Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Ausblick ins Grüne

Ich bin für Stimmung. Ich bin Poet. Ich bin Naturschwärmer.
Also eine Wohnung mit Ausblick ins Grüne, ohne Vis-a-vis! Eine
Wohnung, wie ein Junggeselle mit Poesie, drei Hemden und
zwanzig Büchern sie braucht.

Und es kam ein Brief sauber getippt. Kuverlformat, Papierfarbe,
Anordnung der Freimarke — alles atmete Stimmung. Und erst der
Jnbalt! „Bezugnehmend — anbieten — ohne Vis-a-vis — Blick
ins Grüne!" Wer war glücklicher als ich! Also hin!

Da ich Nähe des Stadtzentrums gesucht hatte, fuhr ich zunächst
mit der Elektrischen dreißig Mi-
nuten hinaus. Die ersten Bauern-
häuser begannen schon. Es war
wirklich stimmungsvoll. Aber ich
kam doch schließlich an. Und sie
nahm mich mit bestrickender Lie-
benswürdigkeit auf, die weibliche
Hälfte des - wie der Brief be-
ruhigend gesagt — kinderlose» jun-
gen Ehepaares. Schuldbewußtsei»
soll immer liebenswürdig machen,
denn ich mußte ja das Zimmer nun
sehen und trat erwartungsvoll, mit
einer gewiffen Weihestimmung an
das Fenster meines künftigen
Heims. Aber der Blick ins Grüne
stimnite wirklich, d. h. juristisch
genommen. Denn wenn man das
Feld dieses Blickes cinschränkte
und sich auf eine Fläche von zwanzig
Zentimeter im Geviert streng kon-
zentrierte, dann stand unmittelbar
vor der unteren, rechten Scchftel-
scheibe des Fensters die „Krone"
eines Vorgarten-Zwergakazien -
baunies, bestehend aus drei neben-
einander geordneten Zweigen von
je zwanzig Zentimeter Höhe und
je dreißig, teilweise von Raupen
»och nicht angefreffenen Blättchen.

In den übrigen Flächenraum der
sechs Scheiben bohrten sich aus einem gegenüberliegenden Häuser-
balbkreis soviel Fensteraugen, daß ich erschrocken zurückfuhr. Ich
zählte: es waren 71 Fenster und nebenbei zwecks freierer Inspizierung
meines Zimmer-Inneren noch zwölf Balkone, ein Erker und eine
Riesenveranda.

Es muß in meinem Blick, den ich auf die weibliche Hälfte des
kinderlosen, diese Wohnung mir anbietenden Ehepaares richtete, et-
was mildVorwurfsvolleS,fragendHinsterbendes gelegen haben.Denn
die junge Frau wies mit verlegenem Lächeln auf einen freien Platz
inmitten des Halbkreises der mit 71 gewöhnlichen und 14 Stiel-
augen spähenden Häuser. Dieser Platz war öde und leer, mit Disteln
und Dornen bewachsen, aus Sand und Steinen bestehend, umzäunt
mit einem durchsichtigen Lattenzaun und augenblicklich nur von eini-
gen Hühnern und Enten belebt. Er war trostlos, dieser Platz.

„Aber das ist doch ,kein - Vis-ü-vis?'" Beschwörend klang dieser
Hypnoseversuch einer hoffnungslosen Taktik. Ich setzte jene Miene
auf, die ich im geschäftlichen Leben - meist erfolglos! - anwende,
wenn ich mich betrogen fühle. Ein mir sonst fremder Zug von sitt-
licher Strenge verschönte mein ohnehin geistvolles Gesicht. Das arme
junge Frauchen duckte sich wie unter einem kommenden Gewitter.
Gegen Verheiratete bin ich stets unerbittlich streng. Es schwingt da
ein Gefübl des beleidigten Junggesellen mit. Aber das Gewitter —
selten für den Münchner Sommer! — kam nicht zum Ausbruch.

Im Gegenteil — noch seltener! —
statt des Regens Sonnenschein!
Denn siehe, jener Platz, so steinig
und öde und diftelvoll bisher, hatte
sich plötzlich in ein blühendes Para-
dies verwandelt. Ein Zwitschern
wie von hundert Vögeln! Ein Far-
benleuchten wie von tausend Blu-
men! Ein Durcheinanderwirren
wie auf einer abbrennenden, von
Überschwemmung und Erdbeben
bedrohten Oktoberwiese! 40 junge
Mädchen, eines reizender wie das
andere! Ich fühlte mich sofort wie
in Smoking und Hosenbandorden.
Mein Gesicht nahm die Miene des
Kolumbus bei Sichtung der Küste
Amerikas an.

„Was ist das, gnädige Frau?"
Sieghaft strahlten mir jetzt die
Augen meiner werdenden Haus-
wirtin in sicherem Triumph ent-
gegen, als sie sagte: „Dieser Platz
gehört zu jenem Hause - „jenes"
Haus war das größte, mit 26
Fenfteraugen, einem Balkon und
der Riesenveranda. — Und jenes
Haus ist ein Mädchenpensionat!
Und dieser Platz füllt sich täglich
mehrmals — — —"

Ich unterbrach verständnisin-
nig: „Mit grünem Gemüse, gnädige Frau! Eine ideale, eine ganz
ideale Wohnung! Ick miete sofort. Denn ich liebe überalles den
Ausblick ins Grüne!" Edmund Schopen

Der berubigende Heiratsvermittler

„Die Dame soll 's mit der Niere zu tun haben?"

„Eine kleine Schrumpfung, mein Herr, gesundheitlich obne Be-
denken, bloß ein innerer Schönheitsfehler!"

Die geschickte Hand

Chirurg (vor der Operation): „Sie scheinen großes Vertrauen
zu mir zu haben?"

Patientin (Köchin): „Unbegrenztes, Herr Professor; ich sab Sie
mal eine Gans tranchieren."

Sie: ..Du bist mir zu langiueilig. ich gehe zu Ilse."
Börsianer im Halbschlaf: „«Ilse» ist gut. bleib dabei!"

268
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Ohne Titel
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Geis, Josef
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Langeweile
Börsenmakler

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 166.1927, Nr. 4270, S. 268

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen