Zeitbn. von R. v. Hoersckelmann
I ii der Dämmerung
Ananas
vonJoHannsRösler
Dies ist eine Geschickte,
in der erzählt wirb, warum
Annaberg keinen Zoologi-
schen Garten mehr hat und
weshalb Bürger mit der
heutigen Regierung unzu-
frieden sind und aus wel-
chem Grund Anna die
Ananas an das Fenster
legte.
Anna aus Annaberg
kaust eine Ananas.
Zum Geburtstag von
Adolar.
Anna aus Annaberg
kauft stets eine Ananas zu
Adolars Geburtstag. Er-
stens weil dies sehr vor-
nehm ist, zweitens weil sic
Ananas gern isit und drit-
tens braucht sic sich nicht
den Kopf zerbrechen, was
sie schenken soll.
Und dann ist eine Ana-
nas auch praktisch. Die
ersten Tage läßt man sie
im Zimmer liegen und alles
duftet wie bei feinen Leu-
ten. Nach jeder Mahlzeit
wird die Frucht aufgetra-
gen. Aber keiner schneidet
sie an. Es ist noch zu schade. Somit wird
das Kompott erspart und kann vom Ein-
kaufspreis der Ananas abgezogen werden.
Dann legt man sie an das Fenster, damit
sich die Nachbarn giften.
Beginnt die Ananas zu schimmeln,
wird sie gegeffen. Zunächst kostet man.
Ganz kleine Bisten. Oder zutscht die
Schale aus und zerfranst sich die Zunge.
Allmählich werden die Stücke immer
größer, die man in den Mund schiebt.
Schließlich kaut man die Ananas obne
Vernunft, und wenn sie zum dritten
Male aufgetrage» wird, äße man lieber
Apfelmus und freut sich, daß die Ananas
bald alle ist.
So eine Ananas schenkte Anna aus
Annaberg eines Tages Adolar.
Was macht die Dämmerung für Augen,
Die lauernd im Gebüsch erwacht?! —
Ich spüre, meine Füße taugen
Nicht gut zum Wandern in der Nacht.
Was soll das? - Meine Knie schlottern!
Kein Wort von meinen Lippen geht.
Der Atem stockt, die Hände — stottern,
Das Hirn durchzuckt ein Stoßgehet!
Gehäuftes Grauen kriecht am Ufer
Und glotzt von jedem Weidenstumpf!
Was will der graue Unglücksrufer
Mit seinem Jammern, hohl und dumpf? !
Zum Hören schlägt der Puls, der rasche!
Der Hals erstickt in seiner Glut. _
Ein tiefer Schluck erst aus der Flasche
Gibt mir zum Weitergeh n - den Mut.
Be du Ha fe»
Der Tag des Anschnit-
tes war gekommen. Adolar
wetzte das Mester.
Annas Augen achteten
andächtig auf Adolars
Ananas. Adolar setzte an.
Und - -
Die Ananas war hobl.
Braune Säfte liefen aus
den Rändern. Inmitten
faßeingroßerdickerWurm.
Ein Ananaswurm.
Annas Ananas war
vielleicht die einzige Ana-
nas, die jemals mit einem
Wurm nach Europa ge-
kommen war. Zumindest
»ach Annaberg. Alles starr-
te auf den Wurm, der sich
satt auf die andere Seite
drebte und weikerschlief.
Da packte Adolar An-
nas Ananas und mar-
schierte damit zum Anna-
berger Anzeiger.
Am Abend erschien eine
Notiz im lokalen TeiL
„Erotische Tiere in
A n n a b e r g.Gesternbrach-
te uns ein treuer Leser
unseres Blattes das le>
bendeEpemplar eines Oxy-
uris vermicularis Ana-
nasensisj eines Ananas-
wurmes, wie er drüben im Volksmunde
beißt . . . Wir halten das Tier für die
Abonnenten und Freunde unseres Blat-
tes bis morgen abend in der Redaktion."
Drei Tage später brachte Anna die
Ananas mit dem Ananaewurm in den
Annabcrger Zoologischen Garten und
stiftete ihn. Er wurde im Reptilienbause
untcrgebracht. Vor ihm eine Metallplatte:
„Oxyuris vermicularis Ananasensis.Ge-
stiftet von Frau Anna aus Annaberg."
Da aber der Wurm gemäß seines
Namens sich nur vom frischen Fleisch der
Ananas näbrte und derartige Ertraaus-
gaben im Etat des Zoologischen Gartens
nicht vorgesehen waren, machte ein Jahr
später der Zoologische Garten pleite und
wir habe» seitdem in Annaberg keinen
I ii der Dämmerung
Ananas
vonJoHannsRösler
Dies ist eine Geschickte,
in der erzählt wirb, warum
Annaberg keinen Zoologi-
schen Garten mehr hat und
weshalb Bürger mit der
heutigen Regierung unzu-
frieden sind und aus wel-
chem Grund Anna die
Ananas an das Fenster
legte.
Anna aus Annaberg
kaust eine Ananas.
Zum Geburtstag von
Adolar.
Anna aus Annaberg
kauft stets eine Ananas zu
Adolars Geburtstag. Er-
stens weil dies sehr vor-
nehm ist, zweitens weil sic
Ananas gern isit und drit-
tens braucht sic sich nicht
den Kopf zerbrechen, was
sie schenken soll.
Und dann ist eine Ana-
nas auch praktisch. Die
ersten Tage läßt man sie
im Zimmer liegen und alles
duftet wie bei feinen Leu-
ten. Nach jeder Mahlzeit
wird die Frucht aufgetra-
gen. Aber keiner schneidet
sie an. Es ist noch zu schade. Somit wird
das Kompott erspart und kann vom Ein-
kaufspreis der Ananas abgezogen werden.
Dann legt man sie an das Fenster, damit
sich die Nachbarn giften.
Beginnt die Ananas zu schimmeln,
wird sie gegeffen. Zunächst kostet man.
Ganz kleine Bisten. Oder zutscht die
Schale aus und zerfranst sich die Zunge.
Allmählich werden die Stücke immer
größer, die man in den Mund schiebt.
Schließlich kaut man die Ananas obne
Vernunft, und wenn sie zum dritten
Male aufgetrage» wird, äße man lieber
Apfelmus und freut sich, daß die Ananas
bald alle ist.
So eine Ananas schenkte Anna aus
Annaberg eines Tages Adolar.
Was macht die Dämmerung für Augen,
Die lauernd im Gebüsch erwacht?! —
Ich spüre, meine Füße taugen
Nicht gut zum Wandern in der Nacht.
Was soll das? - Meine Knie schlottern!
Kein Wort von meinen Lippen geht.
Der Atem stockt, die Hände — stottern,
Das Hirn durchzuckt ein Stoßgehet!
Gehäuftes Grauen kriecht am Ufer
Und glotzt von jedem Weidenstumpf!
Was will der graue Unglücksrufer
Mit seinem Jammern, hohl und dumpf? !
Zum Hören schlägt der Puls, der rasche!
Der Hals erstickt in seiner Glut. _
Ein tiefer Schluck erst aus der Flasche
Gibt mir zum Weitergeh n - den Mut.
Be du Ha fe»
Der Tag des Anschnit-
tes war gekommen. Adolar
wetzte das Mester.
Annas Augen achteten
andächtig auf Adolars
Ananas. Adolar setzte an.
Und - -
Die Ananas war hobl.
Braune Säfte liefen aus
den Rändern. Inmitten
faßeingroßerdickerWurm.
Ein Ananaswurm.
Annas Ananas war
vielleicht die einzige Ana-
nas, die jemals mit einem
Wurm nach Europa ge-
kommen war. Zumindest
»ach Annaberg. Alles starr-
te auf den Wurm, der sich
satt auf die andere Seite
drebte und weikerschlief.
Da packte Adolar An-
nas Ananas und mar-
schierte damit zum Anna-
berger Anzeiger.
Am Abend erschien eine
Notiz im lokalen TeiL
„Erotische Tiere in
A n n a b e r g.Gesternbrach-
te uns ein treuer Leser
unseres Blattes das le>
bendeEpemplar eines Oxy-
uris vermicularis Ana-
nasensisj eines Ananas-
wurmes, wie er drüben im Volksmunde
beißt . . . Wir halten das Tier für die
Abonnenten und Freunde unseres Blat-
tes bis morgen abend in der Redaktion."
Drei Tage später brachte Anna die
Ananas mit dem Ananaewurm in den
Annabcrger Zoologischen Garten und
stiftete ihn. Er wurde im Reptilienbause
untcrgebracht. Vor ihm eine Metallplatte:
„Oxyuris vermicularis Ananasensis.Ge-
stiftet von Frau Anna aus Annaberg."
Da aber der Wurm gemäß seines
Namens sich nur vom frischen Fleisch der
Ananas näbrte und derartige Ertraaus-
gaben im Etat des Zoologischen Gartens
nicht vorgesehen waren, machte ein Jahr
später der Zoologische Garten pleite und
wir habe» seitdem in Annaberg keinen
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"In der Dämmerung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4309, S. 110
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg