Fliegende Blätter (148.1918 (Nr. 3780-3805))

Ein Träublein von Blüten rot-weiß und gefleckt

eim schwatzhaften Brunnen am Marktplatze steht
Ein dürrer, ein runzliger Baum.

Die älteste Pfründnerin aus dem Spital
Erinnert sein anders sich kaum.

Einst aber nach lauer, »ach wonniger Nacht
Voll Sternglanz und raunendem Weh'n,

Da sah man der Junge» und Alten gar viel
Um den Baum auf dem Marktplatze steh'n.

Sie lugten hinan und sie wiesen hinauf
Und erhitzten ihr ruhiges Gemüt.

Es lief durch die Gassen, es sprang in das Laus:
„Der Stadtbanm, der uralte, blüht!"

Als lachender sonniger Gast.

„O Wunder! O Wunder!" Die Pfründnerin rief's
Mit strauchelnder stolpernder Jung'.

„Weiß Gott, wenn's dem uralten Burschen gelang,
Da werd' ich gleich selber noch jung!"

Indessen vom Rathaus genüber gar streng
Sah manche Perücke heraus.

Sie schnupften, sie räusperten, hoben de» Stock,

Sie hielte» es endlich nicht aus.

Sie kamen geschritten in würdigem Zug,

Voll Weisheit ein jeglicher Zoll,

Und schrieben den frevelnden Übermut

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