Der Wunderdoktor,
Her Zwininger von 2Ibcn~bcrg Ivar feit etlichen lvochen nicht
mehr gut beisammen, Einwendig fehlte es ihm. Entweder in den
Gedärmen oder im Magen, Gar nichts Richtiges war es mehr. Und
mit jedem Tag wurde er weniger. Her Gngaza mochte wissen, woher
das kam. Auch die Weiberleut. Hie sagten, der Zwininger hätte zu
viel getrunken und geraucht; jeden Tag im Wirtshaus eine Ualbe
nach der andern, dazu pfeifen und Wetschinia vom Ausstehen bis
zum Niederlegen. Und das seit
Jahr und Tag. Has hält ja das
stärkste Roß nicht aus. Ha mußte
es ja so kommen.
Jetzt läßt der Zwininger
den Kopf hängen und schlägt
den Junkerkragen in die kiöh'
bei der größten Nitz'. Bei einem
Hoktor war er schon, Aber bloß
bei einem richtigen, nämlich bei
einem studierten. Und so einer
versteht nicht viel. Wenn er
was verstehen tat, hätte er dem
Zwininger nicht zumuten können,
daß er das Trinken und das
Rauchen ausgeben müsse, ganz
und gar ausgeben! Ja, was wär'
denn net dös! Und gleich einige
Monate könne es anstehen, bis
der Magen wieder seine Richtig-
keit habe. Jetzt da legst dich
nieder! Eine Krankheit, bei der
man zwanzig Jahre lang alle
Tag hat rauschig sein müssen,
bis sie endlich im Magen hockte,
die sollte man erst nach weiß
Gott wie viel Monaten wieder
herausbugsieren können? Rein,
mein Lieber, soviel Geduld hat
der Zwininger nicht, Schon gar.
weil es nicht notwendig ist. Henn
der Bader in Münchsmünster —
bei dem geht es schon schneller.
Und das Trinken und das Rau-
chen braucht man bei dem auch
nicht ausstecken. „Jawohl - hast
gehört, zu dem fahr' i' hin." —
Jawohl, zu dem suhl er hin.
Her Bader und Wunder-
doktor in Münchsmünster genoß
einen Weltruf. Er war nämlich
in der ganzen Nollerdau bekannt. Und fast jedes Zügl. ob von Ingol-
stadt oder von Regensburg her, brachte ihm Kundschaft ins Warte-
zimmer. Sein Näusl stand nicht weit vom Bahnhof entfernt und
so günstig, daß er vom Kuchlfenster aus den ganzen Bahnhofplatz
übersehen konnte. Ha wurde jeder Zug abgepaßt und jeder Aus-
steigende beaugaxfelt. Und im Verlauf der vielen Jahre seiner
einträglichen praris bekam der Bader schon einen Blick für seine
Kunden. Hie alte Kundschaft stiefelte ja gleich schnurstracks in die
Rasierstube. Neulinge hingegen schauten erst eine Weile, fragten
einen Wechselwärter oder einen Wagenschieber, und wenn es das
nicht war, was dem Bader den neuen Patienten verriet, dann sagte
es ihm der leidende Zustand, der ja immer um einige Grade zu-
nimmt, wenn man auf dem U?ege zum Hoktor ist.
Her Zwininger von Abensberg kam mit dem Frühzug nach
Münchsmünster. So zeitig, daß die Baderin, deren Aufgabe es
war. auf die aussteigenden Fahrgäste aufzupasse», seine Ankunft
bald verschlafen hätte. Und das wäre arg gewesen; denn es hätte,
wie wir gleich sehen werden, die Feststellung der Hiaguose sehr
erschwert. Gerade noch recht-
zeitig konnte der Bader geweckt
werden, und als der Zwininger
in das Wartezimmer geschnauft
kam, stand der Wunderdoktor
schon in der Kuchl, an der z»m
Wartezimmer führenden offene»
Tür, die durch einen Vorhang
verdeckt war. Ha konnte er recht
schön mit anhören, was draußen
gesprochen wurde. . .
Hie Baderin nahm den
Zwininger in Empfang.
„Grüaß Good!"
„Grüaß Good! — Js da
Boda net dahoam?"
„Raa. — Warum? ljätts
eahm wos woll'n?"
„Ja, a wengwas. Ligentli'
sogar a bißl viel."
„So. Ja, i' moan, er
werd »imma lang ausbleib'n; is
grod zu an Krank n g'rus'n wor'n.
Es is a Kreuz mit dem Ulo;
Täg und Rächt koa Ruah."
„Glaab's scho', wenn ma' so
berühmt is."
„Ja, ja, freili’. Seids
ebber aa' krank?"
„Und dös net iveni'."
„Geh? Siecht ma' Enk
Wards scho' amal
Bei mir da-
„A so, vo' Abensberg seids.
Ebber gor da Lendlbauer?"
„Raa, da Zwininger bin i'. An
Send! kenn' i' gor koan bei ins."
ikd. Li«mpting«r. „Net? A richti', der is in
lvolnzach dahoam. Ja mei', zu
uns kumma so viel Leut', daß ma' d' Nama leicht durchananda
bringa ko'. — So, bei an Hokta wards also scho'."
„Ja. aber der hat nir verschtanden."
Nir? Worum? !Vos hot er denn g'moant, wo's fehlt?"
„Im Mag'n. Aber es war nir g'wiss's. Er hot allerweil so
'rumg'suacht. lsot si' net auskennt, moan i'. Und nir mehr trinka,
hot er g'sagt, därf i', und nir mehr raucha. Und etla Monat lang
konn's osteh', hat er g'moant. — Hös halt ja da stärkst'Mo' net aus!"
„Freist', wenn ma' so wos g'wohnt is. Aber mir wer'n ja glei'
sehng, wos mei' Mo' dazua sagt. Jetzt kimmt er scho'."
Her Bader war, als er genug erfahren hatte, ums Ijaus herum
Unbegreiflich.
's Lerchsrl öcaltt si' hoch in ö' Höh'
lltiö singt, dasi's graö so hallt,
Und d' Leut' bleib'n auf 'm Fuasiweg steh',
Weil's eahua gar so g'fallt.
Oa sagt a Schwald'n zum Epatzenweib:
, sss dös a Schnapsidee!
Herunt' fand Würm' und Fliag n grad gnua,
Was lrrarslt s denn in d' Höh'?'
Oie Spätzin schluckt a Würmerl g schwind
Und pipsi, vom Fressen malt:
,Eei froh, dass no' so Oumme gibt,
Oerweilen wer'n wir satt!'
aber net o'. -
bei an Hokta?"
„Hös scho'.
hoam, in Abensberg.
118
Her Zwininger von 2Ibcn~bcrg Ivar feit etlichen lvochen nicht
mehr gut beisammen, Einwendig fehlte es ihm. Entweder in den
Gedärmen oder im Magen, Gar nichts Richtiges war es mehr. Und
mit jedem Tag wurde er weniger. Her Gngaza mochte wissen, woher
das kam. Auch die Weiberleut. Hie sagten, der Zwininger hätte zu
viel getrunken und geraucht; jeden Tag im Wirtshaus eine Ualbe
nach der andern, dazu pfeifen und Wetschinia vom Ausstehen bis
zum Niederlegen. Und das seit
Jahr und Tag. Has hält ja das
stärkste Roß nicht aus. Ha mußte
es ja so kommen.
Jetzt läßt der Zwininger
den Kopf hängen und schlägt
den Junkerkragen in die kiöh'
bei der größten Nitz'. Bei einem
Hoktor war er schon, Aber bloß
bei einem richtigen, nämlich bei
einem studierten. Und so einer
versteht nicht viel. Wenn er
was verstehen tat, hätte er dem
Zwininger nicht zumuten können,
daß er das Trinken und das
Rauchen ausgeben müsse, ganz
und gar ausgeben! Ja, was wär'
denn net dös! Und gleich einige
Monate könne es anstehen, bis
der Magen wieder seine Richtig-
keit habe. Jetzt da legst dich
nieder! Eine Krankheit, bei der
man zwanzig Jahre lang alle
Tag hat rauschig sein müssen,
bis sie endlich im Magen hockte,
die sollte man erst nach weiß
Gott wie viel Monaten wieder
herausbugsieren können? Rein,
mein Lieber, soviel Geduld hat
der Zwininger nicht, Schon gar.
weil es nicht notwendig ist. Henn
der Bader in Münchsmünster —
bei dem geht es schon schneller.
Und das Trinken und das Rau-
chen braucht man bei dem auch
nicht ausstecken. „Jawohl - hast
gehört, zu dem fahr' i' hin." —
Jawohl, zu dem suhl er hin.
Her Bader und Wunder-
doktor in Münchsmünster genoß
einen Weltruf. Er war nämlich
in der ganzen Nollerdau bekannt. Und fast jedes Zügl. ob von Ingol-
stadt oder von Regensburg her, brachte ihm Kundschaft ins Warte-
zimmer. Sein Näusl stand nicht weit vom Bahnhof entfernt und
so günstig, daß er vom Kuchlfenster aus den ganzen Bahnhofplatz
übersehen konnte. Ha wurde jeder Zug abgepaßt und jeder Aus-
steigende beaugaxfelt. Und im Verlauf der vielen Jahre seiner
einträglichen praris bekam der Bader schon einen Blick für seine
Kunden. Hie alte Kundschaft stiefelte ja gleich schnurstracks in die
Rasierstube. Neulinge hingegen schauten erst eine Weile, fragten
einen Wechselwärter oder einen Wagenschieber, und wenn es das
nicht war, was dem Bader den neuen Patienten verriet, dann sagte
es ihm der leidende Zustand, der ja immer um einige Grade zu-
nimmt, wenn man auf dem U?ege zum Hoktor ist.
Her Zwininger von Abensberg kam mit dem Frühzug nach
Münchsmünster. So zeitig, daß die Baderin, deren Aufgabe es
war. auf die aussteigenden Fahrgäste aufzupasse», seine Ankunft
bald verschlafen hätte. Und das wäre arg gewesen; denn es hätte,
wie wir gleich sehen werden, die Feststellung der Hiaguose sehr
erschwert. Gerade noch recht-
zeitig konnte der Bader geweckt
werden, und als der Zwininger
in das Wartezimmer geschnauft
kam, stand der Wunderdoktor
schon in der Kuchl, an der z»m
Wartezimmer führenden offene»
Tür, die durch einen Vorhang
verdeckt war. Ha konnte er recht
schön mit anhören, was draußen
gesprochen wurde. . .
Hie Baderin nahm den
Zwininger in Empfang.
„Grüaß Good!"
„Grüaß Good! — Js da
Boda net dahoam?"
„Raa. — Warum? ljätts
eahm wos woll'n?"
„Ja, a wengwas. Ligentli'
sogar a bißl viel."
„So. Ja, i' moan, er
werd »imma lang ausbleib'n; is
grod zu an Krank n g'rus'n wor'n.
Es is a Kreuz mit dem Ulo;
Täg und Rächt koa Ruah."
„Glaab's scho', wenn ma' so
berühmt is."
„Ja, ja, freili’. Seids
ebber aa' krank?"
„Und dös net iveni'."
„Geh? Siecht ma' Enk
Wards scho' amal
Bei mir da-
„A so, vo' Abensberg seids.
Ebber gor da Lendlbauer?"
„Raa, da Zwininger bin i'. An
Send! kenn' i' gor koan bei ins."
ikd. Li«mpting«r. „Net? A richti', der is in
lvolnzach dahoam. Ja mei', zu
uns kumma so viel Leut', daß ma' d' Nama leicht durchananda
bringa ko'. — So, bei an Hokta wards also scho'."
„Ja. aber der hat nir verschtanden."
Nir? Worum? !Vos hot er denn g'moant, wo's fehlt?"
„Im Mag'n. Aber es war nir g'wiss's. Er hot allerweil so
'rumg'suacht. lsot si' net auskennt, moan i'. Und nir mehr trinka,
hot er g'sagt, därf i', und nir mehr raucha. Und etla Monat lang
konn's osteh', hat er g'moant. — Hös halt ja da stärkst'Mo' net aus!"
„Freist', wenn ma' so wos g'wohnt is. Aber mir wer'n ja glei'
sehng, wos mei' Mo' dazua sagt. Jetzt kimmt er scho'."
Her Bader war, als er genug erfahren hatte, ums Ijaus herum
Unbegreiflich.
's Lerchsrl öcaltt si' hoch in ö' Höh'
lltiö singt, dasi's graö so hallt,
Und d' Leut' bleib'n auf 'm Fuasiweg steh',
Weil's eahua gar so g'fallt.
Oa sagt a Schwald'n zum Epatzenweib:
, sss dös a Schnapsidee!
Herunt' fand Würm' und Fliag n grad gnua,
Was lrrarslt s denn in d' Höh'?'
Oie Spätzin schluckt a Würmerl g schwind
Und pipsi, vom Fressen malt:
,Eei froh, dass no' so Oumme gibt,
Oerweilen wer'n wir satt!'
aber net o'. -
bei an Hokta?"
„Hös scho'.
hoam, in Abensberg.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unbegreiflich"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 158.1923, Nr. 4054, S. 118
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg