später den Herzog von Seduzien heiratete, der ebenfalls nicht könig-
lichen Geblütes war. Unser großer Dichter muß die Prinzessin ge-
sehen haben und ihr Liebreiz wirkte so bezaubernd auf ihn, daß
er das unsterbliche Gedicht schrieb. Möglicherweise sprach er auch
einige lvorte mit ihr und dieses lvenige hat genügt, um eine lebens-
längliche, sehnsüchtig-heilige Liebe in ihm zu entzünden, wahr-
scheinlich sind auch die meisten seiner späteren Werke dieser Liebe
gewidmet, so daß alle bisherigen Forschungsergebnisse eigentlich
sehr zweifelhaft geworden sind. . . .
Die gesamte literarische Welt kam in Aufruhr, als dieser Auf-
satz erschien. Der Entdecker wurde erst sehr angefeindet, dann aber
fand er immer mehr Anhänger und bald wußten alle von der
„sehnsüchtig-heiligen Liebe" des Dichiers. Alle die Mädchen,
die früher als gewesene Flammen des Gottbegnadeten ge-
golten hatten, verschwanden vor dem neuerstrahleuden Stern.
Die jungen Mädchen vergossen Tränen der Rührung über
diese ein Leben währende, hoffnungslose Liebe, die nur von
weitem nach der Geliebten geschaut hatte.
Dann kam die Zeit der Republik, die alles niederriß,
was früher für heilig gegolten hatte. Das Zeitalter der „Ent-
hüllungen" brach an. Und da fand sich auch bald ein Ge-
lehrter, der aussprach, was man bisher nur gemunkelt hatte.
„Bei dem freien, mutigen Geiste unseres Dichters ist es
anzunehmen, daß er sich nicht dainit begnügte, nur sehnsüchtig
zu der Prinzessin Maria aufzublicken. Reißen wir doch die
verhüllenden Schleier von den nackten Schultern der Wahr-
heit und sagen wir es frei heraus, daß sich die Prinzessin
und der Dichter fanden in jener mondbelenchteten Rächt beim
Schluchzen der Rachtigallen usw. Auch später besuchte der
Dichter manchmal das Herzogtum Seduzien, dessen Beherr-
scherin Maria durch ihre Heirat geworden war. Und oft
genug mag auch sie Gast gewesen sein in dem stillen Dichter-
stübchen. Davon sprechen auch seine glühenden Verse, wenn
er es sonst auch diskret verschweigt. Aber keinen Stein wollen
wir deshalb auf Maria von Allringen wer-
fen, im Gegenteil, wir gestehen frei, daß er
ohne sie nicht der geworden wäre, der er
war — ufw.
Die glühende Liebesgeschichte fand ihre
Verbreitung. Endlich machte einer gar eine
Gxerette aus ihr, in der der große Dichter
die Hauptrolle hatte und vor dem Fenster
der Prinzessin im Fortrottakt eine Serenade
sang. Das Stück wurde über fünfhundertmal
aufgeführt.
Droben im Genieabteil des Himmels
saß währenddessen der verewigte Dichter und
unterhielt sich mit den andern verewigten großen Geistern.
Da kam ein himmlischer Diener und meldete ihm den Be-
such eines Herrn aus dem Fürstenabteil des Himmels (im
Hinnnel blieb noch alles bei den alten Einrichtungen).
Der Dichter trat freundlich auf den Gast zu, der aber bot
ihm nicht einmal die Hand.
„Herzog Aarl Theodor von Seduzien I" stellte er sich
knapp vor, „Sie werden wohl wissen, warum ich komme?"
— „Rein 1" gestand der Dichter. — „Dann will ich es
Ihnen sagen. Sie haben mich zu meinen und Ihren Leb-
zeiten mit meiner Frau betrogen. Ich wußte nichts davon
— „Ich auch nicht I" stöhnte der andere. — „Aber jetzt
kommt cs heraus. Auf der Erde pfeifen es schon die Spatzen
von allen Dächern, noch dazu in: Foxtrottakt aus der neuen
Äperette. Ich werde Sie mit meiner Frau konfrontieren,
wagen Sie es dann noch zu leugnen —"
Prinzessin Maria kam. Sie war das entzückendste,
verewigte prinzeßchen, das nian sich nur vorstellen kann.
Der Dichter starrte sie an. Sic war blond mit braunen
Augen! l Und so etwas muß man erst im Himmel kennen
lernen, wo man die Verpflichtung hat, artig und tugend-
haft zu sein. — „Ich kenne Ihre Hoheit nicht — leider —"
sagte der Dichter. — Da wies der Herzog
auf die Erde: „Hören Siel"
Drunten saß ein Gymnasiast und paukte
mit in die Ghren gestopften Fäusten Litera-
turgeschichte: „lvas wäre aus dem großen
Dichter geworden ohne die segensreiche Liebe
zu Prinzessin Ukaria —?"
Der verewigte Dichter lächelte: „lvas
wäre erst aus ihm geworden mit ihr?! Ivie
schade, daß ich nicht so klug war wie meine
Biographen —" Und die Prinzessin seufzte
tief und schlug die braunen Augen zu ihm
auf: „Ja, wie schade — das hätten Sie uns
sagen müssen, als wir noch unten waren —
Hella Hofmann.
lichen Geblütes war. Unser großer Dichter muß die Prinzessin ge-
sehen haben und ihr Liebreiz wirkte so bezaubernd auf ihn, daß
er das unsterbliche Gedicht schrieb. Möglicherweise sprach er auch
einige lvorte mit ihr und dieses lvenige hat genügt, um eine lebens-
längliche, sehnsüchtig-heilige Liebe in ihm zu entzünden, wahr-
scheinlich sind auch die meisten seiner späteren Werke dieser Liebe
gewidmet, so daß alle bisherigen Forschungsergebnisse eigentlich
sehr zweifelhaft geworden sind. . . .
Die gesamte literarische Welt kam in Aufruhr, als dieser Auf-
satz erschien. Der Entdecker wurde erst sehr angefeindet, dann aber
fand er immer mehr Anhänger und bald wußten alle von der
„sehnsüchtig-heiligen Liebe" des Dichiers. Alle die Mädchen,
die früher als gewesene Flammen des Gottbegnadeten ge-
golten hatten, verschwanden vor dem neuerstrahleuden Stern.
Die jungen Mädchen vergossen Tränen der Rührung über
diese ein Leben währende, hoffnungslose Liebe, die nur von
weitem nach der Geliebten geschaut hatte.
Dann kam die Zeit der Republik, die alles niederriß,
was früher für heilig gegolten hatte. Das Zeitalter der „Ent-
hüllungen" brach an. Und da fand sich auch bald ein Ge-
lehrter, der aussprach, was man bisher nur gemunkelt hatte.
„Bei dem freien, mutigen Geiste unseres Dichters ist es
anzunehmen, daß er sich nicht dainit begnügte, nur sehnsüchtig
zu der Prinzessin Maria aufzublicken. Reißen wir doch die
verhüllenden Schleier von den nackten Schultern der Wahr-
heit und sagen wir es frei heraus, daß sich die Prinzessin
und der Dichter fanden in jener mondbelenchteten Rächt beim
Schluchzen der Rachtigallen usw. Auch später besuchte der
Dichter manchmal das Herzogtum Seduzien, dessen Beherr-
scherin Maria durch ihre Heirat geworden war. Und oft
genug mag auch sie Gast gewesen sein in dem stillen Dichter-
stübchen. Davon sprechen auch seine glühenden Verse, wenn
er es sonst auch diskret verschweigt. Aber keinen Stein wollen
wir deshalb auf Maria von Allringen wer-
fen, im Gegenteil, wir gestehen frei, daß er
ohne sie nicht der geworden wäre, der er
war — ufw.
Die glühende Liebesgeschichte fand ihre
Verbreitung. Endlich machte einer gar eine
Gxerette aus ihr, in der der große Dichter
die Hauptrolle hatte und vor dem Fenster
der Prinzessin im Fortrottakt eine Serenade
sang. Das Stück wurde über fünfhundertmal
aufgeführt.
Droben im Genieabteil des Himmels
saß währenddessen der verewigte Dichter und
unterhielt sich mit den andern verewigten großen Geistern.
Da kam ein himmlischer Diener und meldete ihm den Be-
such eines Herrn aus dem Fürstenabteil des Himmels (im
Hinnnel blieb noch alles bei den alten Einrichtungen).
Der Dichter trat freundlich auf den Gast zu, der aber bot
ihm nicht einmal die Hand.
„Herzog Aarl Theodor von Seduzien I" stellte er sich
knapp vor, „Sie werden wohl wissen, warum ich komme?"
— „Rein 1" gestand der Dichter. — „Dann will ich es
Ihnen sagen. Sie haben mich zu meinen und Ihren Leb-
zeiten mit meiner Frau betrogen. Ich wußte nichts davon
— „Ich auch nicht I" stöhnte der andere. — „Aber jetzt
kommt cs heraus. Auf der Erde pfeifen es schon die Spatzen
von allen Dächern, noch dazu in: Foxtrottakt aus der neuen
Äperette. Ich werde Sie mit meiner Frau konfrontieren,
wagen Sie es dann noch zu leugnen —"
Prinzessin Maria kam. Sie war das entzückendste,
verewigte prinzeßchen, das nian sich nur vorstellen kann.
Der Dichter starrte sie an. Sic war blond mit braunen
Augen! l Und so etwas muß man erst im Himmel kennen
lernen, wo man die Verpflichtung hat, artig und tugend-
haft zu sein. — „Ich kenne Ihre Hoheit nicht — leider —"
sagte der Dichter. — Da wies der Herzog
auf die Erde: „Hören Siel"
Drunten saß ein Gymnasiast und paukte
mit in die Ghren gestopften Fäusten Litera-
turgeschichte: „lvas wäre aus dem großen
Dichter geworden ohne die segensreiche Liebe
zu Prinzessin Ukaria —?"
Der verewigte Dichter lächelte: „lvas
wäre erst aus ihm geworden mit ihr?! Ivie
schade, daß ich nicht so klug war wie meine
Biographen —" Und die Prinzessin seufzte
tief und schlug die braunen Augen zu ihm
auf: „Ja, wie schade — das hätten Sie uns
sagen müssen, als wir noch unten waren —
Hella Hofmann.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Literaturgeschichte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3968, S. 53
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg