S d? u 15 c s kV eihn a ch t s k o r b.
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„3rt wceß, watste sagen willst! Ramm mir bloß nich' mit Deiner
Tante ihre Gänsebrust I Dct is 'ne Schleckerhastigkeit da
kannste ohne leben. Aber Raters Eisbeene, dct is wat solides.
Rerstchste?"
Der streit über die Eisbeine war nach ini vollen Gange, als
der Ruf des lsauptmanns ihn unterbrach. -- Der hatte schon ge-
rannte Zeit mit dem Glas vor den Augen nach der Gegend des ge-
räumten Schützengrabens gestarrt. Da drüben ging etwas Uner-
klärliches vor. Ihm schien, als räumten die Russen den eroberten
Graben und zögen sich rasch zurück. Aber es war schon zu dunkel
geworden, um etwas Sicheres seststellen zu können und es war
doch nicht denkbar, daß der Feind die gewonnene Position ohne
Schwertschlag aufgab. Das mußte sogleich erkundet werden.
„Freiwillige vor!"
Schulze meldete sich als erster. Seines Raters berühmte Eis-
beine ginget: ihm im Kopf herum. Nottcbohm und Schmidt II
folgten. Es galt, aus dem Bauch durch die nassen Rllbenfelder
zu kriechen bis möglichst nah an den verlorenen Schützengraben
und die Sache zu untersuchen. - Alle drei banden sich Rüben-
blätter um Kals und Kopf und dann ging die Kriecherei los.
„Scheene siehste ans!" spottete Schulze Nottebohm in’s Mhr.
„Kimm Dir bloß in acht, daß Dir kceue Kuh mang de Rüben
siebt - se könnte Deinen kohlkopp für 'neu Kohlkoxp halten und
als Abendbrot ansprechen."
Rottebohm zuckte die Achseln, „kalt Du Dein Hirni! — jetzt
schwätzt 'mer net!" — lind also krochen sie sürbaß.
Unterdessen hatten es sich die Russen in dem eroberten
Schützengraben bequem gemacht, ihre Verwundeten notdürftig
verbunden und sich nach etwa zurückgelassenem Eß- und Trinkbaren
umgesehen. Plötzlich stieß einer einen Ruf des Schreckens aus,
bekreuzte sich inbrünstig und deutete dann aus einen Kausen durch-
einandcrgeworsencr Kisten und Pakete,
die alle einen merkwürdigen, feuer-
roten Streifen trugen. Vbenaus aber
stand ein länglicher Korb aus weit-
maschigem, grobem lveide..gesiecht, lind
durch diese Maschen schimmerte Licht!I
Alle sammelten sich in respekt-
voller Entfernung vor diesem Kisten-
hügel. Alle starrten mit weitansgerisse-
nen Augen das ruhige, stetige Licht an,
das durch die Maschen und das ver-
hüllende Papier der inneren Verpackung
schimmerte. — Line Köllenmaschine,
ohne Zweifel. Diese Kcimtücker woll-
ten sic alle in die Lust sprengen! Jedes
dieser rotstreifigcn Pakete enthielt ge-
wiß Dynamit! Und die Köllenuhr da
oben brachte es zur Explosion!
Ein Leutnant ergriff einen Eimer
lvaffer und schüttete es mit einem wil-
den Fluch über den Korb. In schwerem
Guß lies das lvaffer daran nieder.
Das Licht brannte!
Da erfaßte die Russen wildes Ent-
setzen. Sollten sie sich von diesen deut-
schen Teufeln wehrlos in die Luft
sprengen lassen? Das konnte Väterchen
Zar nicht wollen! Und eilig räumten
sie den gefährlichen Graben nur weit, weit weg, hieß die
Losung.
Die drei Krieger schüttelten die Blätterköpse. Da waren sie
ja schon „dichte bei" — und noch immer rührte und regte sich nichts.
Der Graben war leer.
„knrra!" schrie Schulze — und dann gaben sie die verabredeten
Zeichen. Sie selbst standen ans lvacht, bis die ganze Kompanie
heran war.
„knrra!" schrien sie jetzt alle. Da lagen wahr und wahrhaftig
die Kisten noch, wie sie sic hiugeworsen obenauf Schulzes Korb.
Und dann machten auch sie verdutzte Gesichter. Denn in
Schulzes Korb brannte still und stetig ein Licht.
Schulze aber fürchtete keine Köllenmaschine. Er schnitt mit
zwei raschen Schnitten die Schnur durch und hielt im nächsten
Augenblick nach Abhebung des Deckels - eine schöne, feldgraue,
elektrische Taschenlaterne empor, die sich durch irgendeinen Zufall
wahrscheinlich durch das Kinwersen, entzündet hatte. „Die
janze Batterie is jewiß ausjebrannt," lachte er, „aber schad't
nischt! — wenn se vor den Batterien schonst Reißaus nehmen,
sin mir dicke durch!"
Und sie lachten, daß sie sich die Seiten halten mußten.
Also hatte Schulzes lveihnachtskorb den Schützengraben zurück-
erobert.
D it n k l e A h n u u q.
Bräutigam (der verhaftet wird, tröstend): „Weine nicht,
Laura, meine Unschuld wird sich Herausstellen! Und nun leb'
wohl. . . bis nber's Jahr!"
Jui Grand Restaurant Fran^ais.
i.
—I n Calais.
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„3rt wceß, watste sagen willst! Ramm mir bloß nich' mit Deiner
Tante ihre Gänsebrust I Dct is 'ne Schleckerhastigkeit da
kannste ohne leben. Aber Raters Eisbeene, dct is wat solides.
Rerstchste?"
Der streit über die Eisbeine war nach ini vollen Gange, als
der Ruf des lsauptmanns ihn unterbrach. -- Der hatte schon ge-
rannte Zeit mit dem Glas vor den Augen nach der Gegend des ge-
räumten Schützengrabens gestarrt. Da drüben ging etwas Uner-
klärliches vor. Ihm schien, als räumten die Russen den eroberten
Graben und zögen sich rasch zurück. Aber es war schon zu dunkel
geworden, um etwas Sicheres seststellen zu können und es war
doch nicht denkbar, daß der Feind die gewonnene Position ohne
Schwertschlag aufgab. Das mußte sogleich erkundet werden.
„Freiwillige vor!"
Schulze meldete sich als erster. Seines Raters berühmte Eis-
beine ginget: ihm im Kopf herum. Nottcbohm und Schmidt II
folgten. Es galt, aus dem Bauch durch die nassen Rllbenfelder
zu kriechen bis möglichst nah an den verlorenen Schützengraben
und die Sache zu untersuchen. - Alle drei banden sich Rüben-
blätter um Kals und Kopf und dann ging die Kriecherei los.
„Scheene siehste ans!" spottete Schulze Nottebohm in’s Mhr.
„Kimm Dir bloß in acht, daß Dir kceue Kuh mang de Rüben
siebt - se könnte Deinen kohlkopp für 'neu Kohlkoxp halten und
als Abendbrot ansprechen."
Rottebohm zuckte die Achseln, „kalt Du Dein Hirni! — jetzt
schwätzt 'mer net!" — lind also krochen sie sürbaß.
Unterdessen hatten es sich die Russen in dem eroberten
Schützengraben bequem gemacht, ihre Verwundeten notdürftig
verbunden und sich nach etwa zurückgelassenem Eß- und Trinkbaren
umgesehen. Plötzlich stieß einer einen Ruf des Schreckens aus,
bekreuzte sich inbrünstig und deutete dann aus einen Kausen durch-
einandcrgeworsencr Kisten und Pakete,
die alle einen merkwürdigen, feuer-
roten Streifen trugen. Vbenaus aber
stand ein länglicher Korb aus weit-
maschigem, grobem lveide..gesiecht, lind
durch diese Maschen schimmerte Licht!I
Alle sammelten sich in respekt-
voller Entfernung vor diesem Kisten-
hügel. Alle starrten mit weitansgerisse-
nen Augen das ruhige, stetige Licht an,
das durch die Maschen und das ver-
hüllende Papier der inneren Verpackung
schimmerte. — Line Köllenmaschine,
ohne Zweifel. Diese Kcimtücker woll-
ten sic alle in die Lust sprengen! Jedes
dieser rotstreifigcn Pakete enthielt ge-
wiß Dynamit! Und die Köllenuhr da
oben brachte es zur Explosion!
Ein Leutnant ergriff einen Eimer
lvaffer und schüttete es mit einem wil-
den Fluch über den Korb. In schwerem
Guß lies das lvaffer daran nieder.
Das Licht brannte!
Da erfaßte die Russen wildes Ent-
setzen. Sollten sie sich von diesen deut-
schen Teufeln wehrlos in die Luft
sprengen lassen? Das konnte Väterchen
Zar nicht wollen! Und eilig räumten
sie den gefährlichen Graben nur weit, weit weg, hieß die
Losung.
Die drei Krieger schüttelten die Blätterköpse. Da waren sie
ja schon „dichte bei" — und noch immer rührte und regte sich nichts.
Der Graben war leer.
„knrra!" schrie Schulze — und dann gaben sie die verabredeten
Zeichen. Sie selbst standen ans lvacht, bis die ganze Kompanie
heran war.
„knrra!" schrien sie jetzt alle. Da lagen wahr und wahrhaftig
die Kisten noch, wie sie sic hiugeworsen obenauf Schulzes Korb.
Und dann machten auch sie verdutzte Gesichter. Denn in
Schulzes Korb brannte still und stetig ein Licht.
Schulze aber fürchtete keine Köllenmaschine. Er schnitt mit
zwei raschen Schnitten die Schnur durch und hielt im nächsten
Augenblick nach Abhebung des Deckels - eine schöne, feldgraue,
elektrische Taschenlaterne empor, die sich durch irgendeinen Zufall
wahrscheinlich durch das Kinwersen, entzündet hatte. „Die
janze Batterie is jewiß ausjebrannt," lachte er, „aber schad't
nischt! — wenn se vor den Batterien schonst Reißaus nehmen,
sin mir dicke durch!"
Und sie lachten, daß sie sich die Seiten halten mußten.
Also hatte Schulzes lveihnachtskorb den Schützengraben zurück-
erobert.
D it n k l e A h n u u q.
Bräutigam (der verhaftet wird, tröstend): „Weine nicht,
Laura, meine Unschuld wird sich Herausstellen! Und nun leb'
wohl. . . bis nber's Jahr!"
Jui Grand Restaurant Fran^ais.
i.
—I n Calais.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"In Calais"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1915
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1920
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 142.1915, Nr. 3634, S. 145
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg