einen halben Zentner Segenswünsche, drei Kilo Pellidolsalbe
und eine spezialisierte Rechnung mit auf den Weg.
In Hamburg kaufte ich einen Krückstock und suchte den mir
empfohlenen Medizinmann auf. Dieser Wackere hatte nichts
eiliger zu tun, als meinen feuchten Verband herunterzureißen
und mich den Strahlen der künstlichen Höhensonne auszusetzen.
Was mich dabei besonders erstaunte, war der Umstand, daß der
Kursus in Höhensonne zu ebener Erde stattfand,- denn der Doktor
wohnte parterre. Vach vierzehn Tagen hatte er mir die Hare
nach allen Regeln der Kunst verbrannt und war tiefbetrübt.
Ich nicht minder. Man verfrachtete mich nach dem Weißen Hirsch
bei Dresden und ordnete Bäder in glühendheißem Seifenwasser
an. Bis dahin glaubte ich blindlings den Ratschlägen meiner
Ärzte und nahm Qualen und Schikanen mit stoischer Gelassen-
heit hin. Auf dem Weißen Hirsch holte ich mir einen Herzklaps
und bekam Kampferinjektionen. Die Bäder waren zu heiß
gewesen. Ein neuer Ärzt verwarf die bisher eingeschlagenen
Methoden und spritzte mir Milch in den Oberschenkel. Voch
immer war die Wunde 12 cm lang und 5 cm breit. Ein wahres
Wunder, daß der Knochen nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Von Dresden aus mußte ich nach Leipzig. Die Behandlungs-
weise wurde gewechselt. Keine Bäder, keine Einspritzungen —:
trockene Verbände. Ein medizinisch veranlagter Freund, der
mich besuchte, verschrieb mir Varieosan-Binden und verbot mir
jede Bewegung aufs strengste. Nur im Liegen könne das Bein
heilen. Das Loch in der Kniekehle mache ihm keine Kopf-
schmerzen, wohl aber das Schienbein. Das werde noch Monate
dauern, bis es in Ordnung sei. Inzwischen erschien der Ärzt,
der die trockenen Verbände angeordnet hatte, aus der Bildstäche
und schimpfte gotteslästerlich über den Blödsinn, mir Ruhe und
Schonung aufzuzwingen. Es eftstiere neben der Behandlung
mit Dermatol-Puder nur ein einziges Mittel, die Geschichte zu
erledigen: Bewegung. Wenn ich mich nicht bewege, eifrig be-
wege, systematisch bewege, müsse ja das Bein steif bleiben. Weg
mit dem Stock! Schluß mit dem ewigen Herumliegen! Viel
Bewegung! Den ganzen Tag laufen und Treppen steigen!
Das offene Schienbein mache ihm keine Sorgen, oh, das sei
absolut unbedenklich. Aber das Loch in der Kniekehle. Ob in
unserer Familie etwa . . . Tja, er werde eine Blutprobe
nehmen. . . .
hatte, würden, aneinandergelegt, die Strecke von der Universität
München bis zum Hohentwiel und retour ergeben. Die ein-
schlägigen Verleger weigerten sich, fürderhin Vorschüsse zu
zahlen. Ich stand mitten in der Pleite. Mein Vermögen war
aufgebraucht. Ich pfiff auf sämtliche Arzte.
Ich beschloß, meine kranke Hare mit Vichtachtung zu strafen.
Sollte ich mich von einem meiner eigenen Beine unterkriegen
lassen? Sollte ich ein albernes Schienbein über mich trium-
phieren lassen? Ich ignorierte die lästige Angelegenheit und er-
reichte dadurch, daß das Bein, bleich vor Wut, den passiven
Widerstand abbaute und gefügig wurde.
Sich selbst besiegen — und sei es auch nur ein Gehwerk-
zeug — ist der schönste Sieg.
Woher das Geld nehmen?
Unsere Finanzgenies sind um neue Steuern verlegen? „Sie
gleichen nicht selten einem Mann, der ein Seil von Heu dreht,
das hinter ihm ein Esel wieder abfrißt", spottet der lachende
Demokrit. Daß man heute das Lachen nicht besteuert, obgleich
ein römischer Kaiser ähnliche Äußerungen mit Abgaben belegt
hat, ist erklärlich. Diese Steuer würde zu dürftig ausfallen.
Aber wie wäre es denn mit einer Perücken-, Bandschleifen-,
Schuh- und Stiefelsteuer, wie sie der alte Fritz geschaffen hatte?
Mit der Umlage auf das Sonnenlicht, wie Swift sie vorschlug,
oder auf Särge, wie ein anderer Brite empfahl? Oder der
Streckung des Iahres auf H Monate, die zur Erhöhung des
Monatstributs ein römischer Gouverneur in Gallien einführte?
Der Reichsfinanzminister sollte mehr Carl Iulius Weber lesen.
Er könnte viel von ihm lernen. Wellshaeuser
Was ich wissen möchte:
Ob wohl im Herzen eines Dandys dir heiligen drei Könige
oder Schneewittchen oder Aladin noch eine Rolle spielen?
Was wohl ein Eskimo denkt, warum er für lustige Bilder
und ernste Filme der zivilisierten Menschen geeignet ist.
Wieviel Angst ich in meinem Leben hätte ausstehen müssen,
wenn ich einen Tag später geboren wäre und die besten Ge-
legenheiten versäumt hätte! T.
Wir schieden als mittelgute Freunde. Ich siedelte für vier
Wochen nach München über. Das war im April dieses Fahres.
In München konsultierte ich einen Spezialisten für Hautkrank-
heiten. Er rasierte mein Bein, sckruppte micb mit Benzin ab
und streute klaren Zucker aus die Wunde. Als nach einer Woche
keinerlei Besserung eingetreten war, besckmierte er mich mit
einer Paste, die hieß Sckarlachrok. Überdies riet er mir, in eine
Klinik zu geben und eine Liegekur anzutreten.
Oie Mullbinden, die icb bis zu diesem Termin verbraucht
Logischer Beweis.
Die Polizei funktioniert geräuschlos. Funktionierte die Polizei
nickt geräuschlos, so funktionierte sie mit Geräusch. Funktionierte
sie mit Geräusch, so wäre viel Lärm in der Stadt. Wäre viel
Lärm in der Stadt, dann wären alle Diebe auf ihrer Hut.
Wären die Diebe auf ihrer Hut, so arbeiteten sie nur noch vor-
sichtig und in dunkler Vacht. Die Diebe arbeiten aber unvor-
sichtig und am hellen Tag, also funktioniert die Polizei geräuschlos.
3ibebe-Vord
128
und eine spezialisierte Rechnung mit auf den Weg.
In Hamburg kaufte ich einen Krückstock und suchte den mir
empfohlenen Medizinmann auf. Dieser Wackere hatte nichts
eiliger zu tun, als meinen feuchten Verband herunterzureißen
und mich den Strahlen der künstlichen Höhensonne auszusetzen.
Was mich dabei besonders erstaunte, war der Umstand, daß der
Kursus in Höhensonne zu ebener Erde stattfand,- denn der Doktor
wohnte parterre. Vach vierzehn Tagen hatte er mir die Hare
nach allen Regeln der Kunst verbrannt und war tiefbetrübt.
Ich nicht minder. Man verfrachtete mich nach dem Weißen Hirsch
bei Dresden und ordnete Bäder in glühendheißem Seifenwasser
an. Bis dahin glaubte ich blindlings den Ratschlägen meiner
Ärzte und nahm Qualen und Schikanen mit stoischer Gelassen-
heit hin. Auf dem Weißen Hirsch holte ich mir einen Herzklaps
und bekam Kampferinjektionen. Die Bäder waren zu heiß
gewesen. Ein neuer Ärzt verwarf die bisher eingeschlagenen
Methoden und spritzte mir Milch in den Oberschenkel. Voch
immer war die Wunde 12 cm lang und 5 cm breit. Ein wahres
Wunder, daß der Knochen nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Von Dresden aus mußte ich nach Leipzig. Die Behandlungs-
weise wurde gewechselt. Keine Bäder, keine Einspritzungen —:
trockene Verbände. Ein medizinisch veranlagter Freund, der
mich besuchte, verschrieb mir Varieosan-Binden und verbot mir
jede Bewegung aufs strengste. Nur im Liegen könne das Bein
heilen. Das Loch in der Kniekehle mache ihm keine Kopf-
schmerzen, wohl aber das Schienbein. Das werde noch Monate
dauern, bis es in Ordnung sei. Inzwischen erschien der Ärzt,
der die trockenen Verbände angeordnet hatte, aus der Bildstäche
und schimpfte gotteslästerlich über den Blödsinn, mir Ruhe und
Schonung aufzuzwingen. Es eftstiere neben der Behandlung
mit Dermatol-Puder nur ein einziges Mittel, die Geschichte zu
erledigen: Bewegung. Wenn ich mich nicht bewege, eifrig be-
wege, systematisch bewege, müsse ja das Bein steif bleiben. Weg
mit dem Stock! Schluß mit dem ewigen Herumliegen! Viel
Bewegung! Den ganzen Tag laufen und Treppen steigen!
Das offene Schienbein mache ihm keine Sorgen, oh, das sei
absolut unbedenklich. Aber das Loch in der Kniekehle. Ob in
unserer Familie etwa . . . Tja, er werde eine Blutprobe
nehmen. . . .
hatte, würden, aneinandergelegt, die Strecke von der Universität
München bis zum Hohentwiel und retour ergeben. Die ein-
schlägigen Verleger weigerten sich, fürderhin Vorschüsse zu
zahlen. Ich stand mitten in der Pleite. Mein Vermögen war
aufgebraucht. Ich pfiff auf sämtliche Arzte.
Ich beschloß, meine kranke Hare mit Vichtachtung zu strafen.
Sollte ich mich von einem meiner eigenen Beine unterkriegen
lassen? Sollte ich ein albernes Schienbein über mich trium-
phieren lassen? Ich ignorierte die lästige Angelegenheit und er-
reichte dadurch, daß das Bein, bleich vor Wut, den passiven
Widerstand abbaute und gefügig wurde.
Sich selbst besiegen — und sei es auch nur ein Gehwerk-
zeug — ist der schönste Sieg.
Woher das Geld nehmen?
Unsere Finanzgenies sind um neue Steuern verlegen? „Sie
gleichen nicht selten einem Mann, der ein Seil von Heu dreht,
das hinter ihm ein Esel wieder abfrißt", spottet der lachende
Demokrit. Daß man heute das Lachen nicht besteuert, obgleich
ein römischer Kaiser ähnliche Äußerungen mit Abgaben belegt
hat, ist erklärlich. Diese Steuer würde zu dürftig ausfallen.
Aber wie wäre es denn mit einer Perücken-, Bandschleifen-,
Schuh- und Stiefelsteuer, wie sie der alte Fritz geschaffen hatte?
Mit der Umlage auf das Sonnenlicht, wie Swift sie vorschlug,
oder auf Särge, wie ein anderer Brite empfahl? Oder der
Streckung des Iahres auf H Monate, die zur Erhöhung des
Monatstributs ein römischer Gouverneur in Gallien einführte?
Der Reichsfinanzminister sollte mehr Carl Iulius Weber lesen.
Er könnte viel von ihm lernen. Wellshaeuser
Was ich wissen möchte:
Ob wohl im Herzen eines Dandys dir heiligen drei Könige
oder Schneewittchen oder Aladin noch eine Rolle spielen?
Was wohl ein Eskimo denkt, warum er für lustige Bilder
und ernste Filme der zivilisierten Menschen geeignet ist.
Wieviel Angst ich in meinem Leben hätte ausstehen müssen,
wenn ich einen Tag später geboren wäre und die besten Ge-
legenheiten versäumt hätte! T.
Wir schieden als mittelgute Freunde. Ich siedelte für vier
Wochen nach München über. Das war im April dieses Fahres.
In München konsultierte ich einen Spezialisten für Hautkrank-
heiten. Er rasierte mein Bein, sckruppte micb mit Benzin ab
und streute klaren Zucker aus die Wunde. Als nach einer Woche
keinerlei Besserung eingetreten war, besckmierte er mich mit
einer Paste, die hieß Sckarlachrok. Überdies riet er mir, in eine
Klinik zu geben und eine Liegekur anzutreten.
Oie Mullbinden, die icb bis zu diesem Termin verbraucht
Logischer Beweis.
Die Polizei funktioniert geräuschlos. Funktionierte die Polizei
nickt geräuschlos, so funktionierte sie mit Geräusch. Funktionierte
sie mit Geräusch, so wäre viel Lärm in der Stadt. Wäre viel
Lärm in der Stadt, dann wären alle Diebe auf ihrer Hut.
Wären die Diebe auf ihrer Hut, so arbeiteten sie nur noch vor-
sichtig und in dunkler Vacht. Die Diebe arbeiten aber unvor-
sichtig und am hellen Tag, also funktioniert die Polizei geräuschlos.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Patient"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 160.1924, Nr. 4105, S. 128
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg