Abklatsch
Fremder (beim Schluß eines Dorfkonzertes): „Was haben
die Herren denn alle für Zahlen hinten ans dem Hosenboden?" — „Die
sind aus den numerierten Plätzen gesessen, da waren nämlich die Nummern
mit Kreide ans die Sitze geschrieben!"
Sraristik.
<?HDker an einem kalten oder windigen Tage in der Straßenbahn
fährt, weiß, was es heißt, den platz innen an der Tür zu
haben. An jeder Haltestelle hasten und drängen die Leute herein.
Aber so gut wie keiner macht die Türe wieder hinter sich zu, Ls
eilt ihnen zu sehr, einen platz zu erobern. Oder sie meinen: „Der
nächste wird schon schließen!" Bdcr sie kümmern sich überhaupt
nicht darum.
So wird der, der innen sitzt, ob er will oder nicht, zuni Tor-
wart und Türschließer. Tut er's nicht, dann treffen ihn unwillige
Blicke und spitze Bemerkungen. Tut er's, dann wird er nicht
mehr fertig damit und muß eine Engelsgeduld haben.
Der Herr, den's heute trifft, zeigt aber nicht bloß eine Engels-,
sondern eine Erzengelsgeduld. Immer wieder mit einer Nerven-
ruhe, die alle seine Nachbarn nervös macht, greift er nach der
Alinke, zieht die zäh und widerwillig rollende Türe an sich und
läßt sie langsani und mit Behagen in s Schloß fallen.
„Das ivär' mir schon zu dumm!" brummt sein Gegenüber.
„Der muß ein wahres Lamm sein!" flüstert die Dame
neben ihni.
„Schon ein sehr ausgewachsenes!" knurrt ein derbererNebensitzer.
Der alte Herr aber, auf den sich diese Reden beziehen, besorgt
sein freiwillig-unfreiwilliges Amt mit ungestörtem Gleichmut. Nicht
ein einziges Mal, daß er etwa einen neuen Eindringling, der zu-
zumachen vergißt, unfreundlich anschaucn oder durch einen Laut
des Mißfallens an seine Pflicht mahnen würde. Gemütlich langt
er immer wieder nach dcnr Drücker und zieht die Türe zu sich
herüber.
„Sie!" sagt jemand an, anderen Ende des Wagens zum
Schaffner. „Zahlen Sie doch dem Herrn dort sein Fahrgeld zurück
— er hat's längst redlich abverdient I" Der Schaffner schmunzelt
und alle, die es gehört haben, schmunzeln auch oder erröten sanft
und schuldbewußt, wenn sic zu denen gehören, die selber nicht zir
gemacht haben.
Lr aber wird durch keine Aritik in seiner unermüdlichen Tätig
Feit gestört. Hm Gegenteil, es sieht gerade aus, als ob ihn bei
jeden, Male, wenn er die Türe schließen muß, das mehr ffreuen
würde. Lr murmelt zwar vor sich hin, lächelt jedoch und zieht
mit eineni gewissen genießenden Behagen die Türe wieder zu.
Da ereignet sich etwas Unerwartetes.
Abermals stürmt ein frischer Ankömmling herein und rumpelt
bis in die Mitte des Wagens. Da — der alte Herr hat schon
ivieder die Hand an der Alinke — da erinnert sich der Einge-
tretene, kehrt mit ein paar raschen Schritten um, schiebt die hilfs-
bereite Hand weg und schmettert selber die Türe in's Schloß.
Da wirft ihm der alte Herr einen wütenden Blick zu, erhebt
sich grollend und verläßt den lvagen.
„Lin solcher SchafkopfI" brummt er und geht. „Gerade
wär's zum fünfzigsten Mal gewesen!"
IM
Fremder (beim Schluß eines Dorfkonzertes): „Was haben
die Herren denn alle für Zahlen hinten ans dem Hosenboden?" — „Die
sind aus den numerierten Plätzen gesessen, da waren nämlich die Nummern
mit Kreide ans die Sitze geschrieben!"
Sraristik.
<?HDker an einem kalten oder windigen Tage in der Straßenbahn
fährt, weiß, was es heißt, den platz innen an der Tür zu
haben. An jeder Haltestelle hasten und drängen die Leute herein.
Aber so gut wie keiner macht die Türe wieder hinter sich zu, Ls
eilt ihnen zu sehr, einen platz zu erobern. Oder sie meinen: „Der
nächste wird schon schließen!" Bdcr sie kümmern sich überhaupt
nicht darum.
So wird der, der innen sitzt, ob er will oder nicht, zuni Tor-
wart und Türschließer. Tut er's nicht, dann treffen ihn unwillige
Blicke und spitze Bemerkungen. Tut er's, dann wird er nicht
mehr fertig damit und muß eine Engelsgeduld haben.
Der Herr, den's heute trifft, zeigt aber nicht bloß eine Engels-,
sondern eine Erzengelsgeduld. Immer wieder mit einer Nerven-
ruhe, die alle seine Nachbarn nervös macht, greift er nach der
Alinke, zieht die zäh und widerwillig rollende Türe an sich und
läßt sie langsani und mit Behagen in s Schloß fallen.
„Das ivär' mir schon zu dumm!" brummt sein Gegenüber.
„Der muß ein wahres Lamm sein!" flüstert die Dame
neben ihni.
„Schon ein sehr ausgewachsenes!" knurrt ein derbererNebensitzer.
Der alte Herr aber, auf den sich diese Reden beziehen, besorgt
sein freiwillig-unfreiwilliges Amt mit ungestörtem Gleichmut. Nicht
ein einziges Mal, daß er etwa einen neuen Eindringling, der zu-
zumachen vergißt, unfreundlich anschaucn oder durch einen Laut
des Mißfallens an seine Pflicht mahnen würde. Gemütlich langt
er immer wieder nach dcnr Drücker und zieht die Türe zu sich
herüber.
„Sie!" sagt jemand an, anderen Ende des Wagens zum
Schaffner. „Zahlen Sie doch dem Herrn dort sein Fahrgeld zurück
— er hat's längst redlich abverdient I" Der Schaffner schmunzelt
und alle, die es gehört haben, schmunzeln auch oder erröten sanft
und schuldbewußt, wenn sic zu denen gehören, die selber nicht zir
gemacht haben.
Lr aber wird durch keine Aritik in seiner unermüdlichen Tätig
Feit gestört. Hm Gegenteil, es sieht gerade aus, als ob ihn bei
jeden, Male, wenn er die Türe schließen muß, das mehr ffreuen
würde. Lr murmelt zwar vor sich hin, lächelt jedoch und zieht
mit eineni gewissen genießenden Behagen die Türe wieder zu.
Da ereignet sich etwas Unerwartetes.
Abermals stürmt ein frischer Ankömmling herein und rumpelt
bis in die Mitte des Wagens. Da — der alte Herr hat schon
ivieder die Hand an der Alinke — da erinnert sich der Einge-
tretene, kehrt mit ein paar raschen Schritten um, schiebt die hilfs-
bereite Hand weg und schmettert selber die Türe in's Schloß.
Da wirft ihm der alte Herr einen wütenden Blick zu, erhebt
sich grollend und verläßt den lvagen.
„Lin solcher SchafkopfI" brummt er und geht. „Gerade
wär's zum fünfzigsten Mal gewesen!"
IM
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Abklatsch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 148.1918, Nr. 3795, S. 130
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg