Oie Rinobörse.
lüie komme ich zum Film?,
Krawunzelstock ist ein ganz kleines Nest. Man kann sich von
der Erbärmlichkeit dieses Iveltflcckens einen Begriff machen, wenn
man bedenkt, daß Krawunzelstock nicht mal ein Aino bat. viele
Leute werden den Kopf schütteln und fragen: „bvie ist das bloß
möglich?" Es ist Tatsache — kein Kino gibts in Krawunzelstock.
Ich lebte dort still und bescheiden und ohne verlangen nach höheren
Dingen zwischen Dchsen und Gänsen. Eines Tages aber packte
auch mich der Drang »ach dem Licht. Nach dem Flimmerlicht.
Ick' wurde vom Bazillus lcknoiensls befallen. Tag und Nacht
grübelte ich: „kvic konime ich zum Film?" In Krawunzelstock
nie - das war mir klar. Aber ich fand einen !veg.
lvie kam ich zum Film? Ich hob von der Krcissparkaffc
meine vierhundcrtdreiundsiebzig Mark ab. versetzte das Sonntags-
gebiß meiner Großmutter, steckte mir ein halb Dutzend Eier und
ein ziemlich sauberes Taschentuch ein und fuhr von dannen. Fuhr
in die große Lichtstadt, wo sozusagen eine Filmfabrik neben der
anderen ihre schätzenswerte, erhabene Kunst auf die erforderliche
Meterzahl bringt. Ich hatte nun durchaus nicht die Absicht, gleich
am anderen Tage in einem achtakrigcn Riesenmonumentalunivcrsal.
kanoncnschlagcrbandwurmsilm einen monokcltragcndcn Grafen zu
kreieren. Bescheidenheit ziert den Jüngling! Ich beabsichtigte — trotz
meines angeborenen Flimmerinstinktes klein anzufangen. Ich
hatte Glück und machte die Bekanntschaft eines Perm, der einen
Gummikragen trug und Beziebungcn zu der tveiowei-Film-A.G.
hatte. Dieser Herr war sehr leutselig und verschaffte mir gegen
sechs frische Hühnereier hintenherum eine Karte, die zum Besuch
der Filmbörse berechtigte.
„Auf der Filmbörsc engagieren die Hilfsregisseure der Filmwerke
den >t.agec bedarf an Eomparferie. Statisten, kleinen Rollen- und
Eharakteifpielern. Die setzen sich einfach da an einen Tisch und
warten, bis Eie engagiert werden."
„So". sprach der Herr mit den Beziehungen zur lveiowei-
Film-A.G., nahm die sechs Eier und verschwand. Am nächsten Tag.
der Morgen dämmerte kaum — stand ich wqrtend vor dem Lin
gang zur Filmbörse. Nach vier langen Stunden wurde geöffnet.
Da war nun ein länglicher Raum, links und rechts kleine Tischchen.
Es war noch kein Mensch da. ich setzte mich irgendwo hin und
wartete. Langsam füllte sich das Lokal. An meinem Tisch ließen
sich drei furchtbare Gestalten nieder, darunter ein Neger mit einem
klobige» Messingring in der Nase. Ich erwog: „Nie werde ich
eine Rolle filnicn, für die man sich erst einen Ring durch die Nase
ziehen muß." Die drei Männer schauten mich bösartig an. der
Neger war besonders frech und spuckte mir kunstvoll einen Kau-
tabak durch den Nasenring in mein Bierglas.
„Das werde ich nie lernen!" dachte ich betrübt und vcrwiirt.
In diesem Augenblick trat ein Hüne, eine wahre Hcrkulesfignr mit
Stiernacken an unser gemütliches Tischchen, musterie mich, nahm
mich beim Kragen und schleuderte mich etliche Meter weit bis an
den Bierausschank, von einem mitleidigen Kellner erfuhr ich. daß
die Gilde der Ringkämpfer mir hiermit ihre Visitenkarte abgegeben
hätte. Kleinlaut ließ ich mich anderswo nieder und gewann nach fünf
Minuten die Überzeugung, am Tisch der Borer gesessen zu haben.
Meine linke Schulter hing so unnatürlich an mir. als wellte sie
nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich grübelte heftig darüber
nach, weshalb meine Kollegen mich, den Neuling aus Krawunzel-
stock, so lieblos behandelten, und verkroch mich in die hinterste Ecke.
Da saßen sehr magere und bescheiden aussehende Herren.
„>vas wolle» Sie hier Sie Sie Sie?" fragte einer
der Künstler.
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lüie komme ich zum Film?,
Krawunzelstock ist ein ganz kleines Nest. Man kann sich von
der Erbärmlichkeit dieses Iveltflcckens einen Begriff machen, wenn
man bedenkt, daß Krawunzelstock nicht mal ein Aino bat. viele
Leute werden den Kopf schütteln und fragen: „bvie ist das bloß
möglich?" Es ist Tatsache — kein Kino gibts in Krawunzelstock.
Ich lebte dort still und bescheiden und ohne verlangen nach höheren
Dingen zwischen Dchsen und Gänsen. Eines Tages aber packte
auch mich der Drang »ach dem Licht. Nach dem Flimmerlicht.
Ick' wurde vom Bazillus lcknoiensls befallen. Tag und Nacht
grübelte ich: „kvic konime ich zum Film?" In Krawunzelstock
nie - das war mir klar. Aber ich fand einen !veg.
lvie kam ich zum Film? Ich hob von der Krcissparkaffc
meine vierhundcrtdreiundsiebzig Mark ab. versetzte das Sonntags-
gebiß meiner Großmutter, steckte mir ein halb Dutzend Eier und
ein ziemlich sauberes Taschentuch ein und fuhr von dannen. Fuhr
in die große Lichtstadt, wo sozusagen eine Filmfabrik neben der
anderen ihre schätzenswerte, erhabene Kunst auf die erforderliche
Meterzahl bringt. Ich hatte nun durchaus nicht die Absicht, gleich
am anderen Tage in einem achtakrigcn Riesenmonumentalunivcrsal.
kanoncnschlagcrbandwurmsilm einen monokcltragcndcn Grafen zu
kreieren. Bescheidenheit ziert den Jüngling! Ich beabsichtigte — trotz
meines angeborenen Flimmerinstinktes klein anzufangen. Ich
hatte Glück und machte die Bekanntschaft eines Perm, der einen
Gummikragen trug und Beziebungcn zu der tveiowei-Film-A.G.
hatte. Dieser Herr war sehr leutselig und verschaffte mir gegen
sechs frische Hühnereier hintenherum eine Karte, die zum Besuch
der Filmbörse berechtigte.
„Auf der Filmbörsc engagieren die Hilfsregisseure der Filmwerke
den >t.agec bedarf an Eomparferie. Statisten, kleinen Rollen- und
Eharakteifpielern. Die setzen sich einfach da an einen Tisch und
warten, bis Eie engagiert werden."
„So". sprach der Herr mit den Beziehungen zur lveiowei-
Film-A.G., nahm die sechs Eier und verschwand. Am nächsten Tag.
der Morgen dämmerte kaum — stand ich wqrtend vor dem Lin
gang zur Filmbörse. Nach vier langen Stunden wurde geöffnet.
Da war nun ein länglicher Raum, links und rechts kleine Tischchen.
Es war noch kein Mensch da. ich setzte mich irgendwo hin und
wartete. Langsam füllte sich das Lokal. An meinem Tisch ließen
sich drei furchtbare Gestalten nieder, darunter ein Neger mit einem
klobige» Messingring in der Nase. Ich erwog: „Nie werde ich
eine Rolle filnicn, für die man sich erst einen Ring durch die Nase
ziehen muß." Die drei Männer schauten mich bösartig an. der
Neger war besonders frech und spuckte mir kunstvoll einen Kau-
tabak durch den Nasenring in mein Bierglas.
„Das werde ich nie lernen!" dachte ich betrübt und vcrwiirt.
In diesem Augenblick trat ein Hüne, eine wahre Hcrkulesfignr mit
Stiernacken an unser gemütliches Tischchen, musterie mich, nahm
mich beim Kragen und schleuderte mich etliche Meter weit bis an
den Bierausschank, von einem mitleidigen Kellner erfuhr ich. daß
die Gilde der Ringkämpfer mir hiermit ihre Visitenkarte abgegeben
hätte. Kleinlaut ließ ich mich anderswo nieder und gewann nach fünf
Minuten die Überzeugung, am Tisch der Borer gesessen zu haben.
Meine linke Schulter hing so unnatürlich an mir. als wellte sie
nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich grübelte heftig darüber
nach, weshalb meine Kollegen mich, den Neuling aus Krawunzel-
stock, so lieblos behandelten, und verkroch mich in die hinterste Ecke.
Da saßen sehr magere und bescheiden aussehende Herren.
„>vas wolle» Sie hier Sie Sie Sie?" fragte einer
der Künstler.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wahres Geschichtchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1922
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 158.1923, Nr. 4043, S. 26
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg