Der alte Madelmayer
Theobald Schlaucherl war abgebauter Bankbe-
amter. Die abflauende Konjunktur hatte ihn auf
die Straße geworfen wie so viele seiner Kollegen.
Doch Theobald verzagte nicht. Er verschmähte es,
als Chauffeur oder Hilfskellner ein ftandeswidriges
Dasein zu führen; zehrte von seiner Abfertigung und
wartete auf den großen Schlager, aus die sensa-
tionelle Idee.
In Theobalds Nachbarschaft wohnte der alte
Madelmayer, ein 107 jähriger Greis, dem seine
Enkelin, Frau Wokurka, die Wirtschaft führte.
Schlaucherl sah den bezirksbekannten Ahasver ein-
mal im Fenster lehnen. Und die Idee, die lang-
ersehnte Idee, durchzuckte ihn. Hastig rannte er die
elenden Treppen hinauf und klopfte an Madelmayers
Wohnungötür. Die Enkelin des Greises empfing
den Gast.
„Wollen Sie Geld verdienen? Viel Geld?"
Frau Wokurka war nicht abgeneigt. Nach kurzer
Besprechung war man handelseins.
Der Reklamechef des Weltbauses „Gschlader 8c
Co., Kaffee und Importen" empfing Herrn Schlau-
cherl nicht eben freundlich. Er kannte sie nur zu gut,
die jungen Leute mit den großartigen Ideen!
Als aber Theobald mit seinem Plan beraus-
rückte, da nickte der erfahrene Routinier bei-
fällig und meinte: „Das ist wirklich eine
Idee! Wieviel verlangen Sie?"
— — Knapp zwei Wochen später tauchte an
den Litfaßsäulen und Mauerwänden ein Por-
trät des alten Madelmayer auf, dem folgen-
der Terl unterlegt war:
DIESER MANN
Eusebius Madelmayer
i st 107 Jahre a l t
und kerngesund, weil er von Jugend aus nach jeder
Mahlzeit eine Taffe Gschlader-Kaffee, nur echt mit der
Schutzmarke „Brunnen" trank. Geschlader-Kaffee ist
von wunderbarem Wohlgeschmack, stärkt den
Organismus und kostet nur . . .
„Mein Herr," sprach Theobald Schlaucherl
zum Prokuristen der Südfrüchtenhandlung
„Sarvaladi'ö Söbne", wollen Sie bitte diese
Statistik betrachten .'Seit die Firma Gschlader
mein Madelmayerplakat affichiert hat, also
seit einem Monat, hat sich der Gesamtumsatz
um 21596 Mark 4? Pfennig gehoben, was
bei der vorsichtigen Gschlader'schen Kalkulation
einen Reingewinn von fast zwanzigtausend
Mark bedeutet. Sie ersehen daraus, ..."
Das Resultat der Unterredung war ein
überaus wirksamer Maueranschlag:
WOLLEN S I E
107 Jahre alt werden?
Wie dieser Mann, Eusebius Madelmayer? Dann kausen
Sie reife, westindische Bananen nur bei der Firma
Sarvaladi's Söhne, gegr. 1856, wo auch Herr Madel-
mayer seil dem Tage der Keschästsgründung täglich
seine Bananen bezieht!
Die Madelmayerreklame wurde rasch populär.
Madelmayerplakate beberrschten das Stadtbild.
Und Schlaucherl verkaufte sein Patent ziemlich wahl-
los. Wenn er Madelmauers Mammutalter auf die
vortrefflich« Behandlungsmethode Dr. ined. univ.
Maurus Waffertrilling zurückführte, so klang das
immerhin noch glaubhaft. Indes die Behauptungen,
der Greis sei durch fortgesetzte Verwendung von
„Diamant"-Schuhpasta oder durch das Tragen von
„Dandy"-Hüten und „Aeternit"-Sockenhaltern 107
Jahre alt geworden, die Grenzen der Wahrschein,
lichkeit stark überstiegen.
Immerhin konnte Schlaucherl nach einem Jahr
die Aktienmajorität einer Filmfabrik in Hollywood
erwerben und als gemachter Mann nach Florida
übersiedeln. Seinen 25"/gigen Kompagnon, den alten
Madelmayer, war er bald losgeworden: Der hatte
die Gratisproben einiger dankbarer Firmen versucht,
und war nach Genuß von Gichladerkaffee und Sar-
valadibananen schwer erkrankt, worauf ihm die Be-
handlungsmethode des l)r. Maurus Waffertrilling
den Rest gab.
Friede seiner Asche!
Übrigens lebt Madelmayers Andenken in 137
Plakaten fort. Sa>p-,-r
Kathederblüten
Der guate, alte Pfarra z' Loch 'n,
Der hat si’ amal schö’ oersproch n.
„Leut'." hat er predigt an an' Surida.
„Bitrachts amal dös große Wunda.
Wo ins im heutig’n Eoangeli
Verzählt der Sankt Johannes seli':
D’ Apostel ham zum Heiland g'sagt.
Daß d’ Leut’ a so der Hunga plagt:
Da hat er si’ dös Wunda gleist’.
Er geht ganz oafaeh her und speist
(So was ko nur der Harne God!)
Eimf Mensch’n mit fimfdausad Brod!"
Da hat der Wagnerfranz oermess'n
Sein' Nachbarsmo’ in d’ Seit’n g’stess'n:
,.A soichas Wunda," sagt er laut.
..Hätt’ i mi ’ aa zum wirk’n traut!"
Der Pfarra hat ’s bis uuffa g'hört,
(Woaßt, wia der drüber fuchti’ merd!)
Drum hat er denkt: „Dös next’ Jahr wähl' i
Mit Fleiß dös nämli’ Eoangeli /"
Im Mittelalter konnten sich Verbrecher
durch Tragen von glühendem Eisen rein-
waschen.
Der Kaiser mußte Italien verlaffen, weil
an seiner Herrlichkeit imInnern seines Reiches
ein Wurm fraß.
Das verführerische Gesicht
Angeklagter: „Herr Vorsitzender, ich pro-
testiere dagegen, daß die Zeugin, der ich den
Kuß raubte, mit verschleiertem Gesicht hier
vor Gericht erscheint — das Gesicht ist mein
mildernder Umstand!"
Der pünktliche Hah»
„DerHahn,den ich gestern abend beiIhne»
verzehrte, bat mir schwer im Magen gelegen!
Um vier Ubr wurde ich schon wach!"
„Ja, das ist so seine Zeit, um vier Uhr
morgens weckt er immer!"
I hd riehti . über 's Jahr am Suncla.
Da red’t er wieda oo dem II it/ida!
„Dös ko alloa der Liawe God:
Eimfdausad Mensch’n mit fimf Brod!"
Na’ schreit er awa oo’ der Kauz!:
,, Was sagst denn nach a je tut, Franz!.
ln deina Bank da drunt’n drin na ?
Moanst leicht, du wuredst aa dös kinna f.
„Ha." lacht der Franzi, „allawei!
Da is do' weicht nix clabei:
's muaß ja oo' oorigsjahr, o mei,
AHaufa Brod no’ iibri' sei !“ Hem. Franz
Der bosbafte Dorfbewohner
„Gehirnentzündung soll bei dem kranke»
Gemeindevorsteher im Anzuge sein? Na, ein
Großseuer wird das nicht!"
Richtig
Hausfrau (zum neuen Mädchen): „Mir
scheint, daß Sie einen ziemlich hohen Lohn
verlangen, da Sie ja noch gar kerne Erfabrun-
gen haben." — Die Neue: „Eben, gnädige
Frau, wenn man noch nicht recht Bescheid
weiß, muß man viel mehr arbeiten!" — —
274
Theobald Schlaucherl war abgebauter Bankbe-
amter. Die abflauende Konjunktur hatte ihn auf
die Straße geworfen wie so viele seiner Kollegen.
Doch Theobald verzagte nicht. Er verschmähte es,
als Chauffeur oder Hilfskellner ein ftandeswidriges
Dasein zu führen; zehrte von seiner Abfertigung und
wartete auf den großen Schlager, aus die sensa-
tionelle Idee.
In Theobalds Nachbarschaft wohnte der alte
Madelmayer, ein 107 jähriger Greis, dem seine
Enkelin, Frau Wokurka, die Wirtschaft führte.
Schlaucherl sah den bezirksbekannten Ahasver ein-
mal im Fenster lehnen. Und die Idee, die lang-
ersehnte Idee, durchzuckte ihn. Hastig rannte er die
elenden Treppen hinauf und klopfte an Madelmayers
Wohnungötür. Die Enkelin des Greises empfing
den Gast.
„Wollen Sie Geld verdienen? Viel Geld?"
Frau Wokurka war nicht abgeneigt. Nach kurzer
Besprechung war man handelseins.
Der Reklamechef des Weltbauses „Gschlader 8c
Co., Kaffee und Importen" empfing Herrn Schlau-
cherl nicht eben freundlich. Er kannte sie nur zu gut,
die jungen Leute mit den großartigen Ideen!
Als aber Theobald mit seinem Plan beraus-
rückte, da nickte der erfahrene Routinier bei-
fällig und meinte: „Das ist wirklich eine
Idee! Wieviel verlangen Sie?"
— — Knapp zwei Wochen später tauchte an
den Litfaßsäulen und Mauerwänden ein Por-
trät des alten Madelmayer auf, dem folgen-
der Terl unterlegt war:
DIESER MANN
Eusebius Madelmayer
i st 107 Jahre a l t
und kerngesund, weil er von Jugend aus nach jeder
Mahlzeit eine Taffe Gschlader-Kaffee, nur echt mit der
Schutzmarke „Brunnen" trank. Geschlader-Kaffee ist
von wunderbarem Wohlgeschmack, stärkt den
Organismus und kostet nur . . .
„Mein Herr," sprach Theobald Schlaucherl
zum Prokuristen der Südfrüchtenhandlung
„Sarvaladi'ö Söbne", wollen Sie bitte diese
Statistik betrachten .'Seit die Firma Gschlader
mein Madelmayerplakat affichiert hat, also
seit einem Monat, hat sich der Gesamtumsatz
um 21596 Mark 4? Pfennig gehoben, was
bei der vorsichtigen Gschlader'schen Kalkulation
einen Reingewinn von fast zwanzigtausend
Mark bedeutet. Sie ersehen daraus, ..."
Das Resultat der Unterredung war ein
überaus wirksamer Maueranschlag:
WOLLEN S I E
107 Jahre alt werden?
Wie dieser Mann, Eusebius Madelmayer? Dann kausen
Sie reife, westindische Bananen nur bei der Firma
Sarvaladi's Söhne, gegr. 1856, wo auch Herr Madel-
mayer seil dem Tage der Keschästsgründung täglich
seine Bananen bezieht!
Die Madelmayerreklame wurde rasch populär.
Madelmayerplakate beberrschten das Stadtbild.
Und Schlaucherl verkaufte sein Patent ziemlich wahl-
los. Wenn er Madelmauers Mammutalter auf die
vortrefflich« Behandlungsmethode Dr. ined. univ.
Maurus Waffertrilling zurückführte, so klang das
immerhin noch glaubhaft. Indes die Behauptungen,
der Greis sei durch fortgesetzte Verwendung von
„Diamant"-Schuhpasta oder durch das Tragen von
„Dandy"-Hüten und „Aeternit"-Sockenhaltern 107
Jahre alt geworden, die Grenzen der Wahrschein,
lichkeit stark überstiegen.
Immerhin konnte Schlaucherl nach einem Jahr
die Aktienmajorität einer Filmfabrik in Hollywood
erwerben und als gemachter Mann nach Florida
übersiedeln. Seinen 25"/gigen Kompagnon, den alten
Madelmayer, war er bald losgeworden: Der hatte
die Gratisproben einiger dankbarer Firmen versucht,
und war nach Genuß von Gichladerkaffee und Sar-
valadibananen schwer erkrankt, worauf ihm die Be-
handlungsmethode des l)r. Maurus Waffertrilling
den Rest gab.
Friede seiner Asche!
Übrigens lebt Madelmayers Andenken in 137
Plakaten fort. Sa>p-,-r
Kathederblüten
Der guate, alte Pfarra z' Loch 'n,
Der hat si’ amal schö’ oersproch n.
„Leut'." hat er predigt an an' Surida.
„Bitrachts amal dös große Wunda.
Wo ins im heutig’n Eoangeli
Verzählt der Sankt Johannes seli':
D’ Apostel ham zum Heiland g'sagt.
Daß d’ Leut’ a so der Hunga plagt:
Da hat er si’ dös Wunda gleist’.
Er geht ganz oafaeh her und speist
(So was ko nur der Harne God!)
Eimf Mensch’n mit fimfdausad Brod!"
Da hat der Wagnerfranz oermess'n
Sein' Nachbarsmo’ in d’ Seit’n g’stess'n:
,.A soichas Wunda," sagt er laut.
..Hätt’ i mi ’ aa zum wirk’n traut!"
Der Pfarra hat ’s bis uuffa g'hört,
(Woaßt, wia der drüber fuchti’ merd!)
Drum hat er denkt: „Dös next’ Jahr wähl' i
Mit Fleiß dös nämli’ Eoangeli /"
Im Mittelalter konnten sich Verbrecher
durch Tragen von glühendem Eisen rein-
waschen.
Der Kaiser mußte Italien verlaffen, weil
an seiner Herrlichkeit imInnern seines Reiches
ein Wurm fraß.
Das verführerische Gesicht
Angeklagter: „Herr Vorsitzender, ich pro-
testiere dagegen, daß die Zeugin, der ich den
Kuß raubte, mit verschleiertem Gesicht hier
vor Gericht erscheint — das Gesicht ist mein
mildernder Umstand!"
Der pünktliche Hah»
„DerHahn,den ich gestern abend beiIhne»
verzehrte, bat mir schwer im Magen gelegen!
Um vier Ubr wurde ich schon wach!"
„Ja, das ist so seine Zeit, um vier Uhr
morgens weckt er immer!"
I hd riehti . über 's Jahr am Suncla.
Da red’t er wieda oo dem II it/ida!
„Dös ko alloa der Liawe God:
Eimfdausad Mensch’n mit fimf Brod!"
Na’ schreit er awa oo’ der Kauz!:
,, Was sagst denn nach a je tut, Franz!.
ln deina Bank da drunt’n drin na ?
Moanst leicht, du wuredst aa dös kinna f.
„Ha." lacht der Franzi, „allawei!
Da is do' weicht nix clabei:
's muaß ja oo' oorigsjahr, o mei,
AHaufa Brod no’ iibri' sei !“ Hem. Franz
Der bosbafte Dorfbewohner
„Gehirnentzündung soll bei dem kranke»
Gemeindevorsteher im Anzuge sein? Na, ein
Großseuer wird das nicht!"
Richtig
Hausfrau (zum neuen Mädchen): „Mir
scheint, daß Sie einen ziemlich hohen Lohn
verlangen, da Sie ja noch gar kerne Erfabrun-
gen haben." — Die Neue: „Eben, gnädige
Frau, wenn man noch nicht recht Bescheid
weiß, muß man viel mehr arbeiten!" — —
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Franzl ko 's aa"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 166.1927, Nr. 4270, S. 274
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg