Die dumme Gans.
Ls war einmal eine Gans. Die war so dumm, daß es sogar ihre
Mitschwestern merkten. Ls war auch zu lächerlich, mit welcher Ein-
bildung sie dahergewatschelt kam. gravitätisch sein wollend, mit hock'-
erhobcnem Schnabel. Und
ihre Toilette war so ge-
künstelt und plump geziert
wie nur möglich. — Hin-
ten hatte sie eine Pfauen-
feder angebunden, um mehr
gleichzuschcn und recht auf-
zufallen. „Merkst du eigent-
lich, wie blöde du wirkst mit
deiner eingebildeten Pose?"
höhnten die andern. Sic aber
berief sich auf gewisse Men-
schen, die sie gesehen hatte,
besonders auf ein ältliches
Fräulein, das zur Sommer-
frischc auf dem Gut hier
gewohnt und ihr recht sehr
imponiert hatte. Die hatte
sich immer vor den Spic-
gcl gestellt und zusammen-
gerichtct und gesagt: „Wenn
man nichts ist, das heißt,
wenn nian nichts hat, dann
muß man wenigstens so tun
als ob, und schauen, daß
man was glcichsieht. Schließ-
lich kommt dann doch mal
einer und heiratet einen."
Bei der Gans war's aber
anders. Ls kam kein Gan-
scrcr, um sie zu freien, wäh-
rend es sonst für eine Gans
geradezu ein Kunststück ist, als alte Jungfer sitzenzubleiben. Sie
aber wurde wirklich verspottet und gemieden. „Du eingebildeter
dummer Mensch!" rief man ihr nach auf der Straße. Da faßte
sie den Entschluß, sich von ihresgleichen abzuwcndcn, um höhere
Kreise der Lrdcnbewohner aufzusuchen, eben jene, in denen sie ihr
erhabenes Vorbild gefunden hatte. Und sie niachte sich auf in die
Stadt und ging in die Wohnung zu dem ältlichen Fräulein, das
sie voni Sommer her kannte. Sic schnatterte ihr in gewählten
und gequälten Phrasen vor,
daß sie den Umgang mit
ihresgleichen satt habe. Und
daß sie nicht wie die an-
dern die Menschen für herz-
lose Egoisten und Mate-
rialisten, sondern für die
wahre Krone der Schöp-
fung, für die idealen Ver-
treter des Schönen und Gu-
ten halte. Und sie bat, ihr
den Umgang mit ihnen zu
gewähren, damit ihr Drang
nach Höherem, nach dem
Erhabenen in der Welt er-
füllt werde. Die ältliche
Jungfer lachte. Zunächst
war sic ein wenig geschmei-
chelt, daß gerade sie ihr
diese hohe Meinung von
der menschlichen Größe bei-
gebracht hatte. Uls sie aher
hörte, daß die Pfauenfeder
eigentlich eine Nachahmung
ihrer eigenen Person sein
sollte, besann sic sich doch
eines andern: „Sag'mal",
fragte sic die Gans, „bist du
bereit, deiner eigenen Über-
zeugung von der Größe und
Güte des Menschen jedes
Dpferzn bringen?" — „Ge-
wiß", enlgcgnctc die Gaus entschlossen. — „Nun", lachte das Fräulein,
„so will ich dir denn schonend mittcilen, daß wir dir heute noch den
Kragen umdrehen werden. Morgen ist nämlich Martini." Da sah sie
denn ein, daß sie wirklich eine dumme Gans war. Das war aber,
wie gewöhnlich bei der Selbsterkenntnis, leider zu spät. M. X
sieul' hat mir inci' Dirndl an’ Ccbzcllcn g'schenkl,
fl zuckcrlüah’ Rerzl; da Hab' i' mir denkt:
Oh Dirndl, mci' Dirndl, dei’ Eiab’ macht mi'
reich,
's ?iiri?rrfüaf}r üjrrjl.
Ob bleibet f doch immer dem Lebzelten gleich!
So [nah und so fn[cb hält' >' [’ alleweil gern,
I wollt’, sie kunnt niamals net altbacken wer n.
Tita viele bat [cbo' (o a Lebzelten g'freut,
Immer verbindlich.
„Sieh an, Blümlc, Sie leben noch, idt dachte, Sic hätten längst
das Zeitliche gesegnet." „Nach Ihnen, Herr Verwalter, nach
Ihnen." ^
Schlau Peter.
Ich bestellte bei Kohn Kartoffel en gros, einige Zentner. Bei
der Ablieferung, oh du mein Schreck, sind sic alle schlecht. Ick) lause
schnurstracks zu Kohn, um ihm vorwurfsvoll vorzuhalten: „Herr
Kohn, nehmen Sie sofort Ihre Kartoffel zurück, sie sind nichts wert,
eine wie die andere ist schlecht!" — „Ich und zurücknehme»?!" er
widert Kohn, „was kann ich dafür, ich Hab' Ihnen doch gleich ge
sagt, eine ist wie die andere."
Und hat [!’ gar g'lpasii' verkehrt mit der Zeit:
6s is scho' zu manchem [ein’ Kummer und
Zorn
fl zuckertiiafV sterzl a Salzbren'n wor’n.
Hermann Tranz.
W n !| > c o G cschichtchc tt.
Als wir itt der Silvesternacht gerade bei dem mit Recht so be-
liebten Bleigießen waren, meint Herr Pardubitzer: „Ist doch ein
rechter Aberglaube diese ganze Bleigießcrei." Da antwortet mein
Sntel mit dumpfer Stimme: „Sagen Sie das nicht! Ich kannte
einen jungen Mann, der goß in der Silvesternacht einen Sarg.
Was glauben Sie? Noch in derselben Nacht hat sich der junge
Mann verlobt."
V v r s i ch t.
„Ich möchte Examensfrack und Hose leihen." — „Den Frack
können Sic haben. Examenshosen verleihe» mir aber nur unter
Deponierung des Anschaffungswertes."
20
Ls war einmal eine Gans. Die war so dumm, daß es sogar ihre
Mitschwestern merkten. Ls war auch zu lächerlich, mit welcher Ein-
bildung sie dahergewatschelt kam. gravitätisch sein wollend, mit hock'-
erhobcnem Schnabel. Und
ihre Toilette war so ge-
künstelt und plump geziert
wie nur möglich. — Hin-
ten hatte sie eine Pfauen-
feder angebunden, um mehr
gleichzuschcn und recht auf-
zufallen. „Merkst du eigent-
lich, wie blöde du wirkst mit
deiner eingebildeten Pose?"
höhnten die andern. Sic aber
berief sich auf gewisse Men-
schen, die sie gesehen hatte,
besonders auf ein ältliches
Fräulein, das zur Sommer-
frischc auf dem Gut hier
gewohnt und ihr recht sehr
imponiert hatte. Die hatte
sich immer vor den Spic-
gcl gestellt und zusammen-
gerichtct und gesagt: „Wenn
man nichts ist, das heißt,
wenn nian nichts hat, dann
muß man wenigstens so tun
als ob, und schauen, daß
man was glcichsieht. Schließ-
lich kommt dann doch mal
einer und heiratet einen."
Bei der Gans war's aber
anders. Ls kam kein Gan-
scrcr, um sie zu freien, wäh-
rend es sonst für eine Gans
geradezu ein Kunststück ist, als alte Jungfer sitzenzubleiben. Sie
aber wurde wirklich verspottet und gemieden. „Du eingebildeter
dummer Mensch!" rief man ihr nach auf der Straße. Da faßte
sie den Entschluß, sich von ihresgleichen abzuwcndcn, um höhere
Kreise der Lrdcnbewohner aufzusuchen, eben jene, in denen sie ihr
erhabenes Vorbild gefunden hatte. Und sie niachte sich auf in die
Stadt und ging in die Wohnung zu dem ältlichen Fräulein, das
sie voni Sommer her kannte. Sic schnatterte ihr in gewählten
und gequälten Phrasen vor,
daß sie den Umgang mit
ihresgleichen satt habe. Und
daß sie nicht wie die an-
dern die Menschen für herz-
lose Egoisten und Mate-
rialisten, sondern für die
wahre Krone der Schöp-
fung, für die idealen Ver-
treter des Schönen und Gu-
ten halte. Und sie bat, ihr
den Umgang mit ihnen zu
gewähren, damit ihr Drang
nach Höherem, nach dem
Erhabenen in der Welt er-
füllt werde. Die ältliche
Jungfer lachte. Zunächst
war sic ein wenig geschmei-
chelt, daß gerade sie ihr
diese hohe Meinung von
der menschlichen Größe bei-
gebracht hatte. Uls sie aher
hörte, daß die Pfauenfeder
eigentlich eine Nachahmung
ihrer eigenen Person sein
sollte, besann sic sich doch
eines andern: „Sag'mal",
fragte sic die Gans, „bist du
bereit, deiner eigenen Über-
zeugung von der Größe und
Güte des Menschen jedes
Dpferzn bringen?" — „Ge-
wiß", enlgcgnctc die Gaus entschlossen. — „Nun", lachte das Fräulein,
„so will ich dir denn schonend mittcilen, daß wir dir heute noch den
Kragen umdrehen werden. Morgen ist nämlich Martini." Da sah sie
denn ein, daß sie wirklich eine dumme Gans war. Das war aber,
wie gewöhnlich bei der Selbsterkenntnis, leider zu spät. M. X
sieul' hat mir inci' Dirndl an’ Ccbzcllcn g'schenkl,
fl zuckcrlüah’ Rerzl; da Hab' i' mir denkt:
Oh Dirndl, mci' Dirndl, dei’ Eiab’ macht mi'
reich,
's ?iiri?rrfüaf}r üjrrjl.
Ob bleibet f doch immer dem Lebzelten gleich!
So [nah und so fn[cb hält' >' [’ alleweil gern,
I wollt’, sie kunnt niamals net altbacken wer n.
Tita viele bat [cbo' (o a Lebzelten g'freut,
Immer verbindlich.
„Sieh an, Blümlc, Sie leben noch, idt dachte, Sic hätten längst
das Zeitliche gesegnet." „Nach Ihnen, Herr Verwalter, nach
Ihnen." ^
Schlau Peter.
Ich bestellte bei Kohn Kartoffel en gros, einige Zentner. Bei
der Ablieferung, oh du mein Schreck, sind sic alle schlecht. Ick) lause
schnurstracks zu Kohn, um ihm vorwurfsvoll vorzuhalten: „Herr
Kohn, nehmen Sie sofort Ihre Kartoffel zurück, sie sind nichts wert,
eine wie die andere ist schlecht!" — „Ich und zurücknehme»?!" er
widert Kohn, „was kann ich dafür, ich Hab' Ihnen doch gleich ge
sagt, eine ist wie die andere."
Und hat [!’ gar g'lpasii' verkehrt mit der Zeit:
6s is scho' zu manchem [ein’ Kummer und
Zorn
fl zuckertiiafV sterzl a Salzbren'n wor’n.
Hermann Tranz.
W n !| > c o G cschichtchc tt.
Als wir itt der Silvesternacht gerade bei dem mit Recht so be-
liebten Bleigießen waren, meint Herr Pardubitzer: „Ist doch ein
rechter Aberglaube diese ganze Bleigießcrei." Da antwortet mein
Sntel mit dumpfer Stimme: „Sagen Sie das nicht! Ich kannte
einen jungen Mann, der goß in der Silvesternacht einen Sarg.
Was glauben Sie? Noch in derselben Nacht hat sich der junge
Mann verlobt."
V v r s i ch t.
„Ich möchte Examensfrack und Hose leihen." — „Den Frack
können Sic haben. Examenshosen verleihe» mir aber nur unter
Deponierung des Anschaffungswertes."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die dumme Gans"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 160.1924, Nr. 4095, S. 29
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg