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Radio beim Simmerlbauern

Eines Tages erhielt ich einen Brief mit markanten ländlichen
Zügen. Ich kannte die Schrift sofort; sie stammte von dem in der
ä?amsterzeit „entdeckten", lieben Vetter aus Hinterfirmiansreut im

fünfzig Pfennige:' - ..Selbstverständlich helfe ich Ihnen!“ - „Einver-
standen!“ - „Ziehen Sie 'n 'rauf, dann zieh ich 'n ’runter!“

Bayrischen Wald. Von dieser edlen, unberührten, schlichten Land-
jeele konnte nur Gutes kommen. Ich las die Adresse:

A» den bochwohlgepohrnen
Herrn

Düppl Ohmlandwirt Schwerigkofer

in Minken
Post dortselpst.

Ich öffnete diese Urkunde bäuerlicher Stilistik, welche also lautete:

Hinkersirminsreui, den 10. Augnst 26.
lieber Veder und Spezi!

Indem daß ich schon lange von Enk nix mehr gehört habe, scheint es
mir, daß es dir nicht guht get, denn sonst battst du schon ebbs von dir ge-
schrieben. Kirzlich habe ich beim Folkefest in Vilshofen deinen Freind ge-
trohfen mit dem ich gesoffen und geraust Hab«, was das Folksfest erst
seuerlich machte und dann Hab ich deinen Freind gefragt, wie eS Enk get
und dan hat der gesakt, daß öS Sratfracken keine Arbeit und nichts nicht
znm Nacken und Beißen habts, hat er gesackt und dann hast du mir der-
barmt, weil du in der Infalation ihmeer die Oah und den Buder und
taS Gselchte so gut gezollt hast und ich habe mir gedenkt, daß ist ein Werg
der Barmherziggeit, wenn ich den halbverhunkerten Statfrack, laß pi«t
du, mein lipper Veder, zu mir einlade. Indem daß du als Düppl Ohm-
landwirt auch ebbs vastehst von die Kuh und Säuh und von der Arndt,
(Ernte) Hab ich mir denkt, kunntst ihn einladen, taß er dir hielft, Hab ich
mir denkt, bei der Arnt und tasür giebst du ihm ein gude« Ehsen aus christ-
licher Nächstenlippe und hast himmlischen Lohn und der Statfrack hat wa«
zum Fressen und es is jeden geholffen, Hab ich denkt.

Damit ins die Apentstunden net zu lang werten, Hab ich jetzt auch einen
Riardio, wia öS in der Stat, derwo Must machd und heiderne und ernsde
Vordrecke bringkt.

Also kimm zum arbeiden und fressen und saufen und zum Radi Oh und zu
deinen dichlippenden Veder und Spezi, Simon Bauer
Ohgonohmen in HinderfirminSreut
Bost taselpst.

Ich beschloß, der Einladung folge zp leisten und am nächsten Tage
abzureisen. Abends um 7 Uhr kam ich in Hinterfirmiansreut an.

Ohne erst gearbeitet oder gegessen und getrunken zu haben, packte
mich der Simmerlbauer, mein freundlicher Wirt, mit seinen Wald-
lertatzen und zog mich an den Radioapparat. „Jetzt gehts glei oh,
sagte er, lus auf!" Darauf setzte er mir die Kopfhörer auf. „Jetzt
baßk auf, sagte der Simmerlbauer, fixt as, z' nächst muaßt am Di-
rektor (Detektor) umanandareibn, bis daß ma dö richtige Wellen-
länge Ham." Dabei kurbelte er, als gälte es einen Automobilmotor
anzulaffen. „Wos wuist denn oftan hörn, Minga, (München) oder
Wean, (Wien) oda Berlin; naa, Berlin nöt, woaßt, dö Breiffn,
mit dene Han is gar nöt, feit 's uns amoi so lang nöt abglöst Ham,
in da Stellung vorn bei Verdun." Dabei betonte er das „V" wie
IO „F". „Woaht,"sagte der Simmerlbauer, „hörn kannst da netta
ois, von alle Nation» des „eirobeifchen Kontigens" denn dös iS a
3 Röhrenabarad. Ieffas, Ieffas na, schier hät i vogeffen, daß i d'
Notenbatterie (Anoden Batterie) eigschalt hät, aft hätt ma uns z'tot
lufn kinna und dennast nirn nöt g'hört, den ganzen Abend." Er
drückte den Stövsel in die Anodenbatterie, als gälte es, einen Patent-
hosenknopf einzudrücken. Die Lampen glühten auf. „Sixt as," fuhr
er fort, „jetzt leichtn's, d' Lamperln. Hörst ebbas?" Ich schüttelte
verneinend den Kopf. „Sakra," sagte der Bauer, „jetzt hält i d'
Rückkupplung vogeffn und dös is d' Hauptsach. Woaßt, do kannst
dö andern, dö wo aa an Radi ham, so fein in d' Ohrwaschln eini-
pfeifa, daß moanan, d' Luser reißt 's eahna weg. Mir Ham 's is aa
scho a so g'macht, aba außabringa bei iö tua, dö Höllsakra, aftern
hams nir zum Lacha, ozoagn (anzeigen) tua is auf der Stell." Dann
schraubte er an der Rückkopplung, daß mir die Haare zu Berg stan-
den, wenn ich der zahlreichen Radiofreunde der näheren und weite-
re» Umgebung gedachte. Der Simmerl trug auch ein paar Kopf-
hörer. Nun drehte er vor- und rückwärts, daß es eine Art war.

$

Praktisch. „Ja mas haben Sie denn da in dem Vogelkäfig?“ — „Meinen
IJut. damit ihn der Sturm nicht mitnimmt.“

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der pfiffige Landstreicher" "Praktisch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Hesse, Rudolf
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Arbeit
Landstreicher <Motiv>
Schläue
Sturm
Hut
Vogelkäfig
Straße

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 166.1927, Nr. 4255, S. 92

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