Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Sebastian war ein Mann von eisernem Willen. Er brachte
es über stch, acht Tage lang trotz aller erdenklichen wachen
»nd geträumten Besorgnisse den Grt zu meiden, wo sein ein
und alles lag.

Dann aber konnte er es nicht länger überwinden und
ging hin.

Ls war ein schöner Samstagnachmittag, an dem er büro-
frei hatte. Alles lustwandelte froh und heiter in den Anlagen.
Auch er lustwandelte, aber nicht heiter gestimmt, sondern mit
der nervenkribbelndcn Unruhe eines Mannes, der ein bestimmtes
Ziel vor Augen sieht und nicht weiß, wie er es antrifft.

Endlich sah er von weitem die bewußte Birke im Winde
wiegen. Als er aber näher kam, gerann ihm das Blut in den
Adern. Die Birke war da. Auch die Bank war. Der moos-
überwucherte Stein war da. 2Iber dazwischen — ha I

Dazwischen nämlich gähnte eine Leere, eine Kluft, ein un-
endlicher Abgrund.

Mit drei wirren Sätzen war er dort.

„Was geschieht hier?!"

„Da" — sagte ein Erdarbeiter und wischte sich bierdurstig die
durchfurchte Stirn — „da wird ein Paraplü gemacht."

„Was wird da gemacht?!"

„Ein Paraplü!"

„Ein Paraplü?! Was ist denn
das?!"

Der Mann schaute ihn bemit-
leidend an, daß er nicht wußte, was
ein paraxlü war. „Lin paraxlü"

— sagte er — „ist ein hölzernes Dach
mit einer Bank drunter, wo man
sich Hineinsetzen kann, wann es auf
einmal regnet . . . das hat ein reicher
perr aus Dankbarkeit gestiftet, der,
wie er noch gelebt hat, hier oft ge-
sessen ist!"

Sebastian verwünschte den Regen,
den Reichtum, die Dankbarkeit, das
paraxlü und starrte in den Abgrund,

der alle seine Hoffnungen verschlungen, be-
ziehungsweise enthüllt und der Mit- und
Umwelt verraten hatte.

„wo" — stammelte er und schaute
mit lüsternen Augen den Gräber seines
Unheils an — „wo ist denn die Erde hin-
gekommen, die da ausgehoben wurde?"

Aber der biedere Mann zuckte mit
keiner Wimper, von denen er zwei sehr
buschige besaß, sondern winkte nur mit
der einen Schulter nach rückwärts. Dort
sah Sebastian einen sehr hohen Schutt-
haufen, auf dem einige Kinder spielten.

-q. r<o£i€t,f. il.

Den ganzen Nachmittag saß er da, beobachtete mit Argus-
augen die unschuldige Jugend und sehnte die Nacht herbei. Als
diese sich heruntergesenkt hatte und endlich das letzte girrende Liebes-
paar aus den Anlagen verschwunden
war, begann er, hungrigen Magens
und zitternden Herzens, mit beiden
Armen den Schutt umzuwühlen. Er
wühlte, bis der Mond heraufkam
und die Sterne kreisten. Er wühlte,
bis es Mitternacht schlug und der
kühlere Morgenwind einsetzte. Er
wühlte noch, als schon die ersten
Spatzen im Buschicht zankten. . . .

Endlich mit längst zerschundenen
Landen und ganz erschöpften Glied-
maßen wühlte er etwas heraus,
was seinem Wertpakete entfernt ähn-
lich sah.

Ja, es war's! Es war's!
Trotz der Regenwürmer, die daran
klebten, drückte er es heiß und innig an die
Brust und entfloh damit, wie Kain nach
dem Brudermorde entflohen sein mag. . .

Seitdem erscheint jeden Abend Punkt
sieben Uhr in der „Goldenen Krone" ein ein-
samer schweigender Gast. Schweigend trinkt
er eine Flasche Johannisberger. Schweigend
trinkt er eine zweite. Schweigend wankt er
mit einem gelinden Schwips nach Pause.

Sebastian ist der schweigende Gast.

So vergräbt er allmählich seinen
Schatz — an dem einzigen wirklich sicheren
Grt — in sich. y.

Verdacht.

Falscher

Der Dorfpolizist, der häufig Gefangencutransporte hat, begegnet auf dem Sonutagsspaziergang einem Vorgesetzten.
„Gestatten Herr Sekretär" — sagt er — „daß ich Ihnen meine Braut vorstelle." — „So so! Ihre Braut? . . Was hat s' denn
g'macht?"

Gutvcrsorgt. Ungesund.

„Wieviel Kinder haben Sie denn, Herr Müller?" — „Drei: „Ede, bet ist nicht jesund — im Hut hast Du 'n jroßes Lsch

Ein Friedensmädl, einen Kriegsjungen und ein Revolutionsbaby." und in de' Stiebeln ooch — da stehst D' ja 'n janzen Tag im Zug."

249
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der vergrabene Schatz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Roeseler, August
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 150.1919, Nr. 3856, S. 249

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen