Bescheiden.
er Ziffer HauS von Kemelbach,
Ein Recke stark und schön,
Ritt mutig in die weite Welt,
Um Kämpfe zu besieh'n.
Bel einem Felsen fand er da
Den grimmen wilden Drachen,
Der eine Jungfrau zart und hold
pflichteifrigsi mußt' bewachen,
„Hei, Untier!" rief der Ritter kühn
Und tat die Sporen geben.
eine solche des naturalistisch-psychologischen und
idealistischen eingetreten", begann eine Krähe
die Debatte. „Jedoch hat es die Entwicklung
der letzten Regenperiode mit sich gebracht, das;
ivir nun einen analytischen, metaphysischen
und synthetischen Expressionismus feststelleu
müssen" . . .
„Gewiß! GewißI" fiel eine ältere Eule
ein. „Aber ich möchte doch behaupten: Dieses
neue Wesen ist Antisubjektivist. Es formt mir
zu wenig komplizierte differenzierte Gefühle,
um in..."
Das Feldhuhn schrie dazwischen und wollte
eben einen längeren Essay über das „Verhält-
nis des Subjekts zur Realität" vom Stapel
lassen, als sich oben in den Wipfeln die Me-
lodien des Fremden wieder vernehmen ließen.
„Der Kosmos wird anthropomorphisiert!
Es ist eine emanative Lyrik I" rief die Wachtel
ekstatisch.
„lfm!" konstatierte der Specht tiefgründig.
„Diese hinausprojizierten Gefühle haben einen
geradezu monumental-visionären Umriß!"
Immer komplizierter wurden die Formeln,
immer prinzipieller die Debatten... alle Sach-
verständigen, darunter auch zahlreiche solche,
die überhaupt nicht singen konnten, ereiferten
sich stets heftiger: Der naive Sperling, die
ironische Maus, der phlegmatische Frosch, der
philosophierende Storch und viele andere. Auch
die ewig schillernde Fliege summte je nachdem
mit. Denn die Herrschaften befehdeten sich
bereits untereinander zum Teil sehr unan-
genehm.
Als man sich an den in die Diskussion
geworfenen Fremdwörtern schließlich unrettbar
ineinander verhakelt hatte, so daß die Parteien
mit ihren spitzigen Mundwerkzeugen aufgeregt
an den Bindestrichen hin- und herzerrten, da
flatterte plötzlich ein grauer kleiner Gast, der
bis dahin stumm zngehört, aus der Gesellschaft
in die Höhe.
„Tirilirili I" jauchzte er ganz hoch am
Himmel für sich allein. „Tirili . . . ivas weiß
ich . . tirili-tirili . . ." Es war die ungebildete
Lerche. Willibald «rat».
Lin moderner Faust.
„Habe nun — ach! — Philosophie,
Juristerei und Medizin
Und — leider! — auch Theologie
Durchaus studiert mit heißem Bemüh'«
Lin's aber erlern' ich mein Lebtag nie:
Die liebe deutsche DrthograpHiel
ffl. «. 2V.
Ans einem L c u m n u d s b c r i ch t.
Mütterlicherseits ist nichts gegen den
Jnkulpaten einzuwenden - - v n t e r l i ch c r -
seits aber sauft er.
„Jetzt wehre rasch dich deiner Haut -
Heut' gilt es Blut und Leben!"
Ein schwerer heißer Kampf begann,
's ward alles tiefgerötet,
Bis endlich Hans mit starker Faust
Den Drachen hat getötet.
Züchtig errötend trat die Maid
Drauf vor den Helden hin
Und sprach: „Mein Retter! Nimm
mich ganz,
Zumal sehr reich ich bin!"
Doch Kemelbach verzog den Mund:
„Mein Fräulein 's ist zu schad!
Doch Hab' vorläufig ich genug
An einer Heldentat!"
Frih Fridrlch.
iH^ie Tiere des Waldes und der Aue kamen zusamnien, um sich über einen neuen
seltsamen Sänger — cs war ein entflohener Kanarienvogel — zu besprechen, der
bis dahin im Gehölz noch nicht zu hören gewesen. Er dichtete und pfiff so eigenartige
Rhythmen und Läufe, wie sie dort sonst völlig unbekannt waren.
Das regte sie auf. Sie hielten die Köpfe schief, lauschten und kritisierten. Endlich
aber wollten sie den Neuling denn doch in einer literarischen Gruppe, in einen:
lyrischen Systeni unterbringen, wie es sich für jeden modernen Singvogel gehört.
Denn sie galten als gebildete Kritiker.
„wir waren bekanntlich nach einer Epoche des physiologischen Impressionismus in
er Ziffer HauS von Kemelbach,
Ein Recke stark und schön,
Ritt mutig in die weite Welt,
Um Kämpfe zu besieh'n.
Bel einem Felsen fand er da
Den grimmen wilden Drachen,
Der eine Jungfrau zart und hold
pflichteifrigsi mußt' bewachen,
„Hei, Untier!" rief der Ritter kühn
Und tat die Sporen geben.
eine solche des naturalistisch-psychologischen und
idealistischen eingetreten", begann eine Krähe
die Debatte. „Jedoch hat es die Entwicklung
der letzten Regenperiode mit sich gebracht, das;
ivir nun einen analytischen, metaphysischen
und synthetischen Expressionismus feststelleu
müssen" . . .
„Gewiß! GewißI" fiel eine ältere Eule
ein. „Aber ich möchte doch behaupten: Dieses
neue Wesen ist Antisubjektivist. Es formt mir
zu wenig komplizierte differenzierte Gefühle,
um in..."
Das Feldhuhn schrie dazwischen und wollte
eben einen längeren Essay über das „Verhält-
nis des Subjekts zur Realität" vom Stapel
lassen, als sich oben in den Wipfeln die Me-
lodien des Fremden wieder vernehmen ließen.
„Der Kosmos wird anthropomorphisiert!
Es ist eine emanative Lyrik I" rief die Wachtel
ekstatisch.
„lfm!" konstatierte der Specht tiefgründig.
„Diese hinausprojizierten Gefühle haben einen
geradezu monumental-visionären Umriß!"
Immer komplizierter wurden die Formeln,
immer prinzipieller die Debatten... alle Sach-
verständigen, darunter auch zahlreiche solche,
die überhaupt nicht singen konnten, ereiferten
sich stets heftiger: Der naive Sperling, die
ironische Maus, der phlegmatische Frosch, der
philosophierende Storch und viele andere. Auch
die ewig schillernde Fliege summte je nachdem
mit. Denn die Herrschaften befehdeten sich
bereits untereinander zum Teil sehr unan-
genehm.
Als man sich an den in die Diskussion
geworfenen Fremdwörtern schließlich unrettbar
ineinander verhakelt hatte, so daß die Parteien
mit ihren spitzigen Mundwerkzeugen aufgeregt
an den Bindestrichen hin- und herzerrten, da
flatterte plötzlich ein grauer kleiner Gast, der
bis dahin stumm zngehört, aus der Gesellschaft
in die Höhe.
„Tirilirili I" jauchzte er ganz hoch am
Himmel für sich allein. „Tirili . . . ivas weiß
ich . . tirili-tirili . . ." Es war die ungebildete
Lerche. Willibald «rat».
Lin moderner Faust.
„Habe nun — ach! — Philosophie,
Juristerei und Medizin
Und — leider! — auch Theologie
Durchaus studiert mit heißem Bemüh'«
Lin's aber erlern' ich mein Lebtag nie:
Die liebe deutsche DrthograpHiel
ffl. «. 2V.
Ans einem L c u m n u d s b c r i ch t.
Mütterlicherseits ist nichts gegen den
Jnkulpaten einzuwenden - - v n t e r l i ch c r -
seits aber sauft er.
„Jetzt wehre rasch dich deiner Haut -
Heut' gilt es Blut und Leben!"
Ein schwerer heißer Kampf begann,
's ward alles tiefgerötet,
Bis endlich Hans mit starker Faust
Den Drachen hat getötet.
Züchtig errötend trat die Maid
Drauf vor den Helden hin
Und sprach: „Mein Retter! Nimm
mich ganz,
Zumal sehr reich ich bin!"
Doch Kemelbach verzog den Mund:
„Mein Fräulein 's ist zu schad!
Doch Hab' vorläufig ich genug
An einer Heldentat!"
Frih Fridrlch.
iH^ie Tiere des Waldes und der Aue kamen zusamnien, um sich über einen neuen
seltsamen Sänger — cs war ein entflohener Kanarienvogel — zu besprechen, der
bis dahin im Gehölz noch nicht zu hören gewesen. Er dichtete und pfiff so eigenartige
Rhythmen und Läufe, wie sie dort sonst völlig unbekannt waren.
Das regte sie auf. Sie hielten die Köpfe schief, lauschten und kritisierten. Endlich
aber wollten sie den Neuling denn doch in einer literarischen Gruppe, in einen:
lyrischen Systeni unterbringen, wie es sich für jeden modernen Singvogel gehört.
Denn sie galten als gebildete Kritiker.
„wir waren bekanntlich nach einer Epoche des physiologischen Impressionismus in
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bescheiden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 150.1919, Nr. 3838, S. 68
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg