Zeilglossen
Denkmal aus Frist
Ein Warschauer Bildhauer hat der polnischen
Regierung ein Denkmal mit auswechselbarem
Kops empfohlen. Als Prämie verlangte der Künst-
ler^ daß sein Kopf als erster 8 Monate lang das
Universal-Denkmal schmücken solle.
Dieser Bildhauer hat den Geist und die Kopfe
unserer etwas raschlebigen Zeit erfaßt. DerVer-
brauch an Berühmtheiten ist ein ungeheuerer und
wird stetig steigen. Die Denkmalsindustrie ist
sicher bald nicht mehr in der Lage, den Anforde-
rungen nachzukommen.
Da ist der „Wechselkops" eine geradezu geniale
Lösung der Verehrung, und schon als Gedanke
eine sinnige Huldigung an den Zeitgeist.
„Ein Denkmal aus Er; — Ewigkeit über-
dauernd" — wird künftig für jeden halbwegs Prominente» so;usagen schon
wie das Frackleihen auf Tage, Wochen, Monate oder Jahre möglich fein.—
Immer derselbe Kopf wirkt nachgewiesenermaßen langweilig, und wird
auch von der Witterung zu sehr mitgenommen — der Wechsel erfrischt.
Der Warner
In Eisenberg bei Leipzig ging ein Schloffergeselle mit seiner Braut zur
Hochzeit. Gerade als das Paar die Treppe zum Standesamt hinausging,
bahnte sich der Lehrling des Meistere
einen Weg durch das Gefolge und
ermahnte die Brautleute im Auftrag
des Schloffermeisters,sich den Schritt
doch ja noch zu überlegen, da es bald
zu spät sei.
Die Mahnung hat nichts geholfen.
D iescr Schloffermeister sche int vor
der Braut seines Gesellen doch aller-
hand Respekt gehabt zu haben, denn
er hat es vorgezogen, nicht persönlich
die Mahnung zu übermitteln, son-
dern zu dieser schwierigen Mission
den Lehrling zu schicken. Vielleicht
dachte er: Dem kommts auf eine
Dachtel bin oder -her nicht an. —
Daß Lehrlinge als Liebesbotenver-
wendet wurden, ist in der Geschichte
der Völker nicht neu. Daß sie aber
als Warnungstafeln vor der Ehe
austreten, war dieser Eisenberger
Schlosserei Vorbehalten. Kr.
Kleines Welt-Karussell
Siras-V erschürf ung.Ineini-
gen erotischen Straf-Kolonien er-
halten Deportierte, die mindestens
15 Jahre abzubrummen haben, die
Erlaubnis, sich mit einer gleichfalls
verurteilten Dame zu verehelichen.
— So machen böse Menschen aus
zeitlich begrenzte» Freiheitsstrafen —
lebenslängliche.
Monocle ohne Glas hat die
Weihnachtsindustrie 1927 auf den
Markt gebracht, als „ckernier cri“
für Damen. — Warum eigentlich ohne Glas!
Sagt nicht schon der Dichter:
Ein-Gläschen in Ehren
Sei keinem zu wehren . . . ?
Gymnasiastinnen im Gerichtssaal. I"
L. ließen Gymnasiastinnen durch ihren Ordinarius
die Erlaubnis erwirken, gemeinsam an einer Ge'
richteverbandlung über ein EifersuchtS- und Lie-
beSdrama teilzunekmen. - Es ist heutzutage
direkt eine Beruhigung, daß sechzehnjährige
Girls auf diesem Gebiete noch etwas lernen zu
können glauben . . . Ri-sn
Luftige Weltchronik
Ein Akroba t hat durch die Tat bewiesen, daß
das Unisteigen aus einem fahrenden Motorboot
in ein fliegendes Flugzeug vermittels einer Strick
leitet möglich ist. — Die Verkehrspolizei arbeitet bereits eifrig an Vor-
schriften zwecks Regelung dieses Umsteigeverkehrs.
Das „Bauhaus" will in Berlin einen ganz neuen Typ von Tbeater,
das sogenannte „Toial-Tbeater" errichten; die Szene soll nicht nur in der
Mitte des Zuschauerraums, sonder» außerdeni auch an den vier Wände»
spiele». — Wenn an diesen nicht die Zuschauer bochgeben.
Das größte englische Luftschiff, das gegenwärtig der Vollendung
entgegengeht, ist von ungeheuren
Dimensionen; die Kabinen enthal-
ten jeden Komfort, u. a. auch ein
Schwimmbassin. - Da kann also
einer in der Lust schwimmen!
In London hat ein Mann, der
sich ausö Prophezeien verlegt Kat, ein
trübes 1928 in Aussicht gestellt; vor
allem prophezeite er den meisten
Staaten Europas ein großes Defizit.
Wenn 's weiter nichts ist! Dazu
braucht man kein Prophet zu sein.
ti>.
Briefkasten
Botnnikeram Aquator.JhreNach-
eicht, daß Sie i» den Tropen Pflanzen be-
obachtet haben, welche hörbar husten, bringt
uns keine Überraschung. Gerade während
der Karnevalszeit kann man bei uns eine
Menge Großstadtpflanzen beobachten, welche
nächtelang tanzen, kalte» Sekt hinunter-
trinken und da,», am nächste» Tag hörbar
husten!
Klapperschlange, hier. Ihr Chef
will Ihnen täglich '/s Gehalt abziehe», weil
Sie pro Stunde zirka 4 Maschinenbriefe
schreiben und nach jedem Brief« 2 Minuten
lang mit Puder und Lippenstift hantieren,
also im Tag 8X8 Minuten oder rund eine
Stunde versäumen.WaS sich dagegen machen
läßt? ? Schreiben Sie doch langsamer! Bei
nur l Brief pro Stunde macht der Gesamt-
ausfall nur >6 Minuten im Tag! Da wird
sich die Firma — wegen nur eines Viertel-
stündchens! — nicht lumpen lasten!
Musikfreund, hier. Wie wir es sin-
den, daß am Frankfurter Konservatorium
eine Jazzklasie errichtet wird? Bitte um
etwas Geduld! Wir wollen erst bei der
Schneiderakademie anfrage», ob dorr eine
Klaffe für Neger-Bastschürzen besteht.
Unseroana
Heut fruah is der Flori auf Minka in d' Stadt,
Auf B’suach zua sein' Bast, dös wo er durt hat;
Am Namittag macht er si’ scho' mieda z'haus.
Denn länger als not bleibt er heut net gern aus.
Der Blaßl, sei’ Ochs, moaßt, der g'fallt eahm net
recht,
Es schaugt si', wia wann der was ausbruat’n möcht'
lind richti’, sei’ Alte steht scho' auf der Paß'
Und jammert: „Gel, Flori, der guate Blaß!
No' wiar i zum Melcha in Stall kemma bi',
Da war er so lusti, — und jeti is er hi’!“
Na' genga s' in Stall und zum Blaßl sein’ Stand;
Da liegt er und reckt alle Vier vonanand!
„Jaja,“ sagt der Flori, „da ko rna ’s ge sehgn,
So gschwind is ’s um unseroana oft g'schehgn!“
Hermann Franz
Eigentlich hat sie recht
Wir haben seit zwei Monaten ein Dienstmädchen vom Lande. Minna
heißt sie . . . Sie ist sehr tüchtig aber ihre Bildung wurde anscheinend im
Elternhause stark vernachlässigt. So kann sie sich immer noch kein rechtes
Bild davon machen, was ein Schriftsteller ist. Sie verwechselt das immer
mit Schriftsetzer oder auch mit Buchbinder.
Einmal fragte sie mich ganz schüchtern, was ich eigentlich den ganzen Tag
immer zu schreiben habe. Ich erklärte ihr. daß ich Bomane schreibe. Da
schüttelte sie erstaunt den Kopf und sagte, den Finger im Mund: „Dös geht
mir net ei', dah S' Eahna so plag'n, wo S' die Hefterln scho um zehn
Pfenning kaafa kenna."
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Denkmal aus Frist
Ein Warschauer Bildhauer hat der polnischen
Regierung ein Denkmal mit auswechselbarem
Kops empfohlen. Als Prämie verlangte der Künst-
ler^ daß sein Kopf als erster 8 Monate lang das
Universal-Denkmal schmücken solle.
Dieser Bildhauer hat den Geist und die Kopfe
unserer etwas raschlebigen Zeit erfaßt. DerVer-
brauch an Berühmtheiten ist ein ungeheuerer und
wird stetig steigen. Die Denkmalsindustrie ist
sicher bald nicht mehr in der Lage, den Anforde-
rungen nachzukommen.
Da ist der „Wechselkops" eine geradezu geniale
Lösung der Verehrung, und schon als Gedanke
eine sinnige Huldigung an den Zeitgeist.
„Ein Denkmal aus Er; — Ewigkeit über-
dauernd" — wird künftig für jeden halbwegs Prominente» so;usagen schon
wie das Frackleihen auf Tage, Wochen, Monate oder Jahre möglich fein.—
Immer derselbe Kopf wirkt nachgewiesenermaßen langweilig, und wird
auch von der Witterung zu sehr mitgenommen — der Wechsel erfrischt.
Der Warner
In Eisenberg bei Leipzig ging ein Schloffergeselle mit seiner Braut zur
Hochzeit. Gerade als das Paar die Treppe zum Standesamt hinausging,
bahnte sich der Lehrling des Meistere
einen Weg durch das Gefolge und
ermahnte die Brautleute im Auftrag
des Schloffermeisters,sich den Schritt
doch ja noch zu überlegen, da es bald
zu spät sei.
Die Mahnung hat nichts geholfen.
D iescr Schloffermeister sche int vor
der Braut seines Gesellen doch aller-
hand Respekt gehabt zu haben, denn
er hat es vorgezogen, nicht persönlich
die Mahnung zu übermitteln, son-
dern zu dieser schwierigen Mission
den Lehrling zu schicken. Vielleicht
dachte er: Dem kommts auf eine
Dachtel bin oder -her nicht an. —
Daß Lehrlinge als Liebesbotenver-
wendet wurden, ist in der Geschichte
der Völker nicht neu. Daß sie aber
als Warnungstafeln vor der Ehe
austreten, war dieser Eisenberger
Schlosserei Vorbehalten. Kr.
Kleines Welt-Karussell
Siras-V erschürf ung.Ineini-
gen erotischen Straf-Kolonien er-
halten Deportierte, die mindestens
15 Jahre abzubrummen haben, die
Erlaubnis, sich mit einer gleichfalls
verurteilten Dame zu verehelichen.
— So machen böse Menschen aus
zeitlich begrenzte» Freiheitsstrafen —
lebenslängliche.
Monocle ohne Glas hat die
Weihnachtsindustrie 1927 auf den
Markt gebracht, als „ckernier cri“
für Damen. — Warum eigentlich ohne Glas!
Sagt nicht schon der Dichter:
Ein-Gläschen in Ehren
Sei keinem zu wehren . . . ?
Gymnasiastinnen im Gerichtssaal. I"
L. ließen Gymnasiastinnen durch ihren Ordinarius
die Erlaubnis erwirken, gemeinsam an einer Ge'
richteverbandlung über ein EifersuchtS- und Lie-
beSdrama teilzunekmen. - Es ist heutzutage
direkt eine Beruhigung, daß sechzehnjährige
Girls auf diesem Gebiete noch etwas lernen zu
können glauben . . . Ri-sn
Luftige Weltchronik
Ein Akroba t hat durch die Tat bewiesen, daß
das Unisteigen aus einem fahrenden Motorboot
in ein fliegendes Flugzeug vermittels einer Strick
leitet möglich ist. — Die Verkehrspolizei arbeitet bereits eifrig an Vor-
schriften zwecks Regelung dieses Umsteigeverkehrs.
Das „Bauhaus" will in Berlin einen ganz neuen Typ von Tbeater,
das sogenannte „Toial-Tbeater" errichten; die Szene soll nicht nur in der
Mitte des Zuschauerraums, sonder» außerdeni auch an den vier Wände»
spiele». — Wenn an diesen nicht die Zuschauer bochgeben.
Das größte englische Luftschiff, das gegenwärtig der Vollendung
entgegengeht, ist von ungeheuren
Dimensionen; die Kabinen enthal-
ten jeden Komfort, u. a. auch ein
Schwimmbassin. - Da kann also
einer in der Lust schwimmen!
In London hat ein Mann, der
sich ausö Prophezeien verlegt Kat, ein
trübes 1928 in Aussicht gestellt; vor
allem prophezeite er den meisten
Staaten Europas ein großes Defizit.
Wenn 's weiter nichts ist! Dazu
braucht man kein Prophet zu sein.
ti>.
Briefkasten
Botnnikeram Aquator.JhreNach-
eicht, daß Sie i» den Tropen Pflanzen be-
obachtet haben, welche hörbar husten, bringt
uns keine Überraschung. Gerade während
der Karnevalszeit kann man bei uns eine
Menge Großstadtpflanzen beobachten, welche
nächtelang tanzen, kalte» Sekt hinunter-
trinken und da,», am nächste» Tag hörbar
husten!
Klapperschlange, hier. Ihr Chef
will Ihnen täglich '/s Gehalt abziehe», weil
Sie pro Stunde zirka 4 Maschinenbriefe
schreiben und nach jedem Brief« 2 Minuten
lang mit Puder und Lippenstift hantieren,
also im Tag 8X8 Minuten oder rund eine
Stunde versäumen.WaS sich dagegen machen
läßt? ? Schreiben Sie doch langsamer! Bei
nur l Brief pro Stunde macht der Gesamt-
ausfall nur >6 Minuten im Tag! Da wird
sich die Firma — wegen nur eines Viertel-
stündchens! — nicht lumpen lasten!
Musikfreund, hier. Wie wir es sin-
den, daß am Frankfurter Konservatorium
eine Jazzklasie errichtet wird? Bitte um
etwas Geduld! Wir wollen erst bei der
Schneiderakademie anfrage», ob dorr eine
Klaffe für Neger-Bastschürzen besteht.
Unseroana
Heut fruah is der Flori auf Minka in d' Stadt,
Auf B’suach zua sein' Bast, dös wo er durt hat;
Am Namittag macht er si’ scho' mieda z'haus.
Denn länger als not bleibt er heut net gern aus.
Der Blaßl, sei’ Ochs, moaßt, der g'fallt eahm net
recht,
Es schaugt si', wia wann der was ausbruat’n möcht'
lind richti’, sei’ Alte steht scho' auf der Paß'
Und jammert: „Gel, Flori, der guate Blaß!
No' wiar i zum Melcha in Stall kemma bi',
Da war er so lusti, — und jeti is er hi’!“
Na' genga s' in Stall und zum Blaßl sein’ Stand;
Da liegt er und reckt alle Vier vonanand!
„Jaja,“ sagt der Flori, „da ko rna ’s ge sehgn,
So gschwind is ’s um unseroana oft g'schehgn!“
Hermann Franz
Eigentlich hat sie recht
Wir haben seit zwei Monaten ein Dienstmädchen vom Lande. Minna
heißt sie . . . Sie ist sehr tüchtig aber ihre Bildung wurde anscheinend im
Elternhause stark vernachlässigt. So kann sie sich immer noch kein rechtes
Bild davon machen, was ein Schriftsteller ist. Sie verwechselt das immer
mit Schriftsetzer oder auch mit Buchbinder.
Einmal fragte sie mich ganz schüchtern, was ich eigentlich den ganzen Tag
immer zu schreiben habe. Ich erklärte ihr. daß ich Bomane schreibe. Da
schüttelte sie erstaunt den Kopf und sagte, den Finger im Mund: „Dös geht
mir net ei', dah S' Eahna so plag'n, wo S' die Hefterln scho um zehn
Pfenning kaafa kenna."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eigentlich hat sie recht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4304, S. 58
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg