Fliegende Blätter (150.1919 (Nr. 3832-3857))

D i' r l> c st

Kommerzienrat Anders ist Witwer und kinderlos; aber er hat
es nicht eingestellt, Gesellschaften zn geben, ivie dies zu Lebzeiten
seiner Gattin geschehen war. S i c allerdings hatte cs in vorzüglicher
Weise verstanden, ihre Gäste zn unterhalten, eine Eigenschaft, die
ihm selbst leider gänzlich abgeht. Es ist unleugbar totlangweilig
bei seinen Einladungen und inan kommt nur noch ans alter
Gewohnheit, zudem man den sonst sehr beliebten alten Herrn nicht
kränken ivill.

Eines Abends ist es denn wieder einmal furchtbar dde inid
stumpfsinnig bei ihm. Jedes macht krampfhafte Anstrengungen,
darüber hinweg,znkommen — aber cs ist alles umsonst. Der Gast-
geber fühlt natürlich das Peinliche der Situation am meisten.

c G r s n n.

Die Hände ties in den Hosentaschen vergraben, steht er nach-
denklich am Fenster mtb sieht auf die Straße hinaus. Das Hans
gerade gegenüber ist hell erleuchtet. Antos und Droschken fahren
ununterbrochen vor; viele Fußgänger strömen drüben hinein und
vom First herab winkt eine große elektrische Reklame.

Aufmerksam hat er eine Zeitlang die Vorgänge verfolgt. Jetzt
wendet er sich rasch entschlossen zu seinen Gästen: „Meine Herrschaften,
nicht wahr, heut' ist's wieder einmal unsagbar langweilig bei mir?!
Wissen Sie lvas, gehen wir doch alle miteinander 'nüber
ins Variete!"

Allgemeines, teils schüchternes, teils lebhaftes Bravo und in
fünf Minuten waren sie drüben. „

«Th 4 ii fr

Poesie und Prosa. „Eines macht mich besorgt, lieber Freund: Ich glaube, zwei Seelen wohnen i» meiner Brust." —

„DaS ist aber doch begreiflich bei der Wohnungsnot!

Glosse.

5ür Leute, sie bei ihrem Handeln Sind „Nebenmensch" und „Nebensache"

Stets nur ihr eig'nes Wohl bezwecken, Begriffe, die sich restlos decken.

w s. W.

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