besuch): „Wer klopft
denn da an's Fenster?" ~ „Ach, der Herr
von Visavis! Der sieht jedenfalls den
Gerichtsvollzieher kommen... da reicht er
mir immer so lange sein Mobiliar herüber!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Nachbarliche Hilfe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1913
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1918
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 139.1913, Nr. 3566, S. 261

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen