geknüllten und übel beschmutzten Kleider warf und auf die, zwei
gestrandeten Kähnen gleichenden geborstenen Lackschuhe, ebbte ihr
Frohgefühl wieder ab.
ksernach aber saßen sic ani Küchentisch und tranken Kaffee; da
sahen sie sich an mit lachenden Augen und meinten beide, noch nie
ini Leben hätte cs ihnen so gut geschmeckt.
Auch der Schlaf einer verkaterten Küchenfee währt nicht ewig-
lich; aber eine schwarze Wolke umschattete beim Erwachen Wallys
Stirn und lebhafte Knlustgefühle machten sich in ihrem Inneren,
vorzüglich in der Magcngcgend bemerkbar; selbst der Anblick des
appetitlichen Frühstücks führte keine Besserung herbei — im Gegen-
teil ! ZUN! Mittagessen wünschte sie sich nur einen marinierten löä-
ring und — aha! — eine Flasche Bier und — oho ! — einen Kornus.
Soo I — und jetzt die weichen Glieder auf ein Stündchen aufs Sofa
gestreckt und ein bißchen gcduselt; dann steht wieder vor uns neu
gestärkt, in alter Lebens- und Unternehmungslust unsere „gute" Wally.
Sie wirft einen Blick nach der Uhr: 2 Uhr; jetzt heißt's aber sich
sputen; denn nur noch sieben Stunden darf sic sich des Lichtes der
Freiheit erfreuen; dann heißt's: Wieder zurück in die grauenvolle
Kerkernacht des Sklaventums I So hatte sich doch neulich im Kino
auch die himmlische Favoritin des Ukaharadschah von Iopur aus-
gedrückt.
Wenige Minuten später hörte die Frau Professor, wie Wally ins
Telephon Reden redete, wohl eine halbe Stunde lang; darnach er-
schien die Jungfrau in der Küche und ließ sich allsoglcich vernehmen:
„Ich habe meine Freundinnen Eniniy,
Elly und Nelly auf 4 Uhr zur Schoko-
lade eingeladen; 's wird Ihna scho' nir
ausmacha, wenn Sie uns den kochctcn;
dazu Hab' ich beim Kondittcr Schillcr-
lockcn und Schlagrahin bestellt. Dar-
nach geh'n mir, um Appetit zu kriegen,
etwas im Lindcnpark spazieren; die
Sonne scheint so schön; es muß jetzt ein
fach herrlich draußen sein. Uni 7 Uhr
komnit dann das Abendessen, kalt und
ganz einfach: der Dclikatcssenhändler an
der Ecke besorgt kaltes Geflügel und ge-
mischten Aufschnitt, dazu italienischen
Salat; außerdem eine Flasche Königs-
bacher Idig und, weil Fräulein Nelly
keinen Weißwein nit trinkt — denken S',
sie kriegt jcdcsnial Kopfschmerzen dar-
nach — eine Flasche Mcdoc. Es darf
Ihnen aber weiters nicht fchönant sein."
Frau Professor antwortete mit einem
Knix.
Du bist sicher schon, lieber Leser, an
einem Dorstümpcl vorbeigekommen, auf
dem eine Lntcnschar ihr Wesen trieb;
sie strecken den Bürzel gegen den liimmcl
und bohren den Kopf in die Tiefe. Und
wenn sie dann den Kopf hcrauszichcn,
erheben sie, während ihnen der grünlich-
gräuliche Schlamin zum Schnabel hcraus-
läuft, ein (Uhren zerreißendes, mißtö-
niges, nicht endenwollcndcs Geschnatter
und Gequackc. Die „Unterhaltung" der
vier „Damen" des Schokoladckränzchens
unterschied sich nur durch die Stärke des
Tones von einer solchen Entcnkonver-
sation. Nun hättest aber erst einmal die Damen beim einfachen
Abendessen hören sollen! GH! — GHI — GH I
Aber alles hat einmal ein Ende. — „Üb' immer Treu und Redlich-
keit", mahnte das alte Glockenspiel: 9 Uhr; und allgemach legte sich
der Lärm; nur noch ein Tuscheln, ein gedämpftes Kichern, während
die Damen die Hüte aufsetztcn — dann Stille nah und fern.
Eine halbe Stunde später beleuchtete die milde Eßzimmerlampc
ein friedliches Bild: auf dcni frisch gedeckten Tisch, an dem sich Gudcl
und Theo gcgcnübersaßen, standen eine Flasche, die ihre Herkunft
aus der „dreckigen Kiste" nicht verleugnen zu wollen schien, und
zwei Gläser, in die Frau Professor mit kunstgcübtcr Hand von dein
Inhalt der bestaubten Flasche eingoß. Dann stießen die beiden an
und tranken, indem sie sich in die Augen sahen, mit großer Andacht.
Dann ward eine Stille, welche Gudula endlich mit einer schalkhaften
Lehrhaftigkeit in der Stimme unterbrach: „Thcole licb's l In vielem
hast Du Recht behalten; die Situationen waren drollig, die Über-
raschungen waren — na ja — also sic waren reizend; instruktiv
war es auch, nur eins war es nicht; schön war cs nicht und ich
meine immer, hätten sich die Sklaven im alten Roni so proletenhaft
bcnomincn, dann hätte man gar bald die Saturnalien abgcschafft.
Aber, wie gesagt, lehrreich war's; denn wie ich Dich so siegreich gegen
den Schnee ankämpfen sah, kam mir der Gedanke: Jetzt in dieser
trübsten und ärmsten aller Zeiten, in der entschlichen Not unseres
Vaterlandes muß cs der Stolz jedes vornehm Denkenden sein, so be-
scheiden als möglich zu leben und was man mit seiner Hände Arbeit
U »mögliche s.
„Haben Sie Buttermilch?" — „Buttermilch? — Nein." — „Dann geben Sie mir in
Gottcsnamen Margarinemilch!"
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gestrandeten Kähnen gleichenden geborstenen Lackschuhe, ebbte ihr
Frohgefühl wieder ab.
ksernach aber saßen sic ani Küchentisch und tranken Kaffee; da
sahen sie sich an mit lachenden Augen und meinten beide, noch nie
ini Leben hätte cs ihnen so gut geschmeckt.
Auch der Schlaf einer verkaterten Küchenfee währt nicht ewig-
lich; aber eine schwarze Wolke umschattete beim Erwachen Wallys
Stirn und lebhafte Knlustgefühle machten sich in ihrem Inneren,
vorzüglich in der Magcngcgend bemerkbar; selbst der Anblick des
appetitlichen Frühstücks führte keine Besserung herbei — im Gegen-
teil ! ZUN! Mittagessen wünschte sie sich nur einen marinierten löä-
ring und — aha! — eine Flasche Bier und — oho ! — einen Kornus.
Soo I — und jetzt die weichen Glieder auf ein Stündchen aufs Sofa
gestreckt und ein bißchen gcduselt; dann steht wieder vor uns neu
gestärkt, in alter Lebens- und Unternehmungslust unsere „gute" Wally.
Sie wirft einen Blick nach der Uhr: 2 Uhr; jetzt heißt's aber sich
sputen; denn nur noch sieben Stunden darf sic sich des Lichtes der
Freiheit erfreuen; dann heißt's: Wieder zurück in die grauenvolle
Kerkernacht des Sklaventums I So hatte sich doch neulich im Kino
auch die himmlische Favoritin des Ukaharadschah von Iopur aus-
gedrückt.
Wenige Minuten später hörte die Frau Professor, wie Wally ins
Telephon Reden redete, wohl eine halbe Stunde lang; darnach er-
schien die Jungfrau in der Küche und ließ sich allsoglcich vernehmen:
„Ich habe meine Freundinnen Eniniy,
Elly und Nelly auf 4 Uhr zur Schoko-
lade eingeladen; 's wird Ihna scho' nir
ausmacha, wenn Sie uns den kochctcn;
dazu Hab' ich beim Kondittcr Schillcr-
lockcn und Schlagrahin bestellt. Dar-
nach geh'n mir, um Appetit zu kriegen,
etwas im Lindcnpark spazieren; die
Sonne scheint so schön; es muß jetzt ein
fach herrlich draußen sein. Uni 7 Uhr
komnit dann das Abendessen, kalt und
ganz einfach: der Dclikatcssenhändler an
der Ecke besorgt kaltes Geflügel und ge-
mischten Aufschnitt, dazu italienischen
Salat; außerdem eine Flasche Königs-
bacher Idig und, weil Fräulein Nelly
keinen Weißwein nit trinkt — denken S',
sie kriegt jcdcsnial Kopfschmerzen dar-
nach — eine Flasche Mcdoc. Es darf
Ihnen aber weiters nicht fchönant sein."
Frau Professor antwortete mit einem
Knix.
Du bist sicher schon, lieber Leser, an
einem Dorstümpcl vorbeigekommen, auf
dem eine Lntcnschar ihr Wesen trieb;
sie strecken den Bürzel gegen den liimmcl
und bohren den Kopf in die Tiefe. Und
wenn sie dann den Kopf hcrauszichcn,
erheben sie, während ihnen der grünlich-
gräuliche Schlamin zum Schnabel hcraus-
läuft, ein (Uhren zerreißendes, mißtö-
niges, nicht endenwollcndcs Geschnatter
und Gequackc. Die „Unterhaltung" der
vier „Damen" des Schokoladckränzchens
unterschied sich nur durch die Stärke des
Tones von einer solchen Entcnkonver-
sation. Nun hättest aber erst einmal die Damen beim einfachen
Abendessen hören sollen! GH! — GHI — GH I
Aber alles hat einmal ein Ende. — „Üb' immer Treu und Redlich-
keit", mahnte das alte Glockenspiel: 9 Uhr; und allgemach legte sich
der Lärm; nur noch ein Tuscheln, ein gedämpftes Kichern, während
die Damen die Hüte aufsetztcn — dann Stille nah und fern.
Eine halbe Stunde später beleuchtete die milde Eßzimmerlampc
ein friedliches Bild: auf dcni frisch gedeckten Tisch, an dem sich Gudcl
und Theo gcgcnübersaßen, standen eine Flasche, die ihre Herkunft
aus der „dreckigen Kiste" nicht verleugnen zu wollen schien, und
zwei Gläser, in die Frau Professor mit kunstgcübtcr Hand von dein
Inhalt der bestaubten Flasche eingoß. Dann stießen die beiden an
und tranken, indem sie sich in die Augen sahen, mit großer Andacht.
Dann ward eine Stille, welche Gudula endlich mit einer schalkhaften
Lehrhaftigkeit in der Stimme unterbrach: „Thcole licb's l In vielem
hast Du Recht behalten; die Situationen waren drollig, die Über-
raschungen waren — na ja — also sic waren reizend; instruktiv
war es auch, nur eins war es nicht; schön war cs nicht und ich
meine immer, hätten sich die Sklaven im alten Roni so proletenhaft
bcnomincn, dann hätte man gar bald die Saturnalien abgcschafft.
Aber, wie gesagt, lehrreich war's; denn wie ich Dich so siegreich gegen
den Schnee ankämpfen sah, kam mir der Gedanke: Jetzt in dieser
trübsten und ärmsten aller Zeiten, in der entschlichen Not unseres
Vaterlandes muß cs der Stolz jedes vornehm Denkenden sein, so be-
scheiden als möglich zu leben und was man mit seiner Hände Arbeit
U »mögliche s.
„Haben Sie Buttermilch?" — „Buttermilch? — Nein." — „Dann geben Sie mir in
Gottcsnamen Margarinemilch!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unmögliches"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 159.1923, Nr. 4087, S. 171
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg